GAD: "Fusion nicht um jeden Preis"

24.04.2008
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Im Januar 2008 zog Fiducia-Chef Michael Krings in der COMPUTERWOCHE erneut eine Fusion mit der GAD in Betracht. Nun antwortet GAD-Vorstandssprecher Anno Lederer im Gespräch mit Joachim Hackmann*.

CW: Schon vor ein paar Jahren wollten Fiducia und GAD fusionieren. Im Frühjahr 2006 wurden die Verhandlungen überraschend gestoppt. Warum?

LEDERER: Auch nach jetzt fast zwei Jahren werde ich gelegentlich immer noch auf dieses Thema angesprochen. Hintergrund war, dass ein bis zu dem damaligen Zeitpunkt gemeinsam erarbeitetes Rahmenkonzept für einen Zusammenschluss der Unternehmen final nicht die uneingeschränkte Zustimmung des Aufsichtsrats der Fiducia erhalten hatte. Daraufhin wurden die Gespräche seitens des Aufsichtsrats der GAD unterbrochen.

Was hat dem Fiducia-Gremium missfallen?

LEDERER: Das müssen Sie die Kollegen von der Fiducia fragen. Die Vorschläge zur grundsätzlichen Ausrichtung der zukünftigen Unternehmensgruppe mit einer zu gründenden Steuerungsgesellschaft am Standort Frankfurt am Main sowie zur anzustrebenden Parität bei der Gremienzusammensetzung waren in Frage gestellt worden. Insbesondere die Idee eines gemeinsamen Managements in einer Steuerungsgesellschaft sollte die Grundlage schaffen, eine gemeinsame Verantwortung für die mittel- bis langfristige Zusammenführung von unterschiedlichen IT-Lösungen zu verankern.

CW: Die Zweifel an der Parität sind verständlich, denn sie begünstigt die GAD. Immerhin ist die Fiducia annähernd doppelt so groß, was Umsatz, Kunden und Mitarbeiter betrifft.

LEDERER: Flächenmäßig sind die betreuten Gebiete etwa gleich groß. Die Kunden der GAD haben jeweils ein deutlich größeres Geschäftsgebiet. Im Süden, wo die Fiducia die IT-Versorgung verantwortet, gab es unter den Banken bislang noch keine so intensive Konsolidierung wie im Norden. Geht man von der addierten Bilanzsumme der Banken aus, beläuft sich das Verhältnis auf ungefähr 60 zu 40 zugunsten der von der Ficudia betreuten Banken.

Allerdings war es der Ansatz der ersten Sondierungsgespräche, dass die Größe eines Unternehmens und die Anzahl der betreuten Banken nicht ausschlaggebend dafür sein können, welches gemeinsame Kernbankensystem weitergeführt wird.

CW: Die ungeklärte Frage nach dem Kernbankensystem ist der Schlüssel zur Fusion, weil beide Anbieter ihre Lösungen "Agree" und "Bank21" unter erheblichem finanziellem Aufwand weiterentwickelt haben. Lassen sich die Lösungen zusammenführen?

LEDERER: Ich meine ja! Die Bankenlösung besteht jeweils aus einem zentralen Core-Banking-System sowie den dezentralen Anwendungen, die an das Back-end angeflanscht werden. Ich könnte mir vorstellen, die guten Frontends beider Häuser miteinander zu verbinden und das bessere der beiden Backends als Basis zu definieren.

CW: Die Frage lautet dann: Welche Backend-Lösung ist besser? Wer muss seine Investitionen abschreiben?

LEDERER: Eine mögliche Idee ist, beide Lösungen zusammenzuführen. Das ist sicher nicht trivial. Aber es ist ein Ansatz von vielen.

CW: Die GAD hat gerade 450 Institute auf Bank21 und die Fiducia mehr als 800 Banken auf Agree migriert. Sie können ihren Kunden kein weiteres Umstellungsprojekt zumuten.

LEDERER: Das ist ein Problem. Dennoch: Größe ist kein Kriterium. Gleichwohl ist die Anzahl der Anwender ein wichtiger Punkt. In einer genossenschaftlichen Verbundorganisation müssen wir einen vernünftigen Weg finden, die eventuell entstehenden Migrationslasten gerecht zu verteilen. Unsere Banken haben bereits enorme Aufwendungen auf sich genommen, als sie von vielen unterschiedlichen Systemen auf "BB3", den Vorläufer von Bank21, migrierten. Das liegt bereits ein paar Jahre zurück - unser Vorteil.

CW: Gibt es derzeit wieder Fusionsgespräche mit der Fiducia?

LEDERER: Nein. Wir kooperieren seit 20 Jahren im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft genossenschaftli-cher IT-Dienstleister. Hier reden wir miteinander und betreiben gemeinsame Projekte.

CW: Welche Einsparungen sind durch eine Fusion möglich?

