Analysten urteilen kritisch

Gates will Handheld-Markt zur eigenen Domäne machen

06.12.1996

Bei Windows CE handelt es sich um eine abgespeckte Version von Windows 95, das lediglich 25 Prozent der APIs des großen Bruders enthält (siehe CW Nr. 47 vom 22. November 1996, Seite 6: "Bill Gates enthüllt Windows CE . . .") Als Zielplattform sind zunächst Handheld-PCs (HPCs) vorgesehen. Doch Gates ließ durchblicken, wozu sich CE mittelfristig ebenfalls einsetzen läßt: als Betriebssystem für Bildtelefone, Digital-Video-Disk-Player und Settop-Boxen.

Wie Gates erklärte, haben sich bereits über 600 Independent Software Vendors (ISVs) dazu entschlosssen, Windows CE zu unterstützen. Angesichts der Hardwareschwergewichte, die CE-basierte Palmtops angekündigt haben - Casio, Compaq, Hewlett-Packard, Hitachi, LG Electronics, NEC und Philips (siehe Kasten auf Seite 50) - verwundert das Engagement der Softwareschmieden allerdings nicht.

Nicht zu Unrecht bezeichnet Gates die Windows-CE-Allianz als einen "Meilenstein auf Microsofts Weg, Windows neben dem Desktop (Win 95) und Server (NT) auch auf anderen Plattformen" zu etablieren.

Zumindest den bisherigen Marktführern im Palmtop-Segment, Psion und Sharp, dürfte die Microsoft-Initiative gehörig einheizen. Ihren Systemen setzt die CE-Allianz Quasi-Windows-kompatible Geräte zum Preis von rund 500 Dollar entgegen, die ein ähnliches Look and feel aufweisen wie der Windows-Desktop. Das Statement von Anthony Mc Garvey, Marketing-Manger bei Psion, klingt denn auch wie das berühmte Pfeifen im Wald: "Im Prinzip begrüßen wir Microsofts Engagement. Es wertet den Markt auf."

Analysten kommentierten das CE-Ereignis indes unaufgeregt. "Dieser Schritt wird den Personal Digital Assistants (PDAs) keinen Massenmarkt bescheren", erklärte Mike McGuire, Senior Analyst bei Dataquest. "Profis wollen unterwegs ein Notebook, kein CE-Gerät." Auch Tim Bajarin, ChefConsultant von Creative Strategies, sieht nur begrenzte Einsatzmöglichkeiten. "Die Mitarbeiter, die von ihren Unternehmen mit Laptops ausgerüstet werden, sind ständig unterwegs. Ein CE-Device dürfte für Angestellte interessant sein, die innerhalb der Firma an verschiedenen Arbeitsstellen zu tun haben."

Die Zahlen geben den Skeptikern recht. Auch Gates, der den "Road Worrier" als primäre Zielgruppe für die Kleinstrechner sieht, räumt ein, daß sich bis Ende des Jahres insgesamt nicht mehr als 1,5 Millionen Palmtops verkaufen lassen. Gemessen an den prognostizierten 69,5 Millionen PCs, die 1996 einen Käufer finden sollen, ist das kein großer Markt. Unternehmensnahen Quellen zufolge rechnet Microsoft bis Ende 1997 mit 250000 verkauften Windows-CE-Palmtops.

Für den europäischen und deutschen Markt wurden die Produkte noch nicht freigegeben. Beobachter erwarten im Laufe des nächsten Jahres europäische Versionen.