Gartner empfiehlt CIOs "kreatives Zerstören"

10.11.2011
Angesichts knapper Budgets und steigender konjunktureller Risiken forderte Gartner auf dem Symposium/ITxpo in Barcelona IT-Chefs dazu auf, querzudenken und mutige Einschnitte zu wagen.

Die schlechte Nachricht präsentierten die Marktforscher gleich zu Beginn von Gartners Symposium/ITxpo in Barcelona. In der Region Emea (Europa, Naher Osten, Afrika) sollen die IT-Ausgaben im laufenden Jahr um 1,4 Prozent sinken, erst 2012 sei wieder mit einem Anziehen um 2,3 Prozent zu rechnen, prognostizierte Gartners Forschungschef Peter Sondergaard. Für Westeuropa erwarten die Auguren gar einen Rückgang um 1,8 Prozent und ein mageres Wachstum von 1,5 Prozent im kommenden Jahr.

Die gute Nachricht folgte auf dem Fuße: Unternehmen und insbesondere CIOs haben es laut Sondergaard selbst in der Hand, sich auf die veränderten Rahmenbedingungen einzustellen. Ein "Weiter so" dürfe es dabei nicht geben, so das Credo der Analysten auf der traditionell hochkarätig besetzten Fachkonferenz, die laut Veranstalter rund 4000 IT-Experten, darunter 1600 CIOs, besuchten.

"Re-Imagine IT"

Das Leitthema des nach Gartners selbstbewusster Einschätzung "weltweit wichtigsten Treffens von CIOs und IT Executives" lautete denn auch bedeutungsschwanger "Re-Imagine IT". Wie so häufig bei neuen Wortschöpfungen von Gartner lässt sich der Begriff nur vage übersetzen. Die IT "neu zu denken" wäre angesichts der vielfältigen Herausforderungen wohl zu kurz gegriffen; Unternehmens-IT andererseits aber gleich "neu zu erfinden" dürfte von den meisten CIOs dann doch etwas viel verlangt sein.

Die Analysten erwarten in der Tat eine Menge von den IT-Machern. Um die Unternehmen auf neue Technologien, Bezugsmodelle und veränderte Marktbedingungen einzustellen, fordern sie - in Anlehnung an den Ökonomen Joseph Schumpeter - nicht weniger als einen Prozess der "kreativen Zerstörung": IT-Verantwortliche müssten lernen, Vorhandenes "niederzureißen", um am Ende das zu erhalten, was sie wirklich benötigten, postulierte das Marktforschungs- und Beratungshaus.

Vier Kräfte verändern die Firmen-IT

Gartners Group Vice President Mark McDonald versuchte in seinem Vortrag darzulegen, wie IT-Verantwortliche diesen Prozess anstoßen könnten: "CIOs sollten damit beginnen, ein neues Konzept für die IT-Organisation und deren Beitrag für das Unternehmen zu entwickeln." Das Thema Cloud Computing spiele dabei eine entscheidende Rolle, erklärte er unter Verweis auf eine aktuelle Gartner-Studie. Der zufolge plant fast die Hälfte der befragten CIOs, innerhalb der nächsten vier Jahre den größten Teil der vorhandenen Applikationen und der IT-Infrastruktur in die Cloud zu verlagern.

Forschungschef Sondergaard bemühte sich, das Motto Re-Imagine IT mit konkreten Inhalten zu hinterlegen. Nach seiner Einschätzung kristallisieren sich vier große Kräfte in der Unternehmens-IT heraus, die die hergebrachten IT-Architekturen über kurz oder lang überflüssig machen und ein neues Computing-Modell formen:

- Cloud Computing,

- Social Computing,

- Information (Big Data) und

- Mobile.

Die Cloud wächst rasant

Zwar stecke der breite Einsatz von Cloud-Services in Unternehmen noch in den Kinderschuhen, doch die Wachstumsperspektiven seien beeindruckend: In der Region Emea werden Kunden nach Gartner-Schätzungen in diesem Jahr rund 16 Milliarden Dollar für Public-Cloud-Services ausgeben; das entspricht etwa drei Prozent der gesamten IT-Ausgaben. Schon im nächsten Jahr werde die Summe auf 20 Milliarden Dollar steigen. Im Vergleich zu den klassischen IT-Ausgaben der Unternehmen sollen Public-Cloud-Dienste bis zum Jahr 2015 zehnmal so schnell wachsen.

