Ratgeber

Gebrauchtsoftware - pro und kontra

03.11.2006
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

CONTRA

Christoph Rittweger, Rechtsanwalt von Baker & McKenzie vertritt Oracle:"Vom Kauf ist dringend abzuraten"
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Müssen Anwender, die in der Vergangenheit gebrauchte Lizenzen gekauft haben, nun rechtliche Konsequenzen fürchten?

Dies kann in Einzelfällen nicht ausgeschlossen werden. Zwar hat das OLG München im Urteil vom 3. August 2006 nur entschieden, dass Usedsoft aus rechtlichen Gründen daran gehindert ist, "gebrauchte Softwarelizenzen" eines bestimmten Herstellers zu veräußern. Dieses Urteil kann jedoch verallgemeinert werden. Es betrifft das Geschäftsmodell all derjenigen Gebrauchtsoftwarehändler, die von Unternehmen "gebrauchte Softwarelizenzen ankaufen", um diese auf einem Sekundärmarkt zu veräußern. Für "gebrauchte Softwarelizenzen" wird dabei üblicherweise unter Hinweis auf deren aktuellen Wartungsstand geworben. Als rechtliche Folge des zitierten Urteils können die "Käufer gebrauchter Softwarelizenzen" keine Nutzungsrechte erwerben und würden durch eine Nutzung die Urheberrechte der betroffenen Hersteller verletzen. Der gutgläubige Erwerb der Nutzungsrechte ist nicht möglich. Auch dann nicht, wenn der angeblich "rechtmäßige" Erwerb der Lizenzen durch ein "Notartestat" bestätigt wird. In der Folge können Hersteller gegen die betroffenen Anwender unter anderem Anspruch auf Auskunft über den Umfang der rechtswidrigen Nutzung sowie Zahlung von Schadensersatz geltend machen.

Können Anwender derzeit Second-Hand-Software einkaufen, und was ist dabei zu beachten?

Vom "Kauf" von Second-Hand-Software ist derzeit dringend abzuraten. Dies gilt nach dem Urteil des OLG München uneingeschränkt für gebrauchte Lizenzen, die vollständig oder teilweise per Download zur Verfügung gestellt wurden. Die bislang üblichen Angebote der Gebrauchtsoftwarehändler, "gebrauchte Softwarelizenzen" auf aktuellem Wartungsstand anzubieten, sind von dem Urteil des OLG München unmittelbar betroffen. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der aktuelle Wartungszustand regelmäßig nur durch fast ausschließlich online verfügbare Updates und Upgrades erreicht wird. Ein Handel mit bloßen Lizenzen ohne Weitergabe eines Datenträgers ist daher immer unzulässig, auch dann, wenn der ursprüngliche Lizenznehmer selbst einen Originaldatenträger hat. Nicht zu entscheiden hatte das OLG München, ob unter bestimmten Voraussetzungen die Weitergabe von Datenträgern, die von einem Hersteller stammen und seine Programme enthalten, zulässig ist. Auch hier ist deshalb Vorsicht geboten. Der Ersterwerber kann, etwa im Rahmen eines Softwaremietvertrages, beispielsweise lediglich ein zeitlich befristetes Nutzungsrecht haben. Denkbar ist auch, dass lediglich eine Raubkopie veräußert wird. Selbst wenn diese Unsicherheitsfaktoren ausgeschlossen werden können, bleibt zu beachten, dass ein gebrauchter Originaldatenträger ohne jeden Support und ohne Wartung verkauft wird.

Wie wird sich das jüngste Urteil auf den Markt und das Angebot an Gebrauchtlizenzen auswirken?

Die Auswirkungen sind schwer abzuschätzen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden Gebrauchtsoftwarehändler ihre Kunden künftig bereits im eigenen Interesse darauf hinweisen, dass der Erwerb "gebrauchter Lizenzen" nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung nicht wirksam ist. Im Hinblick auf das Urteil des OLG München könnte es sogar in Betracht kommen, die Nichtaufklärung der Anwender als rechtlich erhebliche Täuschung im Sinne des Betrugstatbestandes zu qualifizieren. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass es zur Frage der Rechtmäßigkeit des Handels mit "gebrauchten Lizenzen" mit dem Urteil des OLG München erstmalig eine rechtskräftige Entscheidung gibt. Die Frage, ob der Anwender Nutzungsrechte erwirbt oder nicht, ist von zentraler Bedeutung für den Abschluss des Vertrages. Über solche Umstände ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann aufzuklären, wenn die andere Partei nicht ausdrücklich nachfragt. Selbst wenn ein Betrug durch den Gebrauchtsoftwarehändler verneint werden sollte, verbleiben den Anwendern ihre Rechte wegen Mängeln oder gegebenenfalls das Recht zur Anfechtung des "Kaufvertrags" wegen arglistiger Täuschung.