Fussballweltmeisterschaft als Herausforderung Client-Server und Multimedia sorgen fuer totalen Sportgenuss

23.09.1994

Die Fussball-WM 1994 in den USA brachte grosse Anforderungen an die DV mit sich: eine IT-Infrastruktur fuer die Groesse eines Unternehmens, das zu den Top 200 gehoert und einer Client-Server- Installation mit Multimedia-Anwendungen. Wie das bewaeltigt wurde, schildert Bill Shinnick*.

Die Fussball-WM ist die groesste Sportveranstaltung der Welt. 1994 wurde sie in neun amerikanischen Staedten ausgetragen, die sich in vier Zeitzonen befinden. Ueber 10 000 Journalisten berichteten live, Ausweise wurden fuer ueber 100 000 Beteiligte erstellt. 3,2 Millionenen Zuschauer verfolgten die Austragungen in den ausverkauften Stadien. Zusammengerechnet wurden die 52 Spiele von 32 Milliarden Zuschauern in der ganzen Welt gesehen.

Damit die Fussball-WM 1994 reibungslos ablaufen konnte, benoetigten die Berichterstatter und WM-Verantwortlichen sofortigen Zugriff auf grosse Datenmengen. "Wir brauchten eine aeusserst vielseitige Plattform," erinnert sich Juan Jose Vidal, Vice-President Technologie der World Cup USA 1994 Inc. (WCOC), "eine Plattform nicht nur fuer Buerokommunikations-Anwendungen wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Datenbanken, sondern eine, mit der wir gleichzeitig die effektivste Umgebung fuer unsere Ereignis- gesteuerten Anwendungen erhalten konnten." Das WCOC hatte Loesungen verschiedener Anbieter analysiert und festgestellt, dass Suns Technologie seinen Beduerfnissen am ehesten entsprach.

Je beliebter die WM im Laufe der Zeit wird, desto drastischer wachsen die logistischen Anforderungen an die Organisatoren. Noch nie mussten soviele zeitkritische Informationen fuer die Fernsehausstrahlung und Medienberichterstattung uebertragen werden. Das Operations- und Business-Management entspricht dem eines Top- 200-Unternehmens. Und noch nie waren die Herausforderungen fuer zeitkritisches Umsatz-Management, Ressourcensteuerung, Sicherheitsfragen und Verwaltung so gross wie bei der WM '94. All dies mag sich anhoeren wie das Tagesgeschaeft eines beliebigen Unternehmens, aber die WM hatte noch einzigartige Huerden zu bewaeltigen. Der kritischste Faktor aber war die Zeit - beziehungsweise der Zeitmangel.

"Um das ganze Netzwerk einzurichten, standen uns ganze zwoelf Monate zur Verfuegung", erinnert sich Bill Alaoglu, Direktor fuer Informationstechnololgie im WCOC. "Ausgehend von der IT-Landschaft einer Mittelstandsfirma mussten wir sozusagen auf den IT-Standard eines Top-200-Unternehmens wachsen - und die noetige Umgebung mit aufbauen, um dieses Unternehmen zu unterstuetzen.""Entscheidend fuer uns war ein flexibles System, mit dem wir schnell expandieren konnten, da wir ja ein so rasantes Personalwachstum hatten", erlaeutert Vidal. "Wir haben streckenweise bis zu drei Leute pro Tag eingestellt, und die mussten natuerlich umgehend produktiv sein."

Es gab auch eine weitere - geografische - Herausforderung. Es galt naemlich, eine Meisterschaft kreuz und quer ueber die Vereinigten Staaten zu veranstalten, und gleichzeitig die Verbindung zur FIFA- Zentrale in Zuerich zu halten. Dazu Alaoglu: "Wir mussten neun Stadien ans Netz schliessen. Das ist so, wie wenn man neue Filialen praktisch gleichzeitig eroeffnet - naemlich innerhalb von fuenfzehn Tagen."

Im Schulterschluss haben die drei Technologie-Partner Systemintegrator Electronic Data Systems (EDS), Netzwerkbetreiber Sprint und Sun Microsystems - die IT-Plattform entworfen, geliefert, aufgestellt und betrieben. Das Ergebnis: ein Netzwerk, das als Muster fuer andere Unternehmen dienen kann.

Das WM-Netzwerk bestand aus ueber 1100 Sun-Sparcstations und Sparcserver-Systemen, die auf die neun Austragungsstaetten verteilt und parallel betrieben wurden. Zudem waren sie an die FIFA- Zentrale in Zuerich und das EDS-Rechenzentrum in Dallas gekoppelt.

