Geringes Interesse an BPO-Diensten

13.12.2004
Die Anbieter werben lautstark für das Business Process Outsourcing (BPO), doch deutsche Anwender erliegen den Lockrufen selten.

Um das Business Process Outsourcing wird derzeit viel Aufhebens gemacht. Zu unrecht, wie Katharina Grimme, Senior Analyst bei Ovum, meint: "Man sollte sich nicht von den hohen Wachstumsraten blenden lassen. BPO ist ein sehr kleiner Markt und wird es auch zunächst bleiben." Im laufenden Jahr summiert sich der Gesamtumsatz hierzulande auf 710 Millionen. In vier Jahren wird er Schätzungen von Ovum zufolge auf gut eine Milliarde Euro zulegen (siehe Grafik: "Outsourcing in Deutschland"). Zum Vergleich: Mit IT-Outsourcing setzen die Anbieter heute mehr als zehn Milliarden Euro pro Jahr um.

Dass der hiesige Markt auch in den nächsten Jahren einer aktuellen Ovum-Studie zufolge nicht richtig in Schwung kommen will, liegt vor allem an den besonderen Attributen deutscher Anwender, die im Vergleich zu ihren Kollegen aus den angelsächsischen Ländern vorsichtiger, akribischer und eigenständiger sind und daher die Angebote nur zögernd annehmen. Große Hoffnungen setzen die internationalen und in Deutschland tätigen Provider beispielsweise in das Business Transformation Outsourcing, das Projekt- und Betriebsaufträge umfasst. Im Zuge dieser Offerte wollen die Dienstleister vorhandene Geschäftsprozesse samt der darunter liegenden IT übernehmen, überarbeiten, standardisieren und dann betreiben. Auch danach verpflichten sie sich zu kontinuierlichen Innovationen in den Prozessen. In den USA und Großbritannien, wo Anwender grundsätzlich schneller auslagern, kommt dieses Angebot laut Grimme gut an, die deutschen Kunden ignorieren es weitgehend: Sie überarbeiten ihre Prozesse lieber eigenhändig und streichen die damit verbundenen Einsparungen selbst ein.

"Dieses Vorgehen ist zweischneidig, "warnt Grimme. "Es ist gut, wenn die Projekte intern tatsächlich durchgesetzt werden können. Viele Unternehmen bilden sich jedoch ein, sie könnten es, verfügen aber nicht über die erforderlichen Ressourcen und Budgets." Eine nüchterne Betrachtung der eigenen Möglichkeiten und der Fähigkeiten der Dienstleister ist offenbar nicht immer selbstverständlich: Einer nicht repräsentativen Umfrage unter 35 IT-Managern über deren Blick auf das BPO-Geschäft zufolge schrecken 27 der Befragten wegen Sicherheitsbedenken vor der Auslagerung von Geschäftsprozessen zurück. Unter technischen Gesichtspunkten, so die Ovum-Expertin, könne sie die Bedenken nicht nachvollziehen. "Das ist wohl eher eine mentale Barriere", kritisiert Grimme.

Des Weiteren ergab die Erhebung, dass 23 der 35 befragten IT-Manager um die Servicequalität fürchten und dies als wesentliche Barriere dafür empfinden, Geschäftsprozesse einem externen Anbieter zu übergeben. Die Probleme großer deutscher Outsourcing-Projekte etwa bei der Deutschen Bank und Daimler-Chrysler nähren diese Skepsis. Doch dürfen sie nicht dazu verleiten, Veränderungen rundweg abzulehnen, denn oftmals ist eine Durchforstung der eigenen Abläufe dringend erforderlich. "Die Firmen wehren sich gegen Standardisierung und bestehen auf individuelle Services", vermutet Grimme. "Das ist nicht gerechtfertigt, denn oftmals haben sich Prozesse gebildet, die unnötig kompliziert sind. Einer solchen Umgebung täte eine Standardisierung nur gut." Wo IT-Abteilungen und Manager die Kraft und Macht haben, alte Zöpfe abzuschneiden, können sie die Veränderungsprozesse selbst betreiben, ansonsten müssen externe Dienstleister diese Vorhaben erledigen.

Die Vorsicht der hiesigen Anwender gegenüber dem IT- und Geschäftsprozess-Outsourcing dokumentiert sich auch im Umgang mit Lieferanten. Während die Service-Provider es in den angelsächsischen Ländern gewohnt sind, den Kunden beispielsweise die Services, Funktionen und Service-Level-Agreements (SLAs) zu erläutern, werden sie von deutschen Anwendern mit Detailfragen konfrontiert. Sie wollen beispielsweise nicht nur wissen, was die SLAs beinhalten, sondern auch verstehen, wie der Service-Provider sie garantieren möchte und was im Fehlerfall passiert. Die Genauigkeit, die die hiesigen Anwender von ihren Providern einfordern, und die Vorsicht, mit der potenzielle Kunden sich den BPO-Angeboten nähern, haben ihren Grund nicht allein in den Eigenheiten der IT-Manager. Es gibt derzeit keine eindeutigen, vorzeigbaren Erfolgsgeschichten bei deutschen Anwendern, sieht man von den einfachen außer Haus bearbeiteten Gehaltsabrechnungen ab.

Wo Auslagerung überhaupt eine Option ist, dort sind es unkomplizierte standardisierte Prozesse, die einem externen Provider übergeben wurden - der Erfolg von Datev, ADP und anderen Personaldienstleistern ist Beleg dafür. Ansonsten gaben die befragten IT-Manager zu Protokoll, möglicherweise das Finanz- und Rechnungswesen, branchenspezifische Prozesse (einfache Massendienste, Barscheck-Bearbeitung, Transactions Processing etc.) und den Einkauf extern betreiben zu lassen. Unterm Strich nutzen derzeit nur zwölf der 35 befragten Unternehmen BPO-Dienste, zumeist bei Gehaltsabrechnung und Einkauf. 18 Firmen von 35 zeigen aktuell und in absehbarer Zeit kein Interesse.

Nur zehn große BPO-Deals

Viele Aufträge, die Anbieter heute als BPO-Projekte verbuchen und vermarkten, sind einfache und neu etikettierte Bürodienstleistungen. Bislang zählt Ovum nur zehn bedeutende BPO-Deals in Deutschland, hinzu kommen eine Reihe von kleineren Aufträgen. Zum Gros handelt es sich dabei um die Bearbeitung von Gehaltsabrechnungen. Einige der auf internationaler Ebene abgeschlossenen BPO-Verträge etwa von Procter & Gamble und General Motors erstrecken sich auf deren Deutschland-Geschäft. Auch dadurch wurden in der Vergangenheit die Umsätze im hiesigen BPO-Markt positiv beeinflusst.

Das deutsche BPO-Geschäft, so das Ovum-Fazit, ist ein von der Anbieterseite getriebener und aufgebauschter Markt. Insbesondere die internationalen Anbieter wollen ihre Erfolge auf dem amerikanischen und britischen Markt gerne in Deutschland fortführen. "Das geben sie auch offen zu", schildert Grimme. "Sie haben in diesen Märkten Erfahrungen gesammelt und wollen sie nun nutzen, um den deutschen Markt zu erobern. Daher rührt der Hype, der derzeit um das BPO-Thema aufgebaut wird."