Mit EMC würde sich Dell Richtung Unternehmenskunden bewegen

Gerüchte um Akquisition von EMC durch Dell

08.10.2015
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Medieninformationen besagen, dass die Dell Inc. sich in Verhandlungen über eine Übernahme des Storage-Spezialisten EMC Corp. befindet. Davon soll die 80-Prozent-Beteiligung von EMC an VMware Inc. unberührt bleiben.

Für Dell würde die Akquisition Sinn ergeben, weil die Abhängigkeit vom Consumer-Geschäft reduziert und die Stellung im Enterprise-Markt ausgebaut werden könnte. Unklar ist allerdings, wie Dell eine Übernahme zumindest von Teilen der EMC-Company finanzieren will. Firmengründer Michael Dell hatte sich 2013 entschlossen, in einer spektakulären, 25 Milliarden Dollar schweren Buyout-Aktion gemeinsam mit dem Private-Equity-Investment-Spezialisten Silver Lake, Dell von der Börse zu nehmen.

Dell und Speicher-Firma EMC sprechen über Fusion
Dell und Speicher-Firma EMC sprechen über Fusion
Foto: Dell

Dells Aktionäre stimmten dieser Rochade am 12. September 2013 zu. Die Transaktion wurde am 29. Oktober 2013 abgeschlossen. Grund hierfür war seinerzeit die anhaltend schlechte Geschäftsentwicklung, die von den Aktionären in schöner Regelmäßigkeit abgestraft wurde.

Mit dem Buyout wollte sich Dell unabhängig von diesen Börsenschwankungen machen. Nach wie vor schleppt das Unternehmen allerdings eine hohe Schuldenlast mit sich herum. Laut FactSet gehörte Dell 2013 - im Jahr des Buyout - zu den Unternehmen mit der höchsten Nettoverschuldung. Auch jetzt noch soll die Schuldenlast bei 11,7 Milliarden Dollar liegen, so ebenfalls FactSet. Die Marktkapitalisierung von EMC beträgt rund 50 Milliarden Dollar. Eine Fusion mit Teilen oder der gesamten EMC würde Dell somit weiter erheblich belasten. Ersten Informationen zufolge soll Dell an VMware nicht interessiert sein. Ob das Unternehmen mit übernommen und später ausgelagert werden soll oder ob EMC vorab eine Abspaltung anstrebt, ist noch unklar.

Sinnvoller Schachzug

Aus Sicht von Michael Dell sind die Übernahmeüberlegungen nachvollziehbar. Sie entsprechen der Strategie, sich als "Unternehmen für Unternehmen" zu positionieren, sich also im B-to-B-Umfeld neben Größen wie IBM, Hewlett-Packard und dergleichen zu etablieren. Als Anbieter von PC-Systemen im Direktvertrieb hatte Dell seine große Zeit in den 90er Jahren des vergangenen und den ersten Jahren dieses Jahrhunderts. Spätestens mit dem Aufkommen der Smartphone- und Tablet-Generation allerdings gerieten die Anbieter von stationären wie mobilen Rechnern in Schwierigkeiten. IBM verkaufte seine Client-Sparte an Lenovo. HP überlegte schon seit der kurzen Regentschaft von Léo Apotheker den Verkauf seiner PC-Sparte - zum Beginn des Novembers 2015 werden die Systeme nun zusammen mit der Druckersparte vom Enterprise-Geschäft separiert.

Dell selbst konzentrierte sich zunehmend auf die Botschaft, sich auf Unternehmenskunden fokussieren zu wollen. In diesem Zusammenhang wurden Themen wie Storage, Networking, Security, Data-Center-Administration aber auch Analytics zunehmend von Bedeutung. Die B-to-B-Ausrichtung zeigte sich auch an den Akquisitionen, die Dell in den vergangenen Jahren vollzog. Schon mit der Übernahme von Perot Systems 2009 und der Etablierung einer neuen Geschäftsaktivität, den Dell Services, hatte das Unternehmen angedeutet, wohin die Reise gehen sollte. Weitere kennzeichnende Übernahmen waren:

  • Clerity Solutions spezialisiert sich auf die Applikationsauffrischung und Legacy-Systems-Rehosting-Lösungen.

  • Make Technologies engagiert sich in einem mit Clerity vergleichbaren Segment.

  • Credant Technologies fokussiert sich auf Data-Protection-Lösungen im Server-Storage-Cloud-Umfeld.

  • Enstratius entwickelt Software und berät bezüglich des Managements von Hybrid- und Single- Clouds.

  • Gale Technologies bietet Infrastructure-Automation-Software an.

  • Quest Software konzentriert sich auf das Management von Datenbanken, Applikationen und Virtualisierungslösungen.

  • Mit SonicWall legte sich Dell den Anbieter von Netzwerk-, Content-, Web- und Mail-Security-Lösungen zu, der sich auch auf Business-Continuity-Aufgaben versteht.

  • Der Kauf der StatSoft Inc. ermöglichte Dell den Einstieg ins Analytics-Geschäft.

  • Mit der Compellent Technologies Inc. fügte Dell einen Spezialisten aus dem Enterprise-Class-Speichersegment und Datenmanagement in sein Portfolio ein.

  • Force10 Networks wiederum machte sich einen Namen mit Hochleistungs-Data-Center-Networking-Lösungen.

Das sind einige der Akquisitionen, die die Ausrichtung von Dell auf Geschäftskunden kennzeichnen. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang auch Exanet, Insite One, Scalent, RNA Networks etc.

Offen für andere

Überlegungen, den Storage-Spezialisten EMC zu kaufen, geben für Dells Ausrichtung auf Unternehmenskunden mit Blick auf das Produktportfolio von EMC durchaus Sinn. EMC ist im Markt für externe Plattensysteme klar die führende Kraft im Markt. Wichtig für Dell dürfte in diesem Zusammenhang unter anderem sein, dass EMC seit zwei Jahren nun auch eine Option anbietet, die beispielsweise Hitachi Data Systems (HDS) schon viel früher offerierte: Die Integration von Storage-Arrays anderer Hersteller.

Für einen produktoffenen Anbieter von umfassenden Enterprise-Lösungen, als der sich Dell bei Unternehmenskunden andienen möchte, ist solch eine Angebotsvariabilität von Bedeutung. Insbesondere EMCs Symmetrix-Systeme zielen auf Hybrid-Cloud- und Big-Data-Anwendungen. Über eine vereinheitlichte Betriebssystemsoftware ("Enginuity 5876") lassen sich etwa auch IBM-i-, Unix-, Windows-, Linux- und Mainframe-Umgebungen anbinden. Genau die Klientel dieser Systeme aber hat Dell bei seiner B-to-B-Strategie im Auge.

Mit EMC würde sich Dell übrigens auch die EMC Global Services anlachen. Die sind spezialisiert auf Datenmigrationen oder den kompletten Aufbau neuer Storage-Umgebungen - eine Fähigkeit, die bei Data-Center-Kunden immer gefragt sein dürfte.