Contra

Gebrauchte Software ist kein gebrauchtes Auto

16.02.2006
Von Wolfgang Fritzemeyer
Der Handel mit gebrauchten Software- lizenzen ist urheberrechtswidrig.

E inige Unternehmen haben in den vergangenen drei Jahren den Handel mit gebrauchter Software als Geschäftsmodell entdeckt. Die Idee beruht darauf, "gebrauchte" Softwarelizenzen, die nicht mehr benötigt werden, beispielsweise nach Fusionen oder Insolvenzen, anzukaufen und wieder zu verkaufen. Der Gewinn wird dadurch erzielt, dass der Ankaufspreis vergleichsweise gering ist, der Wiederverkaufspreis jedoch deutlich höher, aber immer noch erheblich unter dem Marktpreis liegt, den die Originalhersteller verlangen.

Die Gebrauchtsoftwarehändler stützen sich dabei auf das OEM-Urteil des BGH aus dem Jahr 2000. Diesem Urteil lag der folgende Fall zugrunde: Microsoft hatte versucht, einen gespaltenen Vertrieb für sein Windows-Betriebssystem durchzusetzen. Die Software des Betriebssystems wurde in einer OEM-Version auf Disketten nur in Verbindung mit einem neuen Computer vertrieben. Microsoft verklagte einen Händler auf Unterlassung, weil dieser eine OEM-Version, die er von einem autorisierten Hardwarehändler erworben hatte, ohne einen neuen Computer weiterverkauft hatte. Der BGH wandte jedoch den urheberrechtlichen, "Erschöpfungsgrundsatz" an und kam zu dem Ergebnis, dass das Verbreitungsrecht von Microsoft an den Softwarekopien, den Disketten, erschöpft sei, weil diese mit Zustimmung des Herstellers in Verkehr gebracht worden waren. Am 19. Januar 2006 erging nun in Deutschland das erste Urteil zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des Handels mit gebrauchter Software. Geklagt hatte Oracle gegen den Lizenzhändler Usedsoft.

Rechtliche Grundlage entzogen

Wenn das Urteil des LG München I rechtskräftig wird, ist dem Handel mit gebrauchten Softwarelizenzen die rechtliche Grundlage entzogen. Die Aussagen des Urteils sind vielfältig. Die zentrale Botschaft dürfte jedoch in der Feststellung liegen, dass der Erschöpfungsgrundsatz nur die Weitergabe des ursprünglich erlangten Werkstücks mit den daran eingeräumten Nutzungsrechten rechtfertigen kann, nicht aber die Aufspaltung der ursprünglich eingeräumten Nutzungsrechte in belie-bige Teilmengen. Die Vorstellung, ein Lizenznehmer könne zunächst Nutzungsrechte für 500 Nutzer erwerben und dann bei einer späteren Bedarfsminderung schlicht 250 Plätze davon veräußern, ist damit zu Recht als unzutreffend erkannt worden. Ein weiterer gewichtiger Aspekt der gegen die Möglichkeit der Aufspaltung der einheitlichen Lizenz in beliebige Teillizenzen spricht, ist die Tatsache der degressiven Lizenzgebühren bei nahezu allen Softwareherstellern.

Ungeklärtes Wartungsproblem

Besonders deutlich wird die wirtschaftliche Unangemessenheit der Vorgehensweise der "Gebrauchtsoftwarehändler", wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Degressivität der Lizenzgebühren bei hohen Stückzahlen dazu führen kann, dass auf Einzelplätze nahezu keine signifikanten Lizenzgebühren mehr entfallen, obgleich eine auf dem Markt legal erworbene Einzelplatzlizenz durchaus einen hohen Preis haben kann.

Schließlich haben die Gebrauchtsoftwarehändler das Wartungsproblem nicht geklärt. Geht man mit gut vertretbaren Argumenten davon aus, dass der jeweilige Softwarehersteller nicht dazu verpflichtet ist, auch den Kunden Pflegeverträge anzubieten, die seine Software nicht legal erworben haben, so stehen diese ohne Pflege da. Für Kunden, die bislang schon einen Pflegevertrag hatten, stellt dies zwar kein praktisches Problem dar (die Updates werden ohne zusätzlichen Vertrag und damit wohl rechtswidrig einfach auch für die zusätzlichen Arbeitsplätze verwendet), wohl aber ein rechtliches. Die Vervielfältigung der Updates für mehr Arbeitsplätze als vom Hersteller lizenziert, ist eine rechtswidrige Vervielfältigung. Kunden, die bislang noch keinen Wartungsvertrag hatten, stehen vor dem Problem des Zugangs zur Pflege. Der Gebrauchtsoftwarehändler wird diese nicht leisten können.

Warten auf die nächste Instanz

Es bleibt abzuwarten, ob sich die Berufungsinstanz dem Verdikt des LG München I anschließt. In diesem Fall muss sich die Branche der Gebrauchtsoftwarehändler auf die Beteiligung der Hersteller besinnen, denn diese haben wohl erkannt, dass ein Kunde das Bedürfnis haben kann, überzählige Lizenzen abzubauen; hierfür sehen viele Hersteller sogar eigene dreiseitige Verträge vor, also Verträge zwischen Hersteller, Altlizenznehmer und Neulizenznehmer. Man wird - ausgehend von dem besprochenen Urteil - annehmen können, dass ein Kunde, der von einem Gebrauchtsoftwarehändler Lizenzen erworben hat, möglicherweise Gewährleistungsrechte hat, die den Rücktritt vom "Kaufvertrag" ermöglichen. (hk) u