Gartner: Welche IT-Trends uns erwarten

16.08.2007
IT-Abteilungen müssen sich auf einen gehörigen Technologieschub einstellen. Allerdings haben nur einige dieser Entwicklungen das Potenzial, Unternehmen strategisch voranzubringen.
36 Technologiefelder haben die Analysten ausgemacht, die in den kommenden Jahren den Hype Cycle durchlaufen werden. Enterprise Instant Messaging zum Beispiel ist schon einsatzbereit.
36 Technologiefelder haben die Analysten ausgemacht, die in den kommenden Jahren den Hype Cycle durchlaufen werden. Enterprise Instant Messaging zum Beispiel ist schon einsatzbereit.

Der "Gartner Hype Cycle 2007", in dem die Analysten wie jedes Jahr die aus ihrer Sicht wichtigsten IT-Trends vorstellen, enthält 36 Technologien, die Unternehmen bei ihrer Investitionsplanung nicht aus den Augen lassen sollten. Zwar sind manche Entwicklungen wie beispielsweise das semantische Web oder mobile Roboter noch Jahre vom Durchbruch entfernt oder durchleben wie virtuelle Welten a la Second Life derzeit einen Hype, auf den dann die Ernüchterung folgt. Doch viele andere Trends warten bereits "um die Ecke" oder sind im Unternehmen angekommen.

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594302: EAI und Mashups;

593980: Nutzung sozialer Netzwerke;

593870: Blogs und Wikis im Unternehmen;

1219401: RSS-Server;

591472: Tipps zu RFID;

592353: Second Life;

581542: Zukunft des mobilen Business.

Soa-Expertenrat: Online-Forum zum Thema SOA.

Wo die meisten Innovationen entstehen

Dies betrifft Techniken, Plattformen und Geschäftsmodelle im viel zitierten Web 2.0, Wikis, Mashups, RSS-Feeds in Unternehmen und Analysetechnik für soziale Netzwerke. Außerdem sieht Gartner Formen der "Collective Intelligence" wie Wikipedia auf dem Vormarsch. Gleiches gelte für Benutzeroberflächen. Nach Jahren der technischen Stagnation gelangen einige Ansätze langsam zur Marktreife. Neben E-Papers, die sich auf mobilen Geräten lesen oder signieren lassen, zählen hierzu die Gestenerkennnung (Gesture Recognition), die beispielsweise die Spielekonsole "Nintendo Wii" oder der Multimedia-Tisch "Microsoft Surface" einsetzen, oder virtuelle Realitäten wie Second Life. Andere Oberflächentechniken, die Gartner mit "Ambient Displays" oder "Glanceable Displays" umschreibt, seien noch im Entwicklungsstadium. Für Neuerungen ist derzeit auch der Bereich mobile Techniken, Geräte und entsprechende Dienstleistungen gut. Zudem würden RFID, Sensornetzwerke und "Location-aware Technologies" wie GPS oder WLAN heranreifen und an strategischer Bedeutung gewinnen.

Unter den Trends der nächsten Jahre finden sich laut den Analysten mindestens zehn, die tief greifende Veränderungen in der IT-Landschaft von Unternehmen zur Folge haben könnten. Diese sollten Anwender daher besonders genau beobachten:

Web 2.0

Techniken und Konzepte eines Web 2.0 gewinnen immer mehr Zuspruch unter Endanwendern und finden über sie den Weg in die Unternehmen. Diese Entwicklung wird in den kommenden zwei Jahren rasant zunehmen. Professionellen Anwendern empfiehlt Gartner, sich schleunigst mit dem Web 2.0 vertraut zu machen und auszuprobieren, wo beispielsweise Mashups Sinn ergeben und welche Anwendungen und Tools zur Zusammenarbeit einen strategischen Nutzen haben könnten. Ziel ist, Mitarbeiter mit Hilfe sozialer Netzwerke, Wikis und Blogs zum Wissensaustausch und effizienterer Zusammenarbeit zu bewegen. Ein Übermaß an Kontrollen und Vorgaben könnte allerdings solche Ansätze schnell zum Erliegen bringen.

SOA

Ein viel diskutiertes Konzept sind Service-orientierte Architekturen (SOAs) und mit ihnen die Neugestaltung und Steuerung von Prozessen und Anwendungen. SOAs versprechen vor allem eine einfachere und schnellere Wartung und Entwicklung von Softwaresystemen. Laut Gartner ist die SOA kein Hype, sondern wird in den kommenden zwei bis fünf Jahren zum vorherrschenden Architekturkonzept aufsteigen. Allerdings sind es momentan eher die Anbieter von Middleware, Entwicklungswerkzeugen und Standardsoftware, die das Tempo machen, während Anwender noch mit zahlreichen Problemen zu kämpfen haben. Doch Gartner ist sich sicher, dass dies vorbeigeht. Unternehmen sollten schon heute bei der Anwendungsentwicklung und integration (zum Beispiel von Host-Systemen) möglichst oft entsprechende Designprinzipien verwenden. Grundsätzlich gilt aber, dass auch eine SOA vorab belegen muss, dass sie gegenüber herkömmlichen Anwendungen einen wirtschaftlichen Vorteil hat.

