M-Commerce/Noch setzen die Endgeräte Grenzen

Gerätespezifische Services als Erfolgsrezept

23.02.2001
Der Handyboom ist ungebrochen. Dennoch erwiesen sich Dienste wie WAP als Flop, und die Umsätze in Sachen M-Commerce sind bislang eher enttäuschend. Ein Grundhierfür ist, dass die Auswirkungen der unterschiedlichenEndgerätearten auf das mobile Angebot unterschätzt wurden. Von Markus Ehrenwirth*

Devices allein machen noch kein Business - so könnte man eine weniger bekannte Studie von Forrester Research zusammenfassen. Unter dem Titel "Driving Retail with Devices" beleuchteten die Forscher im letzten August die B-to-C-Seite des Mobile Commerce. Besonderes Augenmerk legten die Marktbeobachter auf die spezifischen technologischen Möglichkeiten, die verschiedene Gerätearten wie Handy, Pocket PC, PDA (Personal Digital Assistent) offerieren, und darauf, welche Auswirkungen dies auf die Nutzung hat. Zumal die Geräte nach speziell angepassten Angeboten an Anwendungen und Diensten verlangen.

Mehr als die Hälfte der europaweit Befragten gab in der Studie an, dass sie mit ihren WAP- und PDA-Projekten unzufrieden sind. Einer der wichtigsten Gründe hierfür, so die Teilnehmer der Studie, sei die nicht ausgereifte Technik. Darunter verstehen sie vor allem die fehlende Unterstützung von Transaktionen. Die Gründe, warum dennoch alle an diesen Projekten festhalten und sie weiterentwickeln, sind mehrschichtig: Zum einen sind sie erheblich billiger als etwa die Erstellung einer Website, die von PC-Anwendern genutzt wird. Zum anderen stufen die Befragten ihre Projekte als strategisch wichtig ein. Nur wer mit den neuesten technologischen Entwicklungen Schritt hält, kann auf die künftige Kundenverteilung einen entscheidenden Einfluss ausüben. Dabei steht als Motivation vorerst die Neukundengewinnung im Mittelpunkt. Erst ab 2002 werden die neuen Geräte dann als ein Mittel zur Kundenbindung betrachtet.

Bei näherem Hinsehen zeigt sich hier ein Widerspruch zwischen den Motiven hinter den M-Commerce-Projekten auf der einen und der Analyse ihres Scheiterns auf der anderen Seite. Während die Motive vor allem Marketing-orientiert sind, werden die Schwächen dagegen auf der Vertriebsseite gesehen.

Die Natur von Mobile Devices

Forrester plädiert dafür, die mobilen Geräte nicht zu dem zu machen, was sie nicht sind, nämlich zu Transaktionsinstrumenten, sondern ihren Einsatz in der Vertriebsunterstützung, also in der Kundenwerbung und -bindung, zu sehen. So liegen die Stärken von WAP-Handys nach Ansicht der Auguren in der Übertragung begrenzter und präziser Einzelinformationen. Analysen oder Produktvergleiche seien also die falsche Applikation für diese Devices, eher geeignet sind dagegen spezifische Informationen, wenn der Anwender genau weiß, wonach er sucht. Transaktionen beschränken sich hier also etwa auf die Reservierung einer Kino-Eintrittskarte oder auf die Bestellung eines Blumenstraußes. Schließlich, so die Forscher weiter, nutze der Anwender ein WAP-Handy zwischendurch, wenn er unterwegs ist und keine Zeit hat.

PDA: persönlicher digitaler Assistent, der Name sagt viel aus. Wer PDAs nutzt, legt vor allem auf das persönliche Informations-Management Wert und erwartet Applikationen, die dies ermöglichen. Zudem erlauben die wenigsten Geräte dieser Gattung eine direkte Anbindung an das Internet, dementsprechend rar sind die dafür angebotenen Dienste. Schließlich fehlten bislang die nötigen Bandbreiten, um auch Applikationen via Internet und PDA nutzen beziehungsweise herunterladen zu können. Forrester sieht deshalb in PDAs und daran angepassten Diensten in den nächsten fünf Jahren vor allem ein Instrument zur Imagepflege. Da die PDA-Besitzer in der Regel neuen Technologien sehr offen gegenüberstehen, sollten Händler und Anbieter technologielastiger Produkte unbedingt auch PDAs zur Kundenbindung nutzen, um in der PDA-Gemeinde nicht als rückständig zu gelten.

Ein anderes Einsatzszenario für PDAs sind transaktionsvorbereitende und -unterstützende Aktionen. Als Beispiel nennt Forrester etwa den auf Windows-CE-Geräten lesbaren Fahrplan der Deutschen Bahn, der um Bestellcodes erweitert werden soll. Auf diese Weise könnte schnell von unterwegs aus per Handy ein Fahrschein geordert werden. Eine andere Anwendungsmöglichkeit wäre zum Beispiel das Eingeben einer Einkaufsliste, während man die Vorratsschränke in der Küche nach fehlenden Waren durchforstet. Bei der späteren Synchronisation mit dem PC wird die Liste dann automatisch in den Bestellschein des bevorzugten Online-Supermarktes übernommen. Der Zwischenschritt über den handgeschriebenen Einkaufszettel entfällt.

Zugangstechnologie als Barriere?

