Gartner Group: Jeder Fehler nützt der Konkurrenz

Gartner Group: Jeder Fehler nützt der Konkurrenz Zweifel an der Unix-Allianz zwischen SCO und IBM

22.01.1999
MÜNCHEN (CW) - Folgenschwere Konstruktionsfehler in der Allianz des IT-Riesen IBM mit dem PC-Unix-Marktführer Santa Cruz Operation (SCO) glauben die Marktbeobachter der Gartner Group entdeckt zu haben. So sei der geplante Weg in eine gemeinsame 64- Bit-Technik zu komplex, um die Anwender und Softwarehäuser zu überzeugen.

"Jeder Fehler, jede Verzögerung hilft Konkurrenten wie Hewlett-Packard und Sun", urteilt Gartner-Group-Analyst George Weiss. Seiner Meinung nach sind Pannen bei dem Vorhaben, zwei unterschiedliche Unix-Derivate auf einen Nenner zu bringen, kaum vermeidbar.

Außerdem sei die Unix-Strategie der IBM schon jetzt so kompliziert, daß Modifikationen an dem neuen Vorhaben nahezu unvermeidlich seien. Durch die Integration von Unixware- und AIX- Techniken soll unter anderem erreicht werden, daß die auf dem PC- Unix eingesetzten Anwendungen auch unter AIX laufen. Damit sowie durch die gemeinsame Entwicklung eines 64-Bit-Unix bietet sich Big Blue den SCO-Kunden als Steigbügelhalter in den High-end-Server- und 64-Bit-Bereich an.

Als völlig unverständlich, zum Teil falsch und deshalb wenig konstruktiv bezeichnete SCOs Senior Vice-President Corporate Development, Geoff Seabrook, gegenüber der CW die Gartner- Äußerungen. Ziel der Allianz von IBM, SCO, Intel und Sequent sei ein völlig neues 64-Bit-Unix, das marktreif in den Startlöchern steht, sobald Intels 64-Bit-Chip "IA 64" erstmals im Jahr 2000 zur Verfügung steht (siehe CW 44/98, Seite 1). Das Betriebssystem werde auch als Alternative zu Win-dows NT verstanden. Zur Kooperation steuere SCO das Know-how darüber bei, wie man einen Unix-Kernel auf Intel entwickelt und IA-64-Prozessoren intern adressiert, während IBM die Erfahrungen im Bereich Enterprise- Computing einbringe.

Den Gartner-Vorwurf einer zu komplexen Unix-Strategie mag auch Klaus Gottschalk, IT-Architekt für Midrange-Server-Systeme bei IBM Deutschland, nicht gelten lassen. Für das mit "Monterey" bezeichnete Unix-Projekt gebe es einen Zeitplan mit klar definierten Einzelschritten. Demnach werden noch in diesem Jahr mehrere AIX-Features zunächst in Unixware für IA 32 integriert. Dazu zählen unter anderem die 16-Wege-SMP-Fähigkeit (SMP = symmetrisches Multiprocessing) sowie die Unterstützung von 8 GB Hauptspeicher und dem Internet Protocol (IP) in Version 6. Folgen werden zu einem späteren Zeitpunkt der "Logical Volume Manager" zur dynamischen Platten- und Partitionsverwaltung, der System- Manager sowie das "Journal File System", eine Art Logbuch für das Dateisystem, um Daten im Crash-Fall auf Konsistenz überprüfen zu können. Letztlich werde bei Monterey ein Unix-OS herauskommen, das im Kern Unixware-Technik enthält und in den Entwicklungs- Schnittstellen, der Management-Oberfläche sowie anderen, nach außen sichtbaren Funktionen von AIX geprägt sei.

Doch die Gartner-Analysten befürchten nicht nur Komplikationen bei der technischen Verschmelzung beider Welten. Sie argwöhnen auch ein mangelndes Interesse der Softwarehäuser an einem neuen Unix- Produkt. Die Softwarebranche habe schon immer unter der Notwendigkeit gelitten, mehrere Unix-Derivate unterstützen zu müssen. Nun suche sie einen möglichst einfachen Pfad in die 64- Bit-Zukunft. Jedes Problem und jede Verzögerung bei den Entwicklungen von SCO und IBM könnten angesichts dieser Situation dazu führen, daß die Softwerker sich einem erfolgversprechenden Konkurrenzprodukt zuwenden werden.

