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Gartner: Die Konsolidierung der IT-Industrie geht weiter

06.11.2002
Auch das Jahr 2003 wird weitgehend von Budgetbeschränkungen auf Seiten der Anwender und Konsolidierungen auf Herstellerseite geprägt sein. Dies verkündete Gartner auf der ITxpo in Cannes.

CANNES (COMPUTERWOCHE) - Auch 2003 wird den Analysten von Gartner zufolge weitgehend von Budgetbeschränkungen auf Seiten der Anwender und Konsolidierungen auf Herstellerseite geprägt sein. Marktverändernde Innovationen kamen auch in den vielen Analystenvorträgen während des Gartner Symposium 2002 nicht zur Sprache.

Trotz aller Sparmaßnahmen prognostiziert Gartners Vice President Steve Prentice für das nächste Jahr ein Wachstum der IT-Ausgaben in Europa von 5,4 Prozent. Um dieses Plus würden aber nach wie vor zu viele Player kämpfen. Deshalb rechnet Prentice mit einer weiteren Konsolidierung der Informations- und Telekommunikationsindustrie.

Eine deprimierende Sicht auf den PC-Markt. Q: Gartner
Eine deprimierende Sicht auf den PC-Markt. Q: Gartner

Vor allem einige der traditionellen TK-Carrier würden im kommenden Jahr verschwinden, so Prentice. Allerdings seien die Zeiten vorbei, als erfolglose Player von ihren überlegenen Konkurrenten aufgekauft wurden. Den meisten Unternehmen fehle die Finanzkraft für weitere Akquisitionen. "Deshalb werden 2003 einige finanziell in die Krise geratene Unternehmen entweder einfach schließen oder von Venture-Kapitalisten aufgekauft und zu größeren Einheiten verschmolzen“, erläutert Research Director Neil Rickard, der für Gartner die TK-Industrie im Auge hat.

Anwendern rät Rickard deshalb bei der Auswahl ihres Telco-Dienstleisters nicht nur auf niedrige Preise zu achten, sondern sich auch zu fragen, ob der Carrier der Wahl auch noch im nächsten Jahr im Geschäft sein werde Übrigens sollten Kunden sich schon einmal mit dem Gedanken anfreunden, dass ihre Rechnungen 2003 rund zehn Prozent höher ausfallen werden. Das sei ein Ergebnis der verstärkten Nutzung von Bandbreite. Der Preisverfall verlangsame sich zwar, aber die Kosten pro Einheit sänken weiter zwischen einem und fünf Prozent.

UMTS vorerst eine Enttäuschung

"Gartner erwartet, dass sich 3G langfristig durchsetzt, aber 2003 wird die Entwicklung enttäuschend verlaufen", bringt Research Fellow Nick Jones die Entwicklung im UMTS-Bereich auf den Punkt. Für den gesamten Sektor Mobile Communication rechnen die Analysten mit einer 2003 beginnenden Konsolidierung. 2005, so ihre Vorhersage, werde es in Europa pro Land nicht mehr als drei Mobilfunkanbieter geben, von denen nur einer internationales Gewicht haben dürfte.

"Anwenderunternehmen sollten in ihren Plänen davon ausgehen, dass GPRS das Beste ist, was sie im nächsten Jahr bekommen können." Außerdem riet Jones zu kurzfristigen Verträgen mit Ausstiegsklauseln für den Fall gravierender ökonomischer Veränderungen.

IT-Services bleiben gefragt

Der IT-Service-Markt ist eines der wenigen Segemente, die im nächsten Jahr zulegen werden - allerdings so Gartner im härtesten Umfeld seit Beginn der 90er Jahre. Die schlechte Wirtschaftslage beschleunige den Wandel dieses Marktes. Am Ende würden wenige Vollsortimenter einer ganzen Reihe von Spezialisten gegenüberstehen. Am schwierigsten werde es für Dienstleister, die für die Rolle eines globalen Vollsortimenter zu klein, als Spezialisten aber zu groß seien. In diesem Zusammenhang erklärte Roger Cox, der für den Service-Markt zuständige Gartner-Vice-President: "Mich würde wundern, wenn das Dienstleistungsgeschäft von HP so aufgestellt bleiben kann, wie es ist." Auf Nachfrage ordnete er auch Siemens Business Services (SBS) den gefährdeten Playern zu, die sich zwischen Vollsortimenter und Spezialanbieter tummeln.

