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Geheimdienste spähen bereits Computer von Verdächtigen aus

25.04.2007
Die Geheimdienste spähen bereits seit 2005 heimlich via Internet die Computer von Verdächtigen aus. Dies bestätigten am Mittwoch im Bundestags-Innenausschuss nach Teilnehmerangaben der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Peter Altmaier (CDU), und das Bundeskanzleramt.

Die Opposition kritisierte die Praxis als rechtswidrig und illegal. Der innenpolitische Sprecher

der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, hält die Online-Durchsuchungen bei der gegenwärtigen Rechtslage ebenfalls für unzulässig. Auch Unions-Politiker äußerten Zweifel.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Februar der Polizei wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen Online-Durchsuchungen vorerst untersagt. Das Ausspähen von Daten mit Hilfe eines Programms, das ohne Wissen des Betroffenen auf seinen Computer aufgespielt wird, sei nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt. In dem verhandelten Fall ging es allerdings nicht um die Arbeit von Geheimdiensten.

Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, forderte die Regierung auf, die Maßnahme auszusetzen, bis die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Online-Durchsuchungen vorliegt, und die entsprechenden Haushaltsmittel unverzüglich zu sperren. Ihr Parteikollege Hartfrid Wolff warf der Regierung vor, die Öffentlichkeit getäuscht zu haben. Der Sicherheitsexperte der Grünen, Wolfgang Wieland, sprach von einer Missachtung des Grundgesetzes, "wie sie in so offener Dreistigkeit bisher noch nicht zu hören war."

Nach Ansicht der Bundesregierung lassen die Gesetze über die Nachrichtendienste Online-Durchsuchungen der Geheimdienste zu. Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte den Angaben zufolge eine entsprechende Dienstvorschrift abgezeichnet.

Für Piltz ist eine Dienstanweisung dagegen keine geeignete Rechtsgrundlage für Eingriffe in die Grundrechte der Bürger. Wiefelspütz sagte, die Regierung sei gut beraten, wegen fehlender Rechtsgrundlagen auf Online-Durchsuchungen zu verzichten. Grundsätzlich hält der SPD-Innenexperte allerdings Online-Durchsuchungen für ein in Ausnahmefällen gerechtfertigtes Ermittlungsinstrument, wenn dafür eine Rechtsgrundlage geschaffen wird. Dies komme aber nur bei schwersten Verbrechen in Frage. Dabei müsse auch der Kernbereich privater Lebensführung beachtet werden. "Es gibt auch auf der Festplatte des Computers ein Schlafzimmer", sagte Wiefelspütz der dpa.

Die Innenpolitiker Hans-Peter Uhl (CSU) und Ralf Göbel (CDU) halten Online-Durchsuchungen durch Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt vor dem Hintergrund der terroristischen Bedrohung ebenfalls für erforderlich. Die Durchsuchungen müssten aber auf verfassungsrechtlich tragfähiger Grundlage durchgeführt werden. Ob eine Dienstvorschrift angesichts des gravierenden Eingriffs eine ausreichende Rechtsgrundlage darstellt, sei rechtsstaatlich fraglich. Es müssten daher unverzüglich die erforderlichen Voraussetzungen

geschaffen werden.

Die Links-Politiker Jan Korte und Ulla Jelpke warfen der Regierung Verlogenheit vor. Nach außen hin erwecke sie den Eindruck, sie suche erst noch nach einer Rechtsgrundlage, aber tatsächlich lasse sie schon seit zwei Jahren heimliche Online-Durchsuchungen zu.

Hinweis: Zur weiterführenden Lektüre empfehlen wir den Grundlagenartikel "Demokratie in Gefahr" unseres Kollegen Jürgen Hill. (dpa/tc)