Verzeichnisdienst noch nicht ausgereift

Gartner rät vom Einsatz des Active Directory ab

21.01.2000
FRAMINGHAM (IDG) - In Kürze bringt Microsoft den NT-Nachfolger Windows 2000 auf den Markt, der den Verzeichnisdienst Active Directory enthält. Die Gartner Group warnt jedoch vor einem verfrühten Einsatz: Das Tool sei nicht ausgereift, zu Windows-spezifisch und überaus kompliziert.

Seit Jahren rührt Microsoft die Werbetrommel für sein Active Directory: Mit dem Verzeichnisdienst will das Unternehmen endlich den Novell Directory Services (NDS) des Konkurrenten aus Utah Paroli bieten. Verzeichnisdienste sind notwendig, um eine große Menge an Informationen über Anwender und Ressourcen in einem Rechnernetz effizient zu verwalten. Nach immer neuen Verzögerungen ist es in Kürze soweit; Windows 2000 wird inklusive des Active Directory ab Mitte Februar offiziell zu haben sein.

John Enck, Experte für den NT-Nachfolger bei der Gartner Group, warnt jedoch vor dem vorschnellen unternehmensweiten Einsatz der Lösung. Seiner Meinung nach hat sich der Fokus des Produkts inzwischen verlagert. Ursprünglich sei Active Directory als Meta-Verzeichnisdienst konzipiert gewesen, der über alle möglichen Plattformen hinweg funktioniert. Davon sei das nun vorliegende Produkt jedoch weit entfernt. Active Directory läuft Enck zufolge nur auf Windows 2000. "Es ist so eng mit Windows verwoben, dass sich ein Einsatz in anderen Umgebungen extrem schwierig gestalten würde", kritisiert der Analyst.

Microsoft hatte zu Anfang vorgehabt, Active Directory auf die populären Unix-Derivate zu portieren. Diese Pläne sind jedoch längst wieder in die Schublade gewandert. Enck wundert dies nicht, er kann sich nicht vorstellen, dass Unix-Anwender freiwillig das Microsoft-Directory nutzen würden.

Gerade dies belegt für ihn jedoch die Notwendigkeit von übergeordneten Verzeichnissen, die Informationen zwischen plattformspezifischen Diensten austauschen und harmonisieren können.

Außerdem warnt der Analyst: "Die Komplexität von Active Directory geht weit über die von NT hinaus, sogar über die von NDS." Daher müssten sich Unternehmen auf intensive und teure Schulungen für ihre Mitarbeiter gefasst machen, wenn sie das neue Microsoft-Tool einführen wollen. "Man könnte Microsoft vorwerfen, dass es zu viele neue Funktionen in Active Directory hineingepackt hat", lautet sein Urteil.

Doch nicht nur Active Directory, auch Windows 2000 selbst ist nach Meinung des Analysten nicht ohne Tücken. Ein großes Problem birgt etwa das Thema Kompatibilität zu älteren Programmen. Schätzungen der Gartner Group zufolge werden zwischen zehn und 15 Prozent aller Programme nicht mit dem NT-Nachfolger zusammenarbeiten. Vor allem bei Software für Windows 95 und 98 rechnen die Auguren mit Aussetzern. Gerade wer darauf aus sei, die neuen Funktionen des Betriebssystems zu nutzen, solle sich darauf einstellen, seine alten Anwendungen austauschen zu müssen.