Für 2003 rechnet Cox mit Mergern ähnlicher Größenordung wie die Übernahme von PwC Consulting durch die IBM: "Das zeigt, dass jetzt auch die Großen betroffen sind." Das Thema Outsourcing dürfte laut Gartner auch im nächsten Jahr ein Dauerbrenner bleiben. Ebenfalls überdurchschnittlich zulegen soll das Business Process Outsourcing (BPO). Zuwächse für Dienstleister sieht der Analyst vor allem in Geschäften mit Energieversorgern, Handel, der Öffentlichen Hand sowie mit mittelständischen Unternehmen.

Vom kommenden Jahr an würden sich die Player weniger über ihre Service-Angebote zu differenzieren versuchen als über deren Qualität: "Die Qualität der IT-Service-Abkommen und die Qualität des Beziehungs-Managements rücken in den Mittelpunkt. Anwender wenden sich verstärkt an 'vertrauenswürdige“ Anbieter'."

Software: Size matters

Im Software-Markt profitieren die großen von den mittleren und kleinern Anbietern. Gartners Vice President Betsy Burton erklärte, dass große, breit aufgestellte Unternehmen wie Microsoft einfach mehr Möglichkeiten hätten, die Schwächeperiode zu überstehen als Ein-Produkt-Unternehmen. Selbst wenn diese die bessere Lösung hätten, entschieden sich Anwender in diesen Zeiten für den vermeintlich sicheren Hersteller.

2003 versuchen die großen Software-Anbieter über ihre Architekturen ihre Dominanz auszubauen. Entscheidet sich ein Anwender für die Architektur eines Herstellers, kann er seinen Lieferanten kaum noch wechseln. Durch diese Abhängigkeit können Anbieter die IT-Budgets ihrer Kunden zumindest teilweise so steuern, dass sie ihnen zugute kommen. Auch die gehe auf Kosten der kleineren Anbieter. Im Infrastrukturbereich sieht Burton drei, "höchstens dreieinhalb" dominante Player. Ihre Favoriten sind hier Microsoft, IBM, Oracle und möglicherweise Sun.

Die Gartner-Analystin rechnet nicht damit, dass sich die Budgetsituation der Anwender vor Mitte 2003 ändert. Zu Lockerungen komme es erst in der zweiten Hälfte des nächsten oder Anfang des übernächsten Jahres. Allerdings erklärte Burton auch, dass bis 2004 rund 50 Prozent der im Jahr 2000 existierenden Software-Anbieter verschwinden würden.

Die Hardware-Kostenschraube dreht sich gnadenlos weiter

Geradezu grausam ist die Situation im Hardware-Markt. Die Handvoll überlebenden Anbieter müssen sich weiter mit geringem Wachstum und sinkenden Margen herumschlagen. Gartner glaubt, dass sie so lange an der Kostenschraube drehen müssen, bis ihre Ausgaben bei zehn Prozent vom Umsatz liegen.

Zwei bis drei PC-Hersteller würden im nächsten Jahr ihr Kräfte bündeln, um trotz wirtschaftlicher Unabhängigkeit wie ein globaler Player auftreten und eine gemeinsame Produktpalette vermarkten zu können, schätzt Principal Analyst Brian Gammage voraus. "Der Trend zu standardisierten Plattformen lässt die Unternehmen weniger in Forschung und Entwicklung investieren." Das könne dazu führen, dass vielversprechende Entwicklungen nicht zu Ende gebracht würden und nicht auf den Markt gelangten. Somit hätten Anwender noch weniger Grund, in neue Hardware zu investieren. Denen riet Gammage übrigens: "Nutzen Sie ihre Computer, bis sie zusammenbrechen oder sie wirklich mit geringerer Produktivität bestraft werden." (ciw)