Gewährleistung nur unter zahlreichen Bedingungen

Garantierte Verfügbarkeit kommt Anwender teuer

07.05.1999
MÜNCHEN (wh) - Der unterbrechungsfreie Betrieb von kritischen IT-Systemen ist ein heikles Thema für Unternehmen. Die Hersteller wittern neue Marktchancen und überbieten sich gegenseitig mit Verfügbarkeitsgarantien. Der Nutzen solcher Angebote ist indes fraglich. Anwender müssen dafür meist tief in die Tasche greifen.

Nonstop Computing, Fault Resilience, Business Critical High Availability oder Zero Downtime heißen die Schlagworte, mit denen die Hardware-Anbieter Kunden locken. Immer verbirgt sich dahinter das Versprechen eines mehr oder weniger unterbrechungsfreien Betriebs geschäftskritischer IT-Systeme. Unter dem Begriff Hochverfügbarkeit subsumieren die Hersteller dabei höchst unterschiedliche Angebote. Ob IBM, Compaq, Hewlett-Packard (HP) oder Sun - keine der Branchengrößen will bei diesem Thema außen vor bleiben (siehe Kästen Seite 58).

Besonders hervorgetan in Sachen Verfügbarkeit hat sich in jüngster Zeit HP. Die Kalifornier garantieren etwa für ihre NT-basierten Intel-Server vom Typ "LXr 8000" unter bestimmten Voraussetzungen eine Verfügbarkeit von 99,9 Prozent. Das entspricht einer jährlichen Ausfallzeit von knapp neun Stunden. Ähnliche Angebote hat der Hersteller für seine Unix-basierten "HP-9000"-Server der K- und der N-Klasse parat. Damit ließe sich - ebenfalls unter genau definierten Voraussetzungen - ein Verfügbarkeitsgrad von 99,95 Prozent (zirka 4,3 Stunden Ausfall pro Jahr) erreichen.

Der Meta-Group-Analyst Mark Raphael hält wenig von solchen Angeboten: "Anwender brauchen Uptime, keine Uptime-Garantien." Entscheidend sei die technische Infrastruktur zur Realisierung eines unterbrechungsfreien Betriebs, nicht irgendwelche Versprechen. Raphael weist zudem auf ein Problem hin, das mit den meisten solcher Offerten verbunden ist: Anwender müssen eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllen, bevor ein Hersteller eine Uptime-Garantie verbrieft. Damit seien oft immense Kosten verbunden. Hewlett-Packard liefere dafür ein gutes Beispiel.

In der Tat legt HP die Latte für seine Kunden sehr hoch. Eine Verfügbarkeitsgarantie für NT-Server gelte grundsätzlich nur für geclusterte Rechner, also für zwei unter Microsofts "Cluster Server" zusammengebundene Systeme, erklärt Thomas Schüle, als Program Manager zuständig für NT-basierte Server bei HP. Darüber hinaus ist der Einsatz der herstellereigenen Backup-Software "Omniback" zwingend vorgeschrieben. Ferner fordert der Anbieter den Anschluß eines Raid-Speichersubsystems, das ebenfalls das HP-Label tragen muß. "Eine Garantie können wir nur für unsere eigenen Geräte geben", so Schüle.

In einem separat abzuschließenden Supportvertrag müssen sich Anwender zudem auf die Einhaltung bestimmter Regeln, beispielsweise feste Wartungsintervalle, verpflichten. Kunden würden auch dazu angehalten, bestimmte Betriebskonzepte einzuführen, etwa hinsichtlich der Backup-Strategie. Festgeschrieben werden andererseits auch die entsprechenden Dienstleistungen des Herstellers. Alle derzeit von HP angebotenen Verfügbarkeitsgarantien beziehen sich ausschließlich auf die Hardware und das Betriebssystem, nicht auf Applikationen, schränkt Schüle weiter ein.

"Solche Konfigurationen stellen im Grunde proprietäre Systeme dar", kritisiert Raphael. Kunden würden dadurch oft sogar daran gehindert, die funktional am besten geeignete Installation für eine Geschäftsanforderung zusammenzustellen. Der Meta-Group-Analyst belegt diese Behauptung mit einem Beispiel: Ein pharmazeutisches Unternehmen in Europa habe sich kürzlich für eine Hochverfügbarkeitslösung mit Garantie von HP interessiert. Damit allerdings wären erhebliche Investitionen in neue DV-Ausrüstung, beispielsweise eine bestimmte Cluster-Konfiguration, verbunden gewesen, die der Kunde gar nicht wollte. Berater der Meta Group hätten die Verantwortlichen dazu bewegt, aus dem Vertrag auszusteigen. Damit sei es dem Unternehmen gelungen, rund zwei Millionen Dollar einzusparen. Mit dem jetzt installierten IT-System sei es bislang zu keinerlei zusätzlichen Ausfallproblemen gekommen.

