Microsoft übergibt Active X einem Standardgremium

Gates spannt The Open Group vor seinen Karren

11.10.1996

In einer ungewöhnlichen Abstimmung haben über hundert Geschäftspartner von Microsoft darüber befunden, wer künftig für die Weiterentwicklung der Active-X-Technik zuständig sein soll. Von den Anwesenden votierten 63 für eine Active-X-Gruppe innerhalb von The Open Group.

Damit ist beschlossene Sache, daß Microsoft die Kerntechniken und Urheberrechte von Active X im Sourcecode an eine Arbeitsgruppe abgibt, die Active X Group heißen soll. Konkret verzichtet Bill Gates auf alle Rechte an:

-dem Component Object Model (COM) und dessen verteilter Variante (DCOM),

-dem Microsoft Remote Procedure Call (MS-RPC), zu dem auch die Interface Definition Language (MIDL) gehört,

-dem Sicherheits-Feature "Standard Security Provider Interface",

-dem Speicherverfahren "Structured Storage",

-der Datenbank "Registry", die Active-X-Objekte verwaltet,

-"Monikers", einem Tool, das die asynchrone Kommunikation von Objekten unterstützt, sowie

-"Automation", einem Verfahren, das Objekte programmierbar macht.

Selbst ein Konkurrent wie Robert Gingell, Chefwissenschaftler bei Sunsoft, zollt diesem Schritt in Richtung Offenheit Respekt: "Zum ersten Mal läßt Microsoft zu, daß Außenstehende an einer Technik mitwirken können." Dennoch gibt es einige Anzeichen dafür, daß es Microsoft mit dem neuen Open-Systems-Kurs vielleicht doch nicht so ernst meint.

Zu der Entscheidung am 1. Oktober wurden nur sogenannte "Stakeholders" eingeladen. Das sind Unternehmen, die ihre Sympathie für Active X durch aktive Entwicklungen unter Beweis gestellt haben. Zu diesen Firmen gehörte ursprünglich auch die irische Iona Technologies Ltd., die Active X mit Object-Broker- Techniken verbindet. Als jedoch ruchbar wurde, daß Ionas Technologiechef Annrai O'Toole das DCOM-Protokoll als schwachsinnig bezeichnet habe, wurden die Iren wieder ausgeladen. O'Toole nennt die Active X Group seither "Microsoft Open Cartel".

"Wir wollen nur konstruktive Mitglieder haben", begründet Charles Fitzgerald, Microsofts Produkt-Manager Personal Systems, die Ausgrenzung möglicher Kritiker der hauseigenen Technik. Grundsätzlich sei die Teilnahme an der Active X Group für jedermann frei. Zumindest die Besetzung des "Steering Committee" der Gruppe hat Microsoft sich jedoch selbst vorbehalten. Als Paladine hat Bill Gates Adobe, CA, DEC, HP, NCR, die SAP, SNI und die Software AG berufen. Aber auch Lotus und der Sybase-Ableger Powersoft wurden in das Gremium aufgenommen, in dem jedes Mitglied - auch Microsoft - nur eine Stimme hat.

"Wir wollen Active X erfolgreicher machen", bringt Microsoft-Mann Fitzgerald die Ziele auf den Punkt. Die Komponentenarchitektur müsse sich schließlich gegen die bereits von der OMG standardisierte Corba-Technik sowie gegen die ähnlich positionierten Javabeans behaupten. Bisher hatte The Open Group noch eng mit anderen Konsortien - auch der OMG - zusammengearbeitet.

Leere Kassen braucht das Gremium nun nicht mehr zu fürchten. Wie es heißt, soll Sponsor Microsoft anstatt der bisherigen 25000 Dollar künftig eine Million Dollar pro Jahr zahlen.