Besonders leicht haben es laut Gartner-Mitarbeiter Weiss die Softwarehäuser und Anwender bei Sun Microsystems. Ihnen bleibt die Wahl, Solaris für Intel bei geringeren Anforderungen (32 Bit) einzusetzen oder die 64-Bit-Variante des Betriebssystems auf Sparc-Systemen laufen zu lassen. Selbst bei einem Umstieg auf Intels IA-64-Chip sei der Migrationsaufwand innerhalb der Solaris- Familie geringer als beim Wechsel von Unixware auf AIX.

Weiss spielt damit auf ein gescheitertes Projekt an, in dessen Rahmen SCO vor mehreren Jahren zusammen mit HP versuchte, ein 64- Bit-Unix auf Basis von Unixware zu entwickeln. Tatsächlich haben damals HP und andere Partner aufgrund technischer Probleme ihre Unterstützung zurückgezogen.

Ein solcher Hürdenlauf wird sich nach Ansicht von IBM und SCO nicht wiederholen. Im Gegensatz zu den seinerzeit losen Unterstützungsversprechen HPs gebe es in der jetzigen Allianz bindende Verträge, in denen die technischen Grundlagen des neuen Betriebssystems sowie die Portierungs- und Vermarktungsstrategien festgeschrieben sind. Damit gelöst ist auch das Little- und Big- Endian-Problem, das unter anderem die Zusammenarbeit mit HP zum Scheitern brachte (das Little-Endian-Format arbeitet mit einem niederwertigen Byte an der Startadresse, Big Endian mit einem höherwertigen Byte). Während Little Endian im Intel-Umfeld, also auch von Linux und Unixware, benutzt wird, steht Big Endian für die Welt der Risc-Architekturen wie AIX oder HP-UX.

Im Monterey-Projekt haben sich die Verbündeten auf Little Endian geeinigt. Das Problem der fehlenden Binärkompatibilität zwischen den beiden Plattformen AIX auf dem Power-PC und dem neuen Unix-OS auf Intel wollen die Partner durch Sourcecode-Kompatibilität beheben. Header-Dateien und Entwicklungsumgebung sollen für beide Systeme identisch sein, so daß Drittanbieter ihre Anwendungen für die jeweils andere Plattform nur rekompilieren müssen. Diese Portierungsstrategie werde Entwickler ermutigen, die bereits in diesem Jahr anstehenden Development-Kits für IA 32 und IA 64 schon frühzeitig einzusetzen.

Gartner gibt weiterhin auch den mangelnden Bedarf der SCO-Klientel an 64-Bit-Technik zu bedenken. Sie besteht zu einem großen Teil aus kleinen und mittleren Unternehmen, die laut Weiss auf Jahre hinaus keine Umstiegsabsichten auf die neue Plattform hegen dürften. Außerdem setzten rund 80 Prozent der SCO-Anwender nicht Unixware, sondern eines der von der Allianz nicht betroffenen Unix-Derivate ein. SCOs Entwicklungschef Sea- brook bestätigt, daß der Anteil des von seinem Haus seit 18 Monaten vermarkteten Unixware derzeit im Vergleich zum SCO-Unix "Openserver" noch relativ gering ist . Allerdings gibt er zu bedenken, daß die Zahl der Unixware-Anwender gerade unter den SCO-Kunden rasch steigt und Openserver-Anwender erst seit kurzem aktiv auf einen Wechsel angesprochen werden.

Was den Bedarf an 64-Bit-Systemen betrifft, sieht Seabrook zunächst ebenfalls keinen allzu großen Markt - allerdings aus einem anderen Grund wie Gartner. Bei der aktuellen Pentium- Entwicklung werde die 32-Bit-Welt im Jahr 2000 ähnlich leistungsstark sein wie die ersten 64-Bit-Rechner. Erst mit der zweiten und dritten Generation von IA 64, also etwa im Jahr 2001 bis 2002, würden die 64-Bit-Systeme mit ihrer Performance dem IA 32 davonlaufen.

Kooperation

Die Vereinbarungen zwischen IBM und SCO umfassen folgende Punkte:

-IBM wird Unixware 7 weltweit vermarkten und ein entsprechendes Programm für unabhängige Softwarehäuser unterstützen.

-IBM wird ein größeres Produktspektrum (DB2 UDB, Tivoli-System- Management, MQ Series etc.) für Unixware 7 bereitstellen.

-Enterprise-Techniken von AIX sollen für Unixware 7 verfügbar gemacht werden.

-SCO unterstützt IBM bei der Integration von Unixware-7-APIs und anderen Techniken des Betriebssystems in AIX.

-IBM und SCO werden gemeinsam ein 64-Bit-Unix entwickeln.