Web-2.0-Arbeitsplätze

Nicht nur die Kommunikation und Zusammenarbeit ändert sich durch Techniken des Web 2.0, sondern auch die Arbeitsumgebung. Diese bietet künftig neben der Textverarbeitung und Arbeit mit Spreadsheets und Präsentationen auch einen Zugang zu Blogs, Wikis, Folksonomies (Bewertung von Inhalten durch Tagging) und sozialen Netzwerken. Während im Internet entsprechende Techniken bereits weit verbreitet sind, steht ihr Einsatz in Unternehmensnetzen noch am Anfang. Unternehmen sollten entsprechende Arbeitsplätze erproben, zugleich aber auch über Kontroll- und vor allem Sicherheitsstrategien bei ihrer Verwaltung nachdenken. Eile ist geboten, denn laut den Auguren werden sich solche Arbeitsumgebungen schon in zwei bis fünf Jahren durchsetzen.

Web-Plattformen

Web-Plattformen wie Salesforce.com, die Microsoft Services Platform oder Amazon.com sind als Erweiterungen bisheriger Unternehmensanwendungen zu verstehen. Sie bieten Anwendungen und technische Kapazitäten wie Speicherplatz und Rechenleistung und lassen sich programmatisch einbinden. Unternehmen erhalten dadurch neue Optionen, um Anwendungen und Dienste schneller auszuliefern. Neben Web-Services kommen zur Integration mittlerweile Schnittstellen wie Representational State Transfer (REST), Plain Old XML (POX) and Really Simple Syndication (RSS) hinzu, mit denen sich Web-oriented Architectures (WOAs) aufbauen lassen. Gartner erwartet, dass sich Web-Plattformen in den kommenden zwei bis fünf Jahren ausbilden und so den Trend zu virtuellen Unternehmen beschleunigen.

3D-Drucker

Die Technik für den dreidimensionalen Druck ist insbesondere bei der Prototypenentwicklung im Industriedesign seit langem im Einsatz. Doch erst in den kommenden fünf Jahren rechnen die Analysten damit, dass sich der 3D-Druck in puncto Kosten und Druckqualität durchsetzt, dann aber mit umso größerer Wirkung. Neben dem Privatgebrauch sind die Darstellung von Geodaten oder medizinischen Unterlagen Einsatzgebiete, und auch mancher kleine Fabrikant könnte so seine Angebote ansprechender darstellen.

Collective Intelligence

Gartner bezeichnet so die freiwillige und kostenlose Generierung intellektueller Inhalte, an der viele Individuen beteiligt sind. Das Ergebnis können Softwarecode, Dokumente, Indizes oder auch Entscheidungen sein. Da es keine zentrale Steuerung gibt, regulieren sich die Inhalte und ihre Qualität durch die Eingaben der Teilnehmer. Dies kann laut Gartner durchaus zu besseren und schnelleren Ergebnissen führen (Content, Metadaten, Dienste) als in hierarchischen Entscheidungsstrukturen. Erste Beispiele für diese Form der Zusammenarbeit sind Wikis wie Wikipedia oder "Prediction market tools", die sich mit Vorhersagen von Marktentwicklungen beschäftigen. Allerdings wird es wohl noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis diese Techniken breiten Einsatz im Unternehmen finden.

RFID-Chips auf Paletten

Bisher sind es gerade einmal fünf Prozent der Handelsunternehmen, die weltweit die Transponder-Technik auf ihren Paletten testen. Manche von ihnen wie Wal-Mart haben zudem ihre Ambitionen zurückgeschraubt. Dennoch sind die Analysten überzeugt, dass sich dies in den kommenden fünf Jahren ändern wird. Bis dahin würden vier- bis fünfmal so viele Unternehmen ihre Waren (Kisten, Paletten) mit RFID-Aufklebern versehen und auch Wal-Mart und Co. die Technik umfassender einsetzen. Der Grund: RFID macht Lieferketten für Kunden transparenter.

RFID auf Einzelartikeln

Noch sind die Kosten für den breiten Einsatz von RFID-Etiketten auf Artikelebene zu hoch. Unternehmen sollten daher ihre Versuche auf solche Anwendungen konzentrieren, die nicht nur die eigenen Abläufe optimieren, sondern auch für potenzielle Kunden einen sichtbaren Mehrwert bieten, was insbesondere in geschlossenen Lieferketten machbar ist. Trotz der bisher bescheidenen Resultate sind die Analysten optimistisch und prognostizieren, dass RFID sich im Lauf der nächsten fünf Jahre auch bei der Artikelauslieferung etablieren wird.

Virtuelle Welten

Zwar beruhigt sich langsam der Hype um Second Life und ein Leben als Avatar im Web, doch bedeutet dies laut Gartner noch lange nicht, dass sich virtuelle Plattformen überlebt haben. Solche Umgebungen von Linden Lab, Forterra und anderen können nicht nur als Marketing-Plattform dienen, sondern auch als Lösungen für die Zusammenarbeit und Schulung von Mitarbeitern sowie im Vertrieb zum Einsatz kommen. Momentan sprechen noch fehlende Bandbreiten, die Benutzeroberflächen und die hohen Hardwarekosten gegen eine breite unternehmensinterne Anwendung. Doch in dem Maß, wie die Technik sich weiterentwickelt, Sicherheitsfragen geklärt sind und vor allem Firmen, Kunden und Partner das Potenzial verstehen, wird sich das Blatt in den kommenden fünf Jahren wenden.

Mobile Roboter

Ferngesteuerte Staubsauger sind nur ein Beispiel, in welcher Form diese blechernen Kameraden künftig Unternehmensstockwerke bevölkern könnten. Erste professionelle Beispiele sind heute mobile Systeme für Videokonferenzen in Krankenhäusern. In der Entwicklung sind ferner Roboter, die Menschen oder Objekte tragen können. Schon in fünf Jahren könnten sie auch Lieferdienste und Kontrollgänge übernehmen oder Gäste am Eingang begrüßen. Bis zum breiten Einsatz werden aber noch über zehn Jahre vergehen.