Ungeachtet solcher Erfahrungen will HP im Rahmen seines Programms "Five Nines - Five Minutes" seine Verfügbarkeitsangebote deutlich erweitern. Mit einer 99,999prozentigen Verfügbarkeit - das heißt fünf Minuten ungeplante Ausfallzeit pro Jahr - würde man in die Leistungsklasse der Großrechner vorstoßen. Neben der Hardware und dem Betriebssystem planen die Kalifornier, künftig auch Datenbanken und später Applikationen einzubeziehen. HP kooperiert zu diesem Zweck unter anderem mit Oracle. Bis Mitte des Jahres 2000 soll die Datenbank in das Programm HPs integriert sein. Zirka ein halbes Jahr später sollen auch Anwendungen wie SAPs R/3 abgedeckt sein. Diese höchste Stufe bezeichnet man bei HP als Systemverfügbarkeit. Mit Hilfe "selbstheilender" Systeme könne Anwendern dann eine nahezu unterbrechungsfreie DV-Umgebung offeriert werden, so die Vision. Zu den Partnern HPs für Hochverfügbarkeit gehören neben Oracle und SAP auch der Netzspezialist Cisco und die aus dem Mainframe-Umfeld stammende Softwareschmiede BMC.

Analyst Raphael beurteilt hingegen auch das Five-Nines-Programm skeptisch: "Wenn Anwender wirklich fünf Neunen wollen, müssen sie einen Mainframe kaufen." Zwar sei HP durchaus in der Lage, eine Architektur und entsprechende Partnerschaften mit anderen Anbietern für hochverfügbare Systemen aufzubauen. "Die Frage ist nur, zu welchem Preis? Und welches sind die Auswirkungen auf die IT-Infrastruktur des Kunden?" Wenn HP mit Oracle und SAP kooperiere, sei das ein Schritt in die richtige Richtung. "Aber was sollen Anwender tun, die mit Software von Informix oder J. D. Edwards arbeiten? Sollen sie die gesamte IT umkrempeln?"

Für Gerd Heibili aus Compaqs Bereich Business Critical Services wird das Thema Verfügbarkeit generell zu undifferenziert betrachtet: "Eine Uptime-Garantie nur für die Hardware nützt den Kunden wenig." Genau dies aber böten die Hersteller an. Die häufigsten Gründe für den Ausfall von Anwendungen lägen jedoch woanders (siehe Grafik). Ganz oben auf der Fehlerliste stünden Inkompatibilitäten zwischen Hardware, Betriebssystem und Anwendungen oder eine unzureichende Abstimmung dieser Komponenten. In vielen Fällen führten Bedienungsfehler zum Absturz. Auch IT-Management-Probleme spielten eine große Rolle, so Heibili.

Gleichwohl bietet auch Compaq im Rahmen seiner Business Critical Services Verfügbarkeitsgarantien für unterschiedliche Server-Plattformen an. Diese reichen von NT-Systemen (99,5 oder 99,9 Prozent) über Alpha-Cluster unter Unix oder Open VMS (99,99 Prozent) bis hin zu den fehlertoleranten Maschinen der aufgekauften Firma Tandem.

Voraussetzung für die Gewährung einer wie auch immer gearteten Verfügbarkeitsgarantie durch Compaq sei in jedem Fall eine Kundenbeurteilung, erläutert Heibili. Dabei prüfe man vor Ort sämtliche Faktoren, die für einen unterbrechungsfreien Betrieb der jeweiligen Anwendung relevant sind. Neben Hard- und Software zählten dazu etwa auch Verfahren wie das System- und das Change-Management, die Backup-Strategie und die Netzinstallation. Auch Umgebungsbedingungen wie das Vorhandensein einer Klimaanlage und die Qualität der Stromversorgung würden kontrolliert.

Prozentuale Angaben zur Verfügbarkeit hält der ehemalige DEC-Manager Heibili andererseits für wenig aussagekräftig. Entscheidend seien die durch einen Ausfall verursachten Kosten. Diese Risiken müßten gegen die Ausgaben für hochverfügbare Systeme abgewogen werden. Allerdings sei die Identifizierung von Ausfallkosten keine leichte Aufgabe. "Es gibt sehr viele versteckte Kosten."

Meta-Group-Mann Raphael sieht noch andere Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Verfügbarkeitsgarantien: "Was passiert, wenn eine Uptime-Garantie nicht eingehalten wird? Gibt es dann eine Rückerstattung vom Anbieter? Wenn ja, in welcher Höhe?" Im Extremfall bleibe unzufriedenen Kunden nur der Gang zum Kadi, wollten sie ihre Forderungen durchsetzen. Raphael: "Am meisten profitieren davon die Juristen." Mit den zahlreichen Uptime-Offerten gehe es den Herstellern ohnehin nur darum, Kunden auf bestimmte Produkte festzulegen. Raphael: "Uptime-Garantien sind zu 90 Prozent Marketing und zu zehn Prozent Realität.