Top-10-Vorhersagen für 2002

Gartner prophezeit ein "komplexes" IT-Jahr

25.01.2002
MÜNCHEN (CW) - Wie die Kollegen von IDC haben auch die Gartner-Analysten ihre Erkenntnisse für 2002 in der üblichen Form eines Zehn-Thesen-Papiers vorgelegt. Die Roadmap für die kommenden zwölf Monate soll Unternehmensstrategen als eine Art Orientierungshilfe durch ein laut Gartner "komplexes" IT-Jahr geleiten.

Wie bereits im Vorjahr wird sich die IT-Industrie nach Meinung der Marktforscher auch 2002 großen Herausforderungen stellen müssen. Angesichts der bis 2003 anhaltenden Entlassungswelle sowie folgenschwerer Konsolidierungen, aber auch aufgrund der - vom zusehends besonnereren Kaufverhalten - neu definierten Spielregeln am Markt sind die Aussichten nicht gerade rosig: So prognostizieren die Experten der Hälfte aller noch Anfang 2001 aktiven IT-Lieferanten ein Ableben innerhalb der nächsten zwei Jahre - entweder durch Übernahmen oder schlicht den Pleitegeier.

Neue ErfolgsrezepteIn Anbetracht der veränderten Marktgegebenheiten empfehlen die Analysten, sich nicht mehr auf die Erfolgsrezepte der Vergangenheit zu verlassen, mit neuen Wettbewerbern aus nichttraditionellen Segmenten zu rechnen und last, but not least die Lösungsentwicklung auf neue Technologiebereiche auszuweiten.

Ein Lichtblick: Nachdem 2001 rund 250 Milliarden geplante IT-Dollar nicht ausgegeben worden seien, dürfe die Branche im laufenden Jahr mit sieben Prozent und 2003 mit zehn Prozent Wachstum rechnen, so Gartner-Analyst Roger Fulton. Für die im vergangenen Jahr ernsthaft eingebrochene Halbleiterindustrie erwartet der Experte allerdings eine Nullrunde im Umsatzwachstum.

Als einen weiteren "äußeren" Einflussfaktor nennt Gartner die verstärkte Priorisierung des Schlüsselthemas Sicherheit im Hinblick auf Mitarbeiter, Wissen, Systeme und Nationen. Nach Ansicht der Experten werden Verfechter firmeninterner Programme mit den Schwerpunkten Sicherheit, Privacy und Business-Continuity offene Türen einrennen.

Online wächst weiterIm Bereich der Internet-Nutzung durch den Verbraucher wird es laut Gartner ab diesem Jahr hingegen wirklich zur Sache gehen: So soll sich beispielsweise die Zahl der Online-Konten zwischen 2002 und 2005 mehr als verdoppeln. In den USA werden bis dahin rund 45 Prozent aller Erwachsenen ihre Bankgeschäfte via Web erledigen. Im Zuge dieses Durchbruchs soll auch das bislang eher zähe Consumer-E-Billing 2002 endlich in die Gänge kommen.

Mit Vorbehalten betrachten die Gartner-Auguren die allerorts konservative Ausgabenplanung für das Jahr 2002, sprich: den Fokus auf einen kurzfristigen Return on Investment (ROI) sowie ein kompromissloses Zurückfahren der Investitionen in neue IT. Die im weltweiten Rezessionsschock ergriffenen Sparmaßnahmen dürften den DV-Abteilungen nach Meinung der Experten über kurz oder lang die Luft für künftige Aktionen abschnüren.

Spätestens im Zuge einer wirtschaftlichen Erholung, die die Analysten bereits ab Mitte 2002 für wahrscheinlich halten, werde sich die IT erneut als ein für den nächsten Geschäftszyklus erforderlicher Wachstumsmotor erweisen. Allerdings dürfte der dann ansteigende Technikbedarf die zu mageren Zeiten festgelegten Diät-Budgets sprengen. Vor diesem Hintergrund raten die Auguren Business- und IT-Managern, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen wachstumsfördernden IT-Investitionen und gedrosselten Budgets zu schaffen.

Jahr des OutsourcingsNach den Ausführungen des Marktforschungsinstituts könnte 2002 zum Jahr des Outsourcings werden. Bereits seit dem 11. September will Gartner eine deutliche Verschiebung der Investitionen in Richtung IT-Services ausgemacht haben, die sich im laufenden Jahr manifestieren soll. Demnach werden Unternehmen ihre Kapitalausgaben zugunsten der operativen Budgets senken, was zu einer deutlichen Steigerung des Outsourcings insbesondere von Commodity- und Utility-Services führen soll.

Das Thema Customer-Relationship-Management (CRM) werden CIOs nach Einschätzung der Marktbeobachter noch bis zum Jahr 2004 als kritische, firmenstrategische Komponente betrachten - aufgrund der Ernüchterung durch frühe Fehlinvestitionen in CRM-Systeme allerdings von unternehmensweiten Investitionen absehen. Stattdessen erwartet Gartner, dass sich die Unternehmen auf Change-Management und Prozessoptimierung sowie die Entwicklung von Team-Selling-Strategien konzentrieren und damit im laufenden Jahr eventuell einen Grundstein für künftige CRM-Erfolge legen.

Bei allen die IT-Infrastruktur betreffenden Belangen gilt es nach Meinung der Marktforscher künftig, zwei entgegengesetzten Ansprüchen gerecht zu werden: So müssten kritische IT-Initiativen - den kollektiven Budgetkürzungen zum Trotz - nach wie vor antizipiert und ausgeführt werden. Zu den Prioritäten für 2002 gehört laut Gartner der weitere Ausbau der Wireless-LAN-Infrastruktur. Ebenso hoch im Kurs stehen sollen sichere, redundante und verteilte Netze sowie netzrelevante Services. Anbietern von Servern, PCs, Speicherhardware sowie TK- und System-Management-Software hingegen steht angesichts des mittlerweile eher taktischen als innovationsgetriebenen Kaufverhaltens ein hartes Jahr bevor.

Dem Mobil- und Wireless-Bereich macht laut Gartner auch noch im laufenden Jahr ein Mangel an brauchbaren Anwendungen zu schaffen. So dürften nach den Prognosen der Marktbeobachter über 50 Prozent aller zu Beginn dieses Jahres eingeführten mobilen Anwendungen bereits Ende des laufenden Jahres zum alten Eisen gehören.

Durchbruch bei PortablesTechnologien im Bereich der Portables hingegen sollen einen Druchbruch erfahren und als Antriebsfaktor für Applikationen unter anderem im Umfeld der virtuellen Teamarbeit, des Medien-Content- sowie des Personal-Knowledge-Managements fungieren.

Den viel zitierten Web-Services - von den Gartner-Analysten als eine Erweiterung der so genannten Service-Orientated Architecture (SOA) bezeichnet - prognostiziert das Marktforschungsinstitut eine Blütezeit: So sollen Letztere bis zum Jahr 2004 bei Fortune-2000-Unternehmen den Hauptanteil neu eingesetzter Lösungen ausmachen. Ähnlich große Bedeutung misst Gartner auch dem Segment der Applikations-Integration bei. (kf)

Abb: Wachstum der weltweiten IT-Umsätze

Der im vergangenen Jahr stark gebeutelte Halbleitermarkt kommt spätestens 2003 wieder in Fahrt. Quelle: Gartner Dataquest