Gastkommentar

04.04.1997

Das Problem, die vielen digitalen Fernsehkanäle mit halbwegs attraktiven Inhalten zu füllen, läßt die Idee aufkommen, was im Internet stehe, sei vielleicht auch via TV zu verkaufen. Umgekehrt ist das Internet seinerseits zur technischen Basis für TV-Übertragungen und Video-on-demand-Applikationen geworden: Fernsehen und Video als Internet-Inhalt. Welchen Weg wird das neue Paar gehen, Internet via TV oder TV via Internet?

Auf den ersten Blick spricht vieles für die zweite Version. Für viele PC-Nutzer ist Fernsehen via Internet bereits Realität, geschaffen mit Hilfe von Streaming-Technik, neuen Protokollen und Netzaufrüstungen. Die Millionen Web-Surfer, so beeindruckend ihre absolute Zahl auch wirken mag, bilden aber im Weltmaßstab eine kleine, technisch elitäre Spezialgruppe. TV via Internet als Massenanwendung ist nicht in Sicht.

Bei Internet via TV werden Web-Inhalte über TV-Plattformen transportiert, digitale Verteilnetze dienen in Verbindung mit einem separaten Rückkanal zum Internet-Zugang (IP-Tunneling). Die Set-top-Box, mit der sich Internet-Inhalte im Fernsehgerät empfangen lassen, ist in den USA bereits ein Verkaufserfolg. Die Anbieter des kostenpflichtigen Internet-Abrufs (Pay per view) werden allerdings gezwungen sein, Systemkunden der verschiedenen Netzbetreiber zu werden, denn die Fernsehzuschauer sind nicht gewillt, für Hin- und Rückkanäle jeweils eigene Abrechnungspartner zu akzeptieren.

Ist dieses Problem gelöst, eröffnen sich enorme Perspektiven: Für Milliarden von TV-Zuschauern steht durch die digitalisierten Verteilnetze genügend Übertragungskapazität bereit. Auch technisch unambitionierte Couch- Potatoes können mit Internet-Ergänzungsprogrammen behutsam an Internet und Interaktion herangeführt werden. Internet via TV wird kommen.