Generalisten-Schicksal

19.02.1982

Es soll ja schon vorgekommen sein, daß Computerhersteller in Presse-Informationen und sonstigen Verlautbarungen frisierte Auftrags- und Installationszahlen genannt haben, um die Konkurrenz zu necken und die eigene Vertriebsmannschaft aufzubauen. So läßt sich auch gegen die Diebold-Rechnerstatistik für die Bundesrepublik Deutschland einwenden, die veröffentlichten Bestandswerte basierten weitgehend auf Herstellerangaben. Marktbeobachtern liefere sie nur eine Begründung, warum es blauäugig wäre, Vergleichszahlen zu akzeptieren, die ihnen von den Herstellern selbst ohnehin nie geliefert werden.

Das Problem der Ungenauigkeit bei Rechnerzählungen betrifft freilich alle Computerstatistiken. Und so kann man auch ganz einfach darauf vertrauen, daß sich die "Schönfarben", zu einer statistischen Gesamtheit vermengt, gegenseitig neutralisieren, der allgemeine Trend sichtbar wird. In diesem Punkt läßt die Diebold-Strichliste keine Fehlinterpretationen zu: Die Großen stagnieren, die Kleinen marschieren.

Es gibt in der Tat Anzeichen dafür, daß die "Generalisten" unter den etablierten Computeranbletern, Hersteller, die das komplette Leistungsspektrum für alle Anwendungen abdekken, in aussichtslose Grabenkämpfe verwickelt, sind. An der Distributed-Data-Processing-Front gegen Aufsteiger wie DEC, Hewlett-Packard, Nixdorf, Data General, Datapoint, Prime oder Tandem; im Büro gegen Wang, Xerox, Philips, AEG-Telefunken sowie Olivetti. Mit Kommerz-Mikros proben überdies Tandy, Apple und Commodore den Zwergenaufstand, um die Vormachtstellung der Arrivierten im Feld der Mittleren Datentechnik (MDT) zu brechen. Im Jumbobereich schließlich machen sich Siemens, Burroughs, CDC, Univac, Honeywell Bull und ICL gegenseitig ihre Altkunden-Areale streitig, während IBM Schützenhilfe von den Steckerkompatiblen Amdahl, NAS und BASF erhält.

Regelrecht eingebrochen auf dem bundesdeutschen Großrechnerparkett ist die International Computers Limited. Die einst stolzen Briten wollen sich jetzt durch Naschen am Kleincomputerkuchen schadlos halten.

Praktisch ausgeschieden aus dem Small-Business-Systems-Rennen ist dagegen die Siemens AG, deren Überlebenstrategie nunmehr ganz auf IBM-Kompatibilität ausgerichtet werden soll. Ein "geordneter Rückzug" soll die Münchner wieder auf sicheren Boden bringen.

Mühe, den IBM-Standard nachzuvollziehen, haben Univac und Honeywell Bull. Zu stark, so scheint es, sind die beiden Traditionsanbieter durch ihre jeweilige Betriebssystemvergangenheit belastet. Wie es aussieht können die nichtkompatiblen Weggefährten des Marktführers den Anschluß an die große IBM-Welt nur durch Kooperationen mit PCMs (Plug Compatible Manufacturers) schaffen.

Burroughs, auch so ein Rückzugkandidat, was die "Generalistenrolle" betrifft hat sich mit der Übernahme der Memorex Corp. wenigstens den Zugang zum weiten PCM-Wunderland gesichert, in dem CDC als Peripheriehersteller längst heimisch ist. Auf wissenschaftliche Datenverarbeitung spezialisiert, haben sich die Cyber-Leute ohnehin aus den gröbsten Scharmützeln im kommerziellen Markt herausgehalten.

Ein Sonderfall auch NCR: Im Geschäft mit Dickmaschinen war der ehemalige Kassenkönig nie richtig drin. Heute beschränken sich die Aktivitäten selbst im Bereich der Mittelklasse auf Teilmärkte, die von der NCR-Anwendungserfahrung her lohnend erscheinen.

Bleibt "Generalissimus" IBM: Doch das ist eine eigene Geschichte.