Gartner-Konferenz ITxpo 2007: Dramatische Veränderungen am Arbeitsplatz

12.11.2007
Gartner-Analyst Tom Austin macht anhand von vier Megatrends klar, wie sich der Arbeitsplatz verändern wird. Konzepte des traditionellen IT-Managements greifen dabei immer weniger, warnt er.

Unternehmen verändern sich radikal. Als Beispiele nennt Austin Procter & Gamble: Der Konzern kreiere inzwischen 50 Prozent seiner Innovationen nicht mehr selbst, sondern beziehe sie aus einem Netzwerk von Forschern und Entwicklern. Mit diesem Ansatz habe sich der Börsenwert des Unternehmens auf 200 Milliarden Dollar verdoppelt. Auch an Goldcorp, einem kanadischen Bergbaukonzern, den Don Tapscott in seinem Buch Wikinomics beschreibt, kann man sich orientieren. Die Goldsucher legten alle bisher streng geheimen Geo-Informationen im Internet offen und riefen Interessierte auf, sich an der Schatzsuche zu beteiligen. Bei Erfolg winkten Preisgelder in Höhe von 575 000 Dollar. Tausende beteiligten sich an der Suche, Studenten, Berater und sogar Soldaten. Auf diese Weise wurden 55 neue Schürfgebiete entdeckt, von denen 80 Prozent signifikante Vorkommen im Wert von Milliarden Dollar enthielten. Der Börsenwert des kanadischen Unternehmens stieg um das Zwanzigfache. Projekte wie diese beweisen für Austin, dass auf die Arbeitswelt, wie wir sie heute kennen, revolutionäre Veränderungen zukommen. "Sie werden nicht unbedingt durch IT ausgelöst, aber IT kann ein wichtiger Enabler sein", erklärte er während der Gartner-Konferenz ITxpo im französischen Cannes.

Vier Megatrends beeinflussen die IT

Allerdings muss sich die IT-Funktion in den Unternehmen wandeln, um solche Innovationen zu ermöglichen. Sie muss sich laut Austin mit vier Megatrends auseinandersetzen:

  • Menschen benutzen IT heute anders als noch vor zehn Jahren. Millionen Mitarbeiter weltweit kennen die Arbeitswelt ohne Internet nicht mehr. Diese Digital-Natives - den Terminus führte der Berater Mark Prensky 2001 in die Debatte ein - verhalten sich anders, verfügen über andere Fähigkeiten und hegen andere Meinungen als die Digital-Immigrants, die erst während ihrer Karriere mit Internet-basierenden Services in Kontakt kamen.

  • Die IT hat viele Business-Prozesse automatisiert. Künftig geht es in Unternehmen laut Gartner aber nicht mehr in erster Linie um Automatisierung, sondern um die Unterstützung von Prozessen, die sich nicht automatisieren lassen.

  • Unternehmen werden anders funktionieren als heute. Ihre Mitarbeiter werden anders Arbeiten, an anderen Orten und zu anderen Zeiten. Unternehmen werden Teil eines Ecosystems, ohne das sie nicht mehr überleben können.

  • Technologie wird anders entwickelt, verkauft und implementiert. In den nächsten Jahren werden Konzepte wie Software as a Service, Opensource, Mashups, kurzlebige Web-Tools und personenorientiertes Computing die dominierenden Kräfte in der IT-Industrie sein.

Gerade die Digital Natives werden die Veränderungen in den Unternehmen und ihrer IT vorantreiben. Die IT muss sich deshalb davon verabschieden, "sämtliche Mitarbeiter während ihrer gesamten Arbeitszeit unter Kontrolle zu haben", erklärte Austin. Nur dann ließen sich Chancen wie Innovationen durch Endanwender, die Nutzung von Social Networks in und für Unternehmen sowie die Idee, dass Kunden Innovatoren sein können, nutzen. Noch ist die IT in den Unternehmen von einem solch "liberalen" Ansatz weit entfernt. Der Gartner-Analyst fragte die rund n 400 IT-Executives im Saal, in wessen Unternehmen es ofiziell verboten sei, PCs und Handys auch für private Zwecke einzusetzen. Etwa zwei Drittel seiner Zuhörer hoben die Hand. Ungefähr die gleiche Zahl meldete sich schon zögerlicher als Austin fragte, in welchen Firmen kein privates Equipment für Unternehmenszwecke benutzt werden dürfe. "Wenn Sie diese Politik weiterverfolgen, werden wahrscheinlich nicht allzu viele Digital Natives für Sie arbeiten, weil sie nicht die Arbeitsbedingungen vorfinden, die sie aus ihrem bisherigen Leben gewohnt sind", warnte er. Das sei vor allem deshalb gefährlich, weil die IT heute alle drei Formen der Innovation benötige, um Unternehmen optimal zu unterstützen, die von Herstellern, von IT-Profis und die von Endbenutzern.

Austin ist davon überzeugt, dass schon im Jahr 2012 die Datennetze weniger durch Transaktionen als durch soziale Interaktionen wie Collaboration, Video-Conferencing, Social Networks etc. ausgelastet werden.

Eine Welt, in der alles geht

In einer post-digitalen Welt, in der die Digitalisierung buchstäblich alles durchdrungen haben werde, sei Karriere ein Pluralwort. "Von einer Welt, in der jeder seinen Platz kannte, bewegen wir uns in eine Welt, in der alles geht", erklärt Austin. Aus "Arbeit" wird "Lebenstil", aus organisierten Mitarbeitern freie Agenten, aus Bürokratie werde eine "Ad-hoc-kratie", aus einem neun-bis-fünf-Job werde eine Vierundzwanzigstunden-Beschäftigung und schließlich aus einem hierarchisch organisierten und kontrollierten System werden selbstorganisierende und regulierende Systeme. Dafür sei die IT zwar nicht ursächlich, aber all diese Veränderungen seien ohne Informationstechnik nur schwer denkbar. Außerdem hat die IT mit ihren Automatisierungserfolgen der vergangenen Jahrzehnte dafür gesorgt, dass Menschen immer weniger Zeit mit Routineaufgaben verbringen. "Zwischen 34 und 57 Prozent aller US-Arbeitskräfte arbeiten schon heute in signifikantem Maße oder sogar hauptsächlich an Nicht-Routine-Aufgaben", unterstreicht der Gartner-Mann die bereits vollzogenen Veränderungen. Die neueste Fabrik des Automobilherstellers Volvo in Göteborg produziere pro Tag 6000 Fahrzeuge mit weniger als 50 Mitarbeitern pro Schicht in den Fertigungshallen. "Durch Automatisierung sind in Westeuropa 80 Prozent der Fertigungsjobs verloren gegangen." Dank IT ergebe sich in anderen Berufen, in denen zwar Fachkönnen, aber wenig Kreativität gefragt sei, ein ähnliches Bild. Die einfachen Aufgaben sind weitgehend automatisiert. Der nächste Produktivitätsschub werde deshalb aus effizient gestalteter Wissensarbeit resultieren. Austin rät deshalb der IT, sich stärker um die Unterstützung von Zusammmenarbeit, Wissens-Management, Business Intelligence, Innovationsverbesserung und E-Learning zu kümmern. "Konzentrieren Sie sich darauf, den Leuten beim Entdecken, Lernen, Führen und bei Innovationen und Teambildung zu helfen", rät Austin den IT-Entscheidern.