Gerstner lobt sich selbst IBM: Keine Beteiligung an Apple - aber Kauf von Kalpana geplant

21.10.1994

BRUESSEL (CW) - Kurz nach dem Wachwechsel an der Spitze der IBM Europe lobte Big-Blue-Boss Louis Gerstner die Pariser Zentrale als Vorreiter der weltweiten Restrukturierung. Die Geruechte, wonach IBM eine Minderheitsbeteiligung an Apple erwerben wolle, bestritt Gerstner. Bestaetigt wurden jedoch IBMs Kaufverhandlungen mit dem Ethernet-Spezialisten Kalpana Inc.

Gerstner stellte Spekulationen in Abrede, wonach sich IBM mit bis zu zehn Prozent an Apple beteiligen wolle. Man diskutiere mit dem Mac-Hersteller lediglich die Bereiche, in denen man gemeinschaftlich aktiv sei. IBM-Spitzen-Manager James Cannavino und Apple-Chef Michael Spindler sollen in einer dreitaegigen Klausur die kuenftigen Planungen in Sachen Power-PC abgesteckt haben, berichtet der englische Branchendienst "Computergram". Dabei sei es in erster Linie um eine Vereinheitlichung der Power- PC-Plattform gegangen.

Seit knapp 14 Tagen halten sich indes hartnaeckig Geruechte ueber ein moegliches finanzielles Engagement von Big Blue. Der Kurs der Apple-Aktie war angesichts der Spekulationen um 4,12 Dollar auf 37,8 Dollar gestiegen. Am vergangenen Samstag noch hatte der "San Francisco Chronicle" berichtet, IBM werde Liquiditaetsreserven fuer einen entsprechenden Schritt nutzen. Apple Deutschland erklaerte auf Anfrage, die Geruechte seien zwar bekannt, aber von Verhandlungen wisse man nichts.

Nicht bestritten wird dagegen Big Blues Interesse am Ethernet- Spezialisten Kalpana Inc. Unternehmensnahen Quellen zufolge soll die kalifornische Firma, die bereits seit 1992 mit der IBM zusammenarbeitet, fuer rund 150 Millionen Dollar zu haben sein. Kalpanas Hauptprodukt ist ein Ethernet-Switch. Mit diesem und anderen Netzwerk-Tools generierte das Unternehmen zuletzt einen profitablen Umsatz von rund 50 Millionen Dollar.

Gewinn von 90 Cent pro Aktie erwartet

Ein Sprecher der IBM bestaetigte die Verhandlungen, nannte es jedoch "voreilig", zum jetzigen Zeitpunkt einen Deal anzukuendigen. Ein Ergebnis der Uebernahme koennte Insidern zufolge die Entwicklung eines Token-Ring-Switches mit einer Uebertragungsrate von 4 bis 16 Mbit/s sein.

Bei seinem Besuch in Bruessel lobte Gerstner sich selbst. Nach nur 18 Monaten sei es ihm gelungen, den unbeweglichen Riesen flexibler zu machen: "Der Elefant tanzt, aber es wird noch ein Weilchen dauern, bis er in einem Fred-Astaire-Film auftreten kann", zitiert die "Financial Times" den Manager. Die IBM habe grosse Fortschritte gemacht, allerdings werde der Erneuerungsprozess noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

In der naechsten Woche veroeffentlicht der Hersteller die Ergebnisse des dritten Quartals. Wallstreet-Analysten rechnen dem britischen Wirtschaftsblatt zufolge mit Gewinnen von rund 90 Cent pro Aktie. Im Vergleichsquartal des Vorjahres hatte die IBM noch einen Verlust von zwoelf Cent pro Titel zu beklagen.

Gerstner lobte die europaeische Dependance ausdruecklich fuer ihre Anstrengungen, mit denen sie die Restrukturierung vorantreibt. Die hier gemachten Fortschritte in Sachen Kostensenkung und Arbeitsplatzabbau wuerden ueber dem Plan liegen. Offenbar geht es dem IBM-Boss vor allem um die organisatorische Restrukturierung, aus der statt der bisher geografisch gegliederten Vertriebsorganisationen bis zum Jahresende 14 branchenorientierte Bereiche hervorgehen sollen, die laenderuebergreifend arbeiten. Diese Veraenderungen sollen Brancheninsidern zufolge den bisherigen Europa-Chef Hans-Olaf Henkel veranlasst haben, seinen Posten zugunsten von Lucio Stanca zu raeumen.

Gerstner bestritt indes vehement, dass die Umstrukturierung innnerhalb der IBM-Laendervertretungen auf Widerstand stosse. Allerdings berichtet das "Wall Street Journal", dass nicht jeder Manager mit den Veraenderungen einverstanden ist.