Anwender und Planer sind schlecht informiert

Gefährdungspotentiale von Datenträgern selten im Kalkül

23.08.1991

Eine zum Teil erschreckende Sorglosigkeit zeigt sich im DV-Alltag nach wie vor bei der Aufbewahrung von Datenträgern. Selbst diejenigen, die es wissen müßten, erkennen oft nicht die unterschiedlichen Gefahrenquellen und Gefährdungsgrade für die Daten.

Wer seine Daten nicht schützt, hat keine wichtigen Daten - sollte man meinen. Immerhin erreichen nahezu 90 Prozent aller Unternehmen das erforderliche Sicherheitsmaximum nicht einmal annähernd. Mangelhafte Archivierung, unzureichende Vorkehrungen gegen Gefahren wie Diebstahl oder Brand sowie ein völlig sorgloser Umgang, mit Datenträgern kennzeichnen die Situation.

Die fehlende Sensibilität für Datensicherungsmaßnahmen hat hauptsächlich einen Grund: Informationsdefizite sowohl bei Anwendern als auch bei DV-Verantwortlichen und Planern. Eine in deutschen Rechenzentren durchgeführte Schwachstellenanalyse zeigte beispielsweise, daß

- selbst Bauabteilungen, Architekten und Fachbereichsleiter die Grenzwerte für die Lagerung magnetischer Datenträger häufig nicht kennen,

- rund 65 Prozent der Safes, in denen Datenträger gelagert werden, dazu ungeeignet sind,

- Sicherheitsarchive meist im selben Gebäudetrakt eingerichtet sind wie Büroräume (F-90-Wand) und im Brandfall keinen Schutz vor auftretender Feuchtigkeit und korrosiven Brandgasen bieten. Die folgenden Fragen beleuchten die unterschiedlichen Gefahrenquellen und Gefährdungsgrade der jeweiligen Datenträger.

1. Brandgase

Bei einem Brand sind die aggressiven Gase für die Datenträger besonders gefährlich. Ist im Unternehmen jedem Mitarbeiter bekannt, wie gefährdet Datenträger durch Feuer, Brandgase oder Wasser sind; Wissen die Mitarbeiter, daß Brandgase, die durch die Tür oder durch Maueröffnungen in das Archiv dringen, den gesamten Datenbestand vernichten können?

2. Luftfeuchtigkeit

Selbst alte Stein- und Mauerwände sowie Betonarchive enthalten noch bis zu zwei Prozent Wasser in gebundener Restfeuchte. Das bedeutet im Brandfall 100 Prozent Luftfeuchtigkeit. Disketten, Magnetbänder und Mikrofilme überstehen maximal 85 Prozent Luftfeuchtigkeit unbeschädigt. Wurden diese Grenzwerte beim Bau des Datenarchivs berücksichtigt?

3. Entmagnetisierung

Sind die Datenträger so sicher gelagert, daß sie durch magnetische Einwirkung nicht zerstört werden können?

4. Unkenntnis

Die Technische Universität Braunschweig hat in Zusammenarbeit mit dem VDMA Frankfurt bei verschiedenen Sachversicherern und der Industrie die maximal zulässigen Temperaturwerte für Datenträger ermittelt. Sind den Mitarbeitern die unterschiedlichen Gefährdungsgrade für Datenträger nach VDMA-Einheitsblatt 24991 bekannt?

5.Sicherungsschränke

Erfüllen die vorhandenen Datensicherungs-Schränke oder -Safes die VDMA-Norm gemäß Einheitsblatt 24991, Teil 1?.

6. Fehlverhalten

Datensicherungs-Safes sollten nicht ohne Grund offenstehen aber die Praxis sieht häufig anders aus. Bricht plötzlich ein Feuer aus, bleibt in der Regel keine Zeit mehr zum Schließen von Datensicherungs-Safes sowie aller Fenster und Türen, um dem Feuer den Sauerstoff zu entziehen. Die konventionellen Sicherheitsvorkehrungen sind in diesem Fall völlig nutzlos.

Werden für die Datensicherung Safes eingesetzt, deren Türen sich im Katastrophenfall automatisch und personenunabhängig schließen?

7. Funktionssicherheit

Werden alle Datensicherungs-Safes und -Räume regelmäßig vom Hersteller überprüft und gewartet?

8. Zeit

Im Brandfall vergehen von der Benachrichtigung bis zum Eintreffen der Feuerwehr in Deutschland durchschnittlich 28 Minuten. Wurde diese Zeitspanne im Brandschutzkonzept bedacht?

9. Vernichtungsdauer

In einer Testreihe der Hamburger Feuerwehr wurden folgende Vernichtungszeiten für Datenträger ermittelt:

- Zwei gefüllte Ordner von 8 Zentimeter Breite: nach zehn Minuten nur noch Asche.

- Zwei Magnetbänder: nach zehn Minuten starke Rauch- und Flammenbildung, weit gehende Vernichtung; Gesamtbranddauer: 88 Minuten und 30 Sekunden.

- Drei Disketten fallen nach 2 Minuten und 8 Sekunden Brand der völligen Vernichtung anheim.

Berücksichtigt das Brandschutzkonzept diese Werte?

Mikrofilm als Schwachstelle

Die Aufbewahrung von Mikrofilmen ist eine wesentliche Schwachstelle in der Datensicherungs-Praxis. Oft liegen die Filme in "normalen" Büroschränken, die keinerlei Schutz bieten. Oder sie werden - aus Unkenntnis der Empfindlichkeitswerte - in feuersicheren Schubladenschränken archiviert, deren Feuerschutz lediglich für Papier-Datenträger ausreicht. Nach DIN 19070, Teil 3,

"... kann neben dem Informationsverlust ein Film durch hohe Temperaturen so geschädigt werden, daß er nur mit Schwierigkeiten betrachtet, projiziert oder kopiert werden kann. Aufeinanderliegende Filme oder Windungen können ebenfalls dann verkleben, wenn die Filme neben der bildtragenden Gelatineschicht noch eine zusätzliche Gelatine- oder sonstige Rückschicht besitzen. Dies wird bei Dampfeinwirkung noch verstärkt..." Die Kernfrage bei der Mikrofilm-Aufbewahrung heißt daher:

- Sind die Mikrofilme analog zu den Gefährdungsgraden (75 Grad Celsius, 85 Prozent Luftfeuchtigkeit) in Safes nach VDMA 24991 archiviert?

Zusammenfassend kann gesagt werden: Als mangelhaft zu bezeichnen sind grundsätzlich alle Sicherheitsprodukte und -räume, die nicht dem bereits erwähnten VDMA-Einheitsblatt 24991 entsprechen. Im Merkblatt zum Brandschutz für EDV-Anlagen, gemeinsam aufgestellt vom Verband der Deutschen Industrie e. V. (BDI), wurde dazu unter anderem aufgeführt: "... Datenträger sind in Datensicherungs-Safes nach dem VDMA-Einheitsblatt 24991, Teil 1, mit dem Prüfzeichen RAL-RG 626/7 aufzubewahren oder in Räumen zur Aufbewahrung von Datenträgern der Güteklasse R 60 D (VDMA 24991, Teil 2, mit Prüfvermerk RAL-RG 626/8) unterzubringen." Nur dann ist auch eine permanente Güteüberwachung sichergestellt.