Letztlich betreiben also nur Anbieter, die einen gerätespezifischen sowie einen marketing- und CRM-orientierten (Customer-Relationship-Management) Ansatz verfolgen, eine aktive Verkaufsunterstützung. Denn während im Jahr 2005 nur etwa 5,2 Milliarden Euro direkt über mobile Geräte umgesetzt werden dürften, beträgt der durch diese Geräte indirekt vorbereitete Umsatz nach Ansicht von Forrester fast 230 Milliarden Euro. Die Forrester-Studie hat den Vorteil, dass sie das Thema Mobile Devices beziehungsweise Mobile Commerce konsequent aus der Sicht der Anwender - Anbieter und Kunden - betrachtet. Angesichts der hier vorgestellten Argumentation verlieren die immer wieder vorgebrachten technologischen Einwände wie unzureichende Bandbreite oder unterschiedliche Datenformate an Überzeugungskraft. Sicher, der GSM-Standard (Global System for Mobile) war und ist eine Begrenzung und XML wird das Problem der Datenanpassung und des Datenvolumens nicht alleine lösen können. Aber wer Content-Management-Systeme entwickelt, die XML-Inhalte je nach Geräteart vorselektieren, wer auf Produktvergleiche via WAP-Handy verzichtet, wer abgespeckte Applikationen auf PDAs anbietet, der kommt auch mit weniger Bandbreite aus und muss nicht auf UMTS (Universal Mobile Telecommunication Systems) warten.

Carsten Schmidt, Hauptautor der Studie, kommt denn auch zu dem Schluss: "GPRS wird bis Ende 2001 den Durchbruch bringen." Darin spiegelt sich die Hoffnung wider, dass ein Umdenken einsetzt, das vom eindimensionalen, weil transaktionsorientierten Mobile Commerce hin zum mehrdimensionalen Mobile Business führt, das alle Maßnahmen auch vor und nach der Transaktion berücksichtigt. Die Frage, ob UMTS oder nicht, spielt folglich keine Rolle, mal ganz abgesehen davon, dass die Prognosen zu diesem neuen Standard immer düsterer werden, wie etwa Forrester im Dezember 2000 in der Studie "Europe''s UMTS Meltdown" dargelegt hat.

Auch wenn die Hersteller von Mobile Devices im Gegensatz zu den Forrester-Ergebnissen an den Erfolg von UMTS in naher Zukunft glauben, zeigen die jüngsten Ankündigungen etwa von Ericsson, Palm und Nokia, dass bei der Entwicklung neuer Geräte immer mehr das Problem des gerätespezifischen Angebots und der geräteübergreifenden Kommunikation berücksichtigt wird. Eine Entwicklung, die sich in zwei großen Trends herauskristallisiert.

Zum einen setzen die Hersteller verstärkt auf konvergierende Geräte. So streben die drei Großen im Markt - Ericsson, Nokia und Palm - wohl eine Verschmelzung von Handy und PDA an. Während Ericsson und Nokia mit dem "R380s" beziehungsweise dem "Communicator 9210" Handys mit größeren Displays und PDA-Funktionalität vorgestellt haben, lassen sich die Handhelds der Palm V-Serie mittels Steckmodul zum Mobiltelefon erweitern.

Zum anderen gehen die Hersteller verstärkt Kooperationen ein, um für ihre Devices attraktive Dienste zu offerieren. Ericsson und Nokia setzen dabei auf Kooperationen beim Aufbau der Netzinfrastrukturen der nächsten Generation und propagieren auf ihren Websites die eigenen WAP-Dienste sowie die Angebote der Partner auf Betreiberseite. Palm dagegen erweitert das Service-Angebot für die eigenen Geräte kontinuierlich durch Partnerschaften und Akquisitionen. Ein Beispiel hierfür ist etwa das Internet-Portal My Palm.

Allerdings wäre es ein Trugschluss, aus obigen Beispielen zu folgern, dass die Gerätekonvergenz automatisch eine Dienstekonvergenz nach sich zieht. Zum einen sind diese intelligenten Multi-device-Geräte nämlich sehr teuer, zum anderen will der Anwender auch weiterhin zwischen beiden Anwendungsszenarien wählen können.

Zum Schluss bleibt noch die Frage, ob die skizzierten Entwicklungen im B-to-C-Bereich auch auf den B-to-B-Bereich übertragbar sind? Aus Sicht des Autors ist diese Frage mit einem klaren Ja zu beantworten, denn das Problem der gerätespezifischen Anwendungen tritt hier noch stärker auf. Der Funktionsumfang von Geschäftsanwendungen ist nämlich zu groß und lässt sich deshalb nicht einfach auf PDAs oder Handys übertragen. Dementsprechend groß ist der Anpassungsaufwand und - spiegelbildlich dazu - die Zurückhaltung etwa seitens der ERP-Anbieter (Enterprise Resource Planning). Nur ein Teil von ihnen, beispielsweise Bäurer, Mapics, Peoplesoft und SAP, offerieren heute schon dedizierte Anwendungen für mobile Geräte, und hier vor allem für PDAs. Die Einsatzgebiete umfassen vor allem CRM, Instandhaltung, Auftragserfassung und Kundendienst. GPRS und entsprechende Endgeräte begünstigen zwar diese Entwicklung, die Erstellung und Markteinführung solcher dedizierten Anwendungen benötigt jedoch ihre Zeit. Zumal die ERP-Anbieter M-Commerce und Mobile Business eher als Addon denn als neues Kerngeschäft betrachten.

*Markus Ehrenwirth ist freier Journalist in Augsburg.

Abb: Was spricht gegen mobilen Handel?

Noch ist das Bezahlen via Handy für viele Händler Zukunftsmusik. Sie monieren eine nicht ausgereifte Technik. (Quelle: Forrester Research)