Gameboys in Nadelstreifen

08.08.2005
Von Constantin Gillies

Wie sieht das Psychogramm eines typischen Computerspielers aus? Fest steht: Das Vorurteil vom ziellosen Zappelphilipp stimmt nicht. "Gamer gehen sehr leidenschaftlich und konzentriert ihrer Arbeit nach - wenn man sie als Experte in ihrem Feld akzeptiert", so Beck. Außerdem punkten die Zocker mit hoher Ausdauer - schließlich bestehen auch Computerspiele aus einer schier endlosen Folge von Frustration und Neuanläufen.

Diese Vorzüge entfaltet der Gamer in der Realität allerdings nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen: "Sorgen Sie für klare, eindeutige Regeln; alles muss auf den Erfolg ausgerichtet sein, auch das Gehalt", empfiehlt Beck. Hier sollte sich das Geschäftsleben an einer LAN-Party orientieren: Der Gamer strebt nach dem Highscore; wenn er ihn erreicht, dürfen das ruhig auch alle sehen und hören. Gesellschaftliche Anerkennung sei auch für Gameboys und -girls wichtig. "Die meisten Computerspiele werden im Familienkreis gespielt", betont Beck.

Sobald ein Spielszenario auftaucht, geben Joystick-Akrobaten richtig Gas. Diese Regel gilt auch in puncto Weiterbildung: Kommunikative Einbahnstraßen wie Vorlesungen und Lehrbücher sind den Computerspiel-Kids ein Graus. Nicht umsonst heißt der schlimmste Fluch in ihren Internet-Foren "RTFM". Das steht für "Read the fucking manual!" also "Lies die verdammte Gebrauchsanleitung!" Will sagen: Ein echter Gamer wurstelt sich per Versuch und Irrtum durch. Nur Verlierer brauchen Erklärungen aus einem Buch. Genau diesen Anspruch hat die Gamer-Generation auch an die betriebliche Weiterbildung: "Machen Sie einen Wettbewerb daraus", rät Beck, "Sie werden sich wundern, wie viel mehr Sie in zwei Stunden vor dem Bildschirm erreichen als in zwei Tagen Vorträgen." Er prognostiziert, dass Unternehmen es im eigenen Interesse gutheißen werden, wenn ihre Mitarbeiter sich strategischen PC-Spielen hingeben.

Natürlich sind Videospieler keine Übermenschen. Beck und Wade haben in ihrer Umfrage auch bedenkliche Tendenzen entdeckt. So warnen sie davor, dass das Aufwachsen in der holzschnittartigen Virtualität denkbar schlecht auf das komplexe Sozialgefüge eines Unternehmens vorbereitet.. Eine gewissen "Machiavellismus im Umgang mit Kollegen" hätten sie beobachtet, berichtet Beck. Die Gameboys isolieren sich zwar nicht; doch wenn es ans Entscheiden geht, fallen sie in die Rolle des einsamen Bildschirmhelden zurück. "Ich entscheide am liebsten allein" - dieser Aussage stimmten Gamer deutlich häufiger zu als ihre nichtspielenden Kollegen. Ein wenig scheint es, als verständen die Computerspieler ihr Berufsleben als nicht enden wollenden Egoshooter, in dem der Spieler stundenlang auf alles ballern kann, was sich bewegt..

Doch für den Organisationswissenschaftler Beck überwiegen die positiven Seiten. Sollten Computerspiele auf dem Lehrplan von Schulen stehen? Beck lacht: "So weit würde ich nicht gehen. Aber die Kinder lernen beim Computerspielen wichtige Fähigkeiten, ohne die sie in Zukunft aufgeschmissen sind." Das sage er auch immer den besorgten Eltern: "Es ist nicht alles schlecht."

Die Theorie vom erfolgreichen Gameboy (und -girl) in Nadelstreifen an konkreten Beispielen zu belegen, ist indes nicht leicht. Auf die Frage nach Computerspielern im Management winken die meisten Unternehmen ab. "So etwas steht bei uns nicht in der Personalakte", witzelt ein Firmensprecher. Einzig das Internet-Auktionshaus Ebay bekennt sich zu Bildschirmsportlern in Führungspositionen.