Gemeinsames Netz mit den Sparkassen im Aufbau

Genossenschaftsbanken nehmen Kurs aufs WWW

05.04.1996

GRK-Geschaeftsfuehrer Werner Klinder ist ein Mann unkonventioneller Entscheidungen. Schon einmal - im Fruehsommer vergangenen Jahres - hatte er fuer Aufsehen gesorgt, als er beschloss, unter die PC-Verkaeufer zu gehen (siehe CW Nr. 28 vom 14. Juli 1995, Seite 1: "Genossenschafts-RZ eroeffnet Bankkunden den Online-Zugang"). Leider legte er sich damals auf den Lieferanten AT&T fest, der sich kurz darauf aus dem PC-Geschaeft zurueckzog.

Heute installiert das GRK bei Kunden der hessischen und thueringischen Volks- und Raiffeisenbanken "Scenic"-Geraete von Siemens-Nixdorf. Den Hardwarevertrieb ueberlaesst es mittlerweile allerdings der Handelsorganisa- tion Interfunk. Die GRK- Mitarbeiter uebernehmen es jedoch, ein fuer 250 Mark unter die Kundschaft gebrachtes Software-Bundle - vornehmlich Produkte von Lotus Development - zu installieren und die User-Hotline zu betreuen.

Darueber hinaus bastelt das Genossenschafts-Rechenzentrum zusammen mit einem kleinen daenischen Software-Unternehmen an einem speziell fuer das Online-Banking geschnuerten Programmpaket, das voraussichtlich gegen Ende dieses Jahres fuer etwa 30 Mark zu haben sein wird.

Das Paket besteht aus vier Komponenten: den Home-Banking- Programmen "Quicken" und "MS Money", dem Internet-Browser "Navigator" von Netscape sowie einer abgespeckten, weitgehend auf die E-Mail-Funktionen reduzierten Ausfuehrung des Groupware- Produkts "Lotus Notes".

Diese Aktivitaeten des GRK haben vor allem eines zum Ziel: Die Kunden der angeschlossenen Finanzinstitute sollen ihre Geldgeschaefte auch in fuenf Jahren noch ueber ihre Bank abwickeln. Klinders Horrorvision: Medienriesen wie Time-Warner oder Bertelsmann, Kfz-Hersteller mit Bankenkonzession oder internationale Kreditkartenunternehmen leiten den Zahlungsfluss direkt ab Verbraucher um. "Alles, was wir wollen, ist, dass der Geldstrom einen Tag lang in unseren Banken kreist", bekennt der GRK-Geschaeftsfuehrer.

Deshalb wird das Rechenzentrum den Bankkunden demnaechst die eigenen X.400- und X.500-Netze oeffnen - nicht nur, damit sie darueber ihre Geldgeschaefte erledigen, sondern auch, um ihnen durch das Corporate Network hindurch den Zugriff auf das World Wide Web (WWW) zu ermoeglichen. Eine Reihe von WWW-Services - zum Beispiel die gemeinsam mit IBM erstellte "buergernahe Verwaltung" - versprechen auch dem Privatkunden handfeste Vorteile.

<H4>Einen Fuss in der Tuer zum Markt</H4>

Sogar Shareware zum Herunterladen will das GRK auf seinem Web- Server anbieten - fuer eine Nutzungsgebuehr von einer Mark pro Anwendung. "Einen Fuss in den Markt bekommen" nennt Klinder diese Taktik. Spaetestens im September dieses Jahres soll der Web-Service ans Netz gehen.

Eine entscheidende Rolle im GRK-Konzept spielt die Lotus-Software Notes. Sie gibt dem Kunden, so Klinder, eine leicht bedienbare Oberflaeche fuer die Pflege seiner eigenen Web-Seiten an die Hand. Darueber hinaus haetten auch Sicherheitsaspekte den Ausschlag fuer Notes als Front-end gegeben. Der Rahmenvertrag mit Lotus Development spricht von einer Lizenz fuer 400000 Kopien der Kommunikationssoftware.

Das richtige Fundament fuer die neuen Dienstleistungen will sich das GRK schaffen, indem es das Konkurrenzdenken hintanstellt und mit der Sparkassen-Rechenzentrale in Frankfurt kooperiert. Im Visier hat Klinder ein gemeinsames Corporate Network mit lokalen 2-Mbit-Leitungen und einer ATM-Struktur fuer weiterfuehrende Verbindungen. Die Moeglichkeit zum dynamischen Zu- und Abschalten von Breitband-Uebertragungskapazitaet ist das, was der GRK-Chef fuer notwendig und wuenschenswert haelt.

In den Bundeslaendern Hessen und Thueringen sind die Vorgespraeche bereits gelaufen und die Feinplanung in Angriff genommen. Klinder rechnet damit, das gemeinsame Netz zum kommenden Herbst in Gang setzen zu koennen. Ob Genossenschaftsbanken und Sparkassen sich auch auf gemeinsame Inhalte einigen werden, laesst der ruehrige Kommunikationsspezialist noch offen. Bislang sei es zu frueh, darueber zu reden.