Angesichts der schieren Größe der Social Networks ist der zweite große Trend, Social Computing, nach Lesart der Gartner-Analysten kaum noch erklärungsbedürftig. Für CIOs und Business-Verantwortliche müsse es darum gehen, die Prinzipien der Social Networks unternehmensintern zu erschließen und auf diese Weise neue Formen der Zusammenarbeit zu ermöglichen, die am Ende Wettbewerbsvorteile bringen. Im so genannten Postmodern Business, ebenfalls eine Wortschöpfung Gartners, gehe es darum, die Beziehungen zu Kunden, Zulieferern und Partnern entscheidend zu vertiefen. Über Social Communities ließen sich etwa Kunden in interne Prozesse wie die Produktentwicklung einbinden.

Big Data beschäftigt Unternehmen

Mit Big Data als Schlagwort kommt laut Sondergaard das Thema Information ins Spiel, das in Unternehmen eine zunehmend strategische Bedeutung erhalte. Aus vielen Gesprächen mit Kunden hätten die Analys-ten den Eindruck gewonnen, dass die Unternehmen den Umgang mit den wachsenden Datenmengen auf eine neue Grundlage stellen wollten. Das Thema Analytics in seinen verschiedenen Ausprägungen spiele dabei eine Schlüsselrolle. Gleiches gelte für das Gartner-Konzept der "Pattern-based Strategy", das intelligente Systeme zur Erkennung von Mustern in großen Datenbeständen in den Mittelpunkt stellt.

Last, but not least gehören für die Auguren mobile Techniken zu den vier großen Kräften, die die Existenz traditioneller IT-Architekturen in Frage stellen. Sondergaard verwies auf die dramatisch wachsende Zahl mobiler Geräte, die im Zuge der "Consumerization" auch in Unternehmen Einzug hielten. Schon im Jahr 2014 würden dort mehr mobile Betriebssysteme wie iOS oder Android installiert sein als klassische PC-Betriebssysteme, lautet die Prognose.

Dass der Prozess der kreativen Zerstörung vor allem mit überkommenen Denkmustern und Gewohnheiten zu tun habe, erklärte Vice President und Distinguished Analyst Tina Nunno in ihrem Vortrag. IT-Verantwortliche müssten Abschied nehmen vom hergebrachten Schwarzweißdenken, lautete ihre Forderung. So sei etwa der oft zitierte Konflikt zwischen IT- und Fachabteilungen in der Praxis vor allem deshalb problematisch, weil keine der beiden Seiten sich vom traditionellen Rollenverständnis lösen wolle.

Vorbild Unterhaltungsindustrie

Der Begriff Re-Imagine stammt ursprünglich aus der Unterhaltungsindustrie. Die Kreativen der Filmbranche stützen sich dabei häufig auf eine bekannte Story und fragen sich: "Was wäre, wenn ...?" Sie verändern Szenen, Charaktere und ganze Plots, um der Story einen neuen Dreh zu geben und sie so für neue Zuschauer attraktiv zu machen. Ein ähnliches Vorgehen empfiehlt Gartner auch IT-Verantwortlichen. Im Prozess der kreativen Zerstörung könnten sie neue Ressourcen entwickeln, indem sie alte Systeme "zurückbauten" und bestehende Ressourcen für neue Zwecke einsetzten. Dabei könnten ihnen neue Technologien und Methoden helfen. Im Bereich Infrastruktur nennt Gartner vor allem Virtualisierungstechniken und Cloud Computing.

Dahinter steht letztlich eine alte Grund-idee: Die IT soll nicht länger ausführendes Organ für die Fachabteilungen und ein Kostenfaktor sein, sondern mit Hilfe in novativer Systeme einen Wertbeitrag für das Unternehmen liefern. CommodityDienste, die keinen direkten Geschäftsnutzen versprechen, beziehen Firmen in diesem Szenario idealerweise von Dienstleistern. Im Zeitalter des Cloud Computing sind die Optionen vielfältiger, die Bezugsmodelle flexibler geworden, argumentiert Gartner. CIOs sollten diese "einmalige" Chance nutzen, um nur noch solche IT-Systeme selbst zu betreiben, die dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile bringen können.