Interessant ist hier, dass über die Presse Zahlen von 200 Millionen Euro pro Jahr genannt werden. Ich kann nicht nachvollziehen, wie solche Angaben zustande kommen. Die GAD hat in den letzten Jahren seit dem Zusammenschluss mit der GRZ von 2001 kumuliert etwa 280 Millionen Euro im Bereich des Umsatzes mit ihren Banken an Synergiepotenzial gehoben. Das war möglich - und das ist der entscheidende Punkt -, weil beide Unternehmen bereits seit Mitte der 90er Jahre gemeinsam das Bankenverfahren BB3 betrieben haben, so dass Migrationsaufwendungen für Banken zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses beider Häuser nicht mehr anfielen.

Wichtig für das Heben von weiteren Synergien wird es vor allem sein, wie die verschiedenen IT-Lösungen Bank21 und Agree sinnvoll und in Stufen zusammengeführt werden können. Am langen Ende und bei einer wohlüberlegten und risikoorientierten Vorgehensweise kann ich mir vorstellen, dass ein dreistelliger Millionenbetrag an Synergiepotenzial pro Jahr realistisch ist. Ich sage allerdings ganz klar: Eine Fusion um jeden Preis wird es nicht geben.

CW: Obwohl beide Partner die Fusion wollen, klingen die Positionen von Fiducia und GAD heute unversöhnlich.

LEDERER: Nein, unversöhnlich ist das Verhältnis nicht. Klar ist aber auch, dass wir nicht jedes Jahr Sondierungsgespräche führen können. Das beunruhigt die Banken und die Mitarbeiter. Deshalb haben wir für unser Haus festgelegt, frühestens im Frühjahr 2009 wieder Sondierungsgespräche auf der Basis der seinerzeit erarbeiteten Eckpunkte aufzunehmen.

CW: Rennt Ihnen die Zeit davon?

LEDERER: Nein, wir haben klare Prioritäten gesetzt. Beispielsweise werden wir mit unseren IT-Lösungen kurzfristig die Prozesse der Banken optimieren und insbesondere ihre Vertriebskraft stärken. Würden wir im Frühjahr 2009 die Gespräche beginnen, könnten wir im darauf folgenden Jahr den Beschluss rückwirkend fassen. Offizieller Start des gemeinsamen Unternehmens wäre der 1. Januar 2010.

CW: Bei dem ganzen Hickhack könnten die Gremien natürlich die Frage stellen: Wir sind Banken, wozu brauchen wir eine eigene IT-Organisation? Warum versilbern wir GAD und Fiducia nicht einfach und verkaufen?

LEDERER: Erfolgreiches Bankgeschäft ist ohne IT nicht denkbar.

Die kann ein externer Provider liefern.

LEDERER: Man sollte den Charme dieser Konstruktion im Auge behalten. Das besondere Asset in unserer Organistaion ist, dass unsere Kunden gleichzeitig unsere Eigentümer sind. Damit bestimmen die Volks- und Raiffeisenbanken durch ihre Vertreter in unseren Gremien direkt die Ausrichtung und die Prioriäten der IT-Unterstützung. Viele dieser Einflussmöglichkeiten gingen verloren, wenn die IT nicht mehr im Eigentum der genossenschaftlichen Banken wäre. Auch die SAP-Standardsoftware für die Bankenbranche ist keine Alternative. Die SAP-Lösung deckt bei weitem nicht die erforderlichen Funktionen einer Bank ab. Fiducia und GAD haben hier einen enormen Vorsprung.u

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de 1862424: Das ungekürzte Interview mit Anno Lederer;

1853401: Interview mit Fiducia-Chef Krings.

Bankendienstleister im Norden

Die Gesellschaft für automatische Datenverarbeitung (GAD) wurde Ende 1963 als Rechenzentrumsbetreiber für die Raiffeisen- und Genossenschaftsbanken in Westfalen gegründet. Sie betreut heute rund 470 Volks- und Raiffeisenbanken in Nord- und Westdeutschland vom Standort und Hauptsitz in Münster aus. Die gesamte Unternehmensgruppe nahm 2007 rund 560 Millionen Euro ein. Zum Konzern zählen Tochtergesellschaften wie Ratiodata (technische Services wie etwa Rollout) und Elaxy (Bankenapplikationen etwa zur Vertriebssteuerung) sowie diverse Beteiligungen. Die GAD positioniert sich als Full-Service-Provider für Genossenschaftsbanken. Die Institute sind frei in der Wahl des Providers. Sie sind jedoch nicht nur Kunde des IT-Dienstleisters, sondern auch Eigentümer, so dass die Bande zur GAD traditionell sehr eng geknüpft sind. Vertreter der Banken stellen den Aufsichtsrat der GAD.

Basis der Geschäftstätigkeit ist das Kernbankensystem "Bank21". Die Lösung hat die GAD Anfang der 90er Jahre zusammen mit der GRZ aus Hannover unter der Bezeichnung "BB3" als Großrechner-applikation entwickelt. Bank21 ist laut GAD die evolutionäre Weiterentwicklung von BB3. Erst im September 2007 hat der Anbieter das eigenen Angaben zufolge größte Projekt seiner Geschichte abgeschlossen, in dessen Verlauf 461 Banken auf die neue Applikation umgestellt wurden. Neben Volks- und Raiffeisenbanken nutzen auch 23 Privatbanken die Applikationen.