Gates sponsert E-Commerce-Zentrum

Gates sponsert E-Commerce-ZentrumInformatiker protestieren gegen Clementgate

19.02.1999
MÜNCHEN (wt) - Der Deutschland-Besuch von Microsoft-Chef Bill Gates sorgt für Ärger. Viele Software-Experten protestieren offen gegen Kungelei mit der Politik.

Zunächst wandte sich die Linux-Gemeinde gegen das Ansinnen des Softwareriesen, deutsche Schulen mit Internet-Technologie auszustatten. Dann sorgte Gates mit seinem Appetit auf das deutsche TV-Kabelnetz für Irritationen. Nun formiert sich Widerstand.

Gates hat mit Wolfgang Clement, Ministerpräsident von Nordrhein- Westfalen (NRW), vereinbart, das Land beim Aufbau eines E- Commerce-Beratungszentrums in Dortmund massiv zu unterstützen. Als "Ressourcen- und Trainingszentrum für Fach- und Führungskräfte aus Wirtschaft, Städten und Gemeinden" (O-Ton Landesregierung) wird das neue Institut mit Microsoft-Software ausgestattet. Weiterhin soll eine gemeinsame "Multiplikatoreninitiative" gestartet werden, die beispielsweise Kammerorganisationen in NRW beim Aufbau von Netzwerken beraten soll.

Vielen Beobachtern ist es ein Dorn im Auge, wie sehr Gates von Wirtschaftslenkern, aber auch von der Politik hofiert wird. Der E- Commerce-Deal von NRW stößt nun den Gründungsmitgliedern des kürzlich ins Leben gerufenen Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII, www.ffii.org) besonders unangenehm auf. Sie wittern Kungelei, gar ein "Clementgate". Ein Land dürfe sich nicht derart für eine proprietäre Technologie (oder einen Standard, je nach Sichtweise) engagieren. Der FFII mit Sitz in München setzt sich für den freien Zugang zu Informationen und deren Quellen- beziehungsweise Schnittstellen-Offenheit aus.

In einem offenen Brief an Ministerpräsident Clement spricht der FFII von einer Nacht- und Nebelaktion, zu der die informatorische Fachwelt nicht hätte Stellung beziehen können. Sehr viele Steuergelder würden so in zweifelhafte Softwarelösungen fließen, obwohl bessere Technik zur Verfügung stünde. "Statt eine quelloffene (open source) Infrastruktur zu errichten, überantworten Sie Ihr Land den Händen einer Monopolfirma, deren rücksichtsloser Machtwille derzeit Gegenstand von gerichtlichen Untersuchungen ist", heißt es in dem Brief. Die Initiatoren appellieren an Clement, die Ausführung der Pläne vorerst zu stoppen, und fordern eine öffentliche Diskussion in den Foren des Internet. Mittlerweile haben 300 Interessenten das Schreiben auf der Web-Site (www.lrz-muenchen.de/phm/ffii/clemde. html) unterzeichnet - darunter Informatiker, Wissenschaftler, Systemadministratoren, Berater, Entwickler und Geschäftsführer.