Ge"streift", . . . kleinkariert, . . . bis sie Klartext kapieren?

09.07.1976

Dr. Hans Braun Geschäftsführer und Inhaber Rechenzentrum Dr. Braun München

Während es auf den Fachmessen von Rechnern, sogar Taschenrechner wimmelt, die ihre Arbeit allesamt im Nanosekundenbereich verrichten, bleibt die Datenerfassung, das manuelle Eintasten der Ausgangsdaten auch 1976 fast überall jenes Kuckucksei, das man mit der Nutzbarmachung der EDV "frei Nest" gelegt bekam. In den Budgets mancher Großbetriebe wird die Datenerfassung heute höher veranschlagt als die Verarbeitung.

Manuelle Abrechnungssysteme aus der Zeit vor der EDV hat man auf Grund einer begrenzten Artikelzahl nur bei Molkereien, Brotfabriken, Brauereien oder ähnlichen Betrieben im Einsatz gesehen. Sie besaßen jenen "Simultan-Effekt", von dem die EDV seit Anbeginn träumt. Dort wurde nämlich bei Vorbestellung oder Verkauf ab Wagen mit einem Schriftzug Lieferschein, Rechnung mit Rechnungskopie, Journal für die Warenzusammenstellung, Ladeliste etc. per Durchschrift erstellt! Eine falsch eingetragene Menge bewirkte zwar eine falsche Lieferung, die Rechnung aber war gleichlautend, so daß dem Anwender aus dieser Ecke kein finanzieller Verlust entstehen konnte.

Mit zunehmender Artikelzahl freilich war bei diesen Systemen schnell die Grenze nach oben erreicht. Und die ganzen Listen und Belege mußten eben verdichtet, addiert, multipliziert, subtrahiert, nicht dagegen auf Übertragungsfehler hin kontrolliert werden.

Während also jede Durchschrift Urkundencharakter für sich in Anspruch nehmen kann, begann mit dem Lochen, Abtippen, Eintasten und Prüfen eine Übertragungsarbeit, die zwar eine ganze Völkerschaft ernährt, die aber - weil Übertragungsarbeit - mit Imponderabilien behaftet ist (und dies in schöner Regelmäßigkeit im spannendsten Moment). Daran ändern auch Band- und- Disketten-Erfassungsplätze, Datensammelsysteme, Bildschirme ohne und mit Direkteingabe nichts. Sie erleichtern lediglich die Arbeit und sind zum Teil in der Lage, einige Plausibilitätsprüfungen vorab durchzuführen. Sie beschleunigen auch die Übertragungsarbeiten. Der Urkundencharakter von Durchschriften wird indes nicht erreicht, der "Simultan-Effekt" fehlt.

Uns bewegten in unserem Haus (mit 2 Systemen IBM 360/40 und Multiprogramming) deshalb nicht so sehr die Nanosekunden, wenngleich die manchmal ganz kommod wären, sondern die Crux der Datenerfassung und die Alternativen für eine Abhilfe - bescheidener: "Erleichterung" - für unsere Kunden, die ihre Daten selbst erfassen müssen.

Auf Lochstreifen als Datenträger haben wir uns nur begrenzt eingelassen und zwar deshalb, weil die große IBM dieses Medium mehr oder weniger links liegenließ. Hoffnung kam mit dem Belegleser IBM 1287 auf, vor allem dann, als Kaffeefirmen große Erfolge damit verbuchen konnten. In anderen Fällen wurden mehrere tausend Kunden so gut geschult, daß die heute täglich mit ausgefüllten 1287-er-Belegen zu ihren Verteilungsstellen kommen, um Molkereiprodukte einzukaufen, letzteres mit sage und schreibe nur ca. 3-4 Prozent Rückweisungen! Aber ein Milchfahrer im Schneesturm oder ein Beirfahrer nach dem Fässerrollen oder ein Fleischhauer mit feuchten fettigen Händen? In solchen Fällen gab es keinen Ansatzpunkt, wenn nicht der gesamte Vertrieb nur wegen der Belegleserei auf Vorverkauf umgestellt werden sollte, um dann wiederum nur Teilbereiche damit abdecken zu können.

Eine große Rolle spielten Lesesicherheit, Ausfallzeiten, Geschwindigkeit, vor allem aber Maschinen- und Belegkosten.

Wir für unseren Teil landeten vor genau 6 Jahren schließlich beim billigeren Journalstreifenleser IBM 1285, der Anfang 1973 gegen ein schwedisches Almex-Offlinesystem mit echter Online-Korrekturmöglichkeit ausgetauscht wurde. Die Anfangswegstrecke war mit zahllosen unsichtbaren Reisnägeln übersät. Dennoch bekamen wir das Problem mit sehr umfangreichen echten Abstimmprogrammen gut in den Griff. Bei den Bewegungsdaten der uns angeschlossenen Lebensmittel-Großhandelsunternehmungen beispielsweise ist die linke Kolonne des Klarschriftstreifens - bestehend nur aus Artikelnummern und der Tour-Nummer - mit Prüfziffern, die rechte (Kunden-Nummern und Mengen) mit Kontrollsummen technisch abgesichert.

Die Datenerfassung mit den Klarschriftdruckern geht unerhört rasant (150-170 Prozent eines modernen Lochers) und erfordert keine Spezialisten! Die Einarbeitung ganz normaler Bürokräfte erfolgt in wenigen Stunden (manchmal Minuten!).

Der Klarschriftstreifen selbst ist sehr leicht transportabel. Eine Streifenkopie verbleibt beim Betrieb.

Ein Erfassungsgerät kostet je nach Ausrüstung zwischen 2500 Mark und 5500 Mark Anschaffungspreis und kann von da her fast überall plaziert werden.

Wir verarbeiten pro Jahr 70 bis 100 Millionen Eingabezeilen. Der Einsatz erstreckt sich auf sämtliche Gebiete des betrieblichen Rechnungswesens.

Dennoch schreitet mit der Zeit auch die Entwicklung voran, die wir mit großer Aufmerksamkeit beobachten. Ein "Simultaneffekt" ließe sich erzielen, wenn man Originalbelege maschinell direkt preiswert lesen könnte oder wenn die Datenerfassung vor oder beim Bewegungsvorgang erfolgen würde.

Bei der Umstellung eines großstädtischen Milchversorgungsbetriebes wurde dies sogar mit unserem Klarschriftstreifen erreicht, weil von uns die Lieferscheine vor der Lieferung ausgedruckt werden, an Hand dieser Belege also die Lieferung erfolgt. Dabei handelt es sich aber nur um einen Bruchteil unserer Probleme.

Dennoch geht der Trend eindeutig zum kleineren, preiswerten, softwaregesteuerten Belegleser, der dezentral eingesetzt werden kann, der Schriften und Markierungen liest.

Wer aber EDV und Entwicklungen kennt, weiß, daß zwischen Idee und technischer Realisierung einerseits und technischer Realisierung und dem eigentlichen Durchbruch andererseits sehr lange Wegstrecken liegen können.

Kleine Belegleser und tragbare Erfassungsgeräte können in der Datenerfassung die Zukunft bedeuten. Voraussetzung dafür ist die technisch saubere Lösung, die rasche und sichere Wartung und Kosten in diskutablen Bereichen. Bis dahin lesen wir bestimmt noch viele Streifen, Streifen, Streifen.

Streifen . . .