Jedes System basierte auf der Sparc-Mikroprozessor-Plattform mit der Solaris-Betriebssystemumgebung. Ausserdem wurden WM-spezifische Anwendungen von EDS entwickelt, die Versionen von Sun CallTracker, Wordperfect, Sybase GAIN Momentum, der Sybase-SQL-Server-Datenbank und Parallax Graphics XVideo integrierten.

Mit dem Netzwerk-Management-System, Sunnet Manager, wurde dieses weltweite Netzwerk gesteuert, ueberwacht und verwaltet. Sunnet Manager basiert auf einer verteilten Management-Architektur, mit der Anwender die Netzwerke verschiedener Hersteller und Systeme unterschiedlicher Groesse und Komplexitaet verwalten koennen, und enthaelt darueber hinaus Tools zum automatischen Management der Systeme und Netzwerke.

Das WM-Netzwerk hatte grundsaetzlich zwei grosse und unterschiedliche Aufgabengebiete zu meistern: die Verwaltung von Anwendungen aus dem Bereich Buerokommunikation

(BK) und dem Bereich Ereignis-Management (EMA). "Unsere BK- Applikationen - also Textverarbeitung, elektronische Post, Kalenderverwaltung, Druckverwaltung, Tabellenkalkulation etc. - mussten nahtlos ineinander uebergreifen", erzaehlt Vidal.

"Wir hatten eine enorme Anzahl von Anwendern zu bedienen, einige davon mit DV-Kenntnissen, andere absolute DV-Laien - aber es mussten ja alle im Handumdrehen diese Applikationenen erlernen - mit minimalem Trainingsaufwand", so der Sport-Manager weiter. Die Anwendungen aus dem Bereich Ereignis-Management umfassten Ausweiserstellung, Logistik und den WM-Nachrichtendienst.

Ausweise mussten fuer mehr als 100 000 Personen hergestellt werden.

Mit GainMomentum und einer Parallax-XVideo-Karte wurden saemtliche wichtigen Informationen zu diesen Personen sowie das Foto blitzschnell in das System eingespielt. Saemtliche Daten wurden dann im Netzwerk gespeichert und konnten auch netzweit, unabhaengig von der geografischen Lage, abgerufen werden. Aufgrund der geografischen Groesse der Vereinigten Staaten spielte die Logistik eine besonders grosse Rolle. "Wir mussten Stadien, Lager, Pressezentren, Verwaltungsgebaeude und die FIFA-Hotels in das System miteinbinden", erzaehlt Alaoglu. Transportknoten, einheitliche Verteilzentren und andere Bereiche mussten aufgebaut - und gleichzeitig annaehernd 50 000 ehrenamtliche Mitarbeiter, Stadienaufseher und Sicherheitskraefte ausgebildet werden. Mit dem installierten Netzwerk konnten wir schnell die neun Standorte anschliessen und eine einheitliche Informationsumgebung an allen Standorten zur Verfuegung stellen."

Der WM-Nachrichtendienst

(WCNS) wurde von EDS entworfen und entwickelt. Er stellte den WM- Teilnehmern und Journalisten sekundenaktuelle Ergebnisse, historische Daten und neueste Nachrichten zur Verfuegung - in Englisch und Spanisch.

"Ein grosser Vorteil der Client-Server-Architektur ist, dass man die DV-Umgebung fuer die unterschiedlichen Usergruppen massgeschneidert anbieten kann", erklaert IT-Direktor Alaoglu - also fuer die Mitarbeiter im Stadion, die Zuschauer und die Sportmoderatoren. "Wir wollten wichtige WM-Infos in besonders leicht zugaenglicher Form zur Verfuegung stellen. Denn die Journalisten zum Beispiel hatten ueberhaupt keine Zeit, die Bedienung der verschiedenen Anwendungen zu erlernen". Ausserdem wurde ein weiterer Service angeboten: Informationskioske mit Videos der Spielhoehepunkte in Fernsehqualitaet fuer die Zuschauer und Journalisten in den Stadien. Hier konnte man die Hoehepunkte der jeweiligen Spiele selbst nach Belieben abrufen. Mit leicht zu bedienenden Touchscreens konnten die Fussballfans diese komplexe Technologie nutzen. "Eines war klar: Nur die beste Bildqualitaet war fuer den Kioskanwender akzeptabel", erklaert Vidal.

"Er will dieselbe Bildqualitaet, die er von Sportsendungen zu Hause am Fernseher gewohnt ist. Alle waren von diesen Kiosken begeistert, nicht zuletzt wegen der leichten Bedienbarkeit".

"Vom operativen Standpunkt", meint Alaoglu, "haben wir eine breite Palette von unternehmenskritischen Kernapplikationen angeboten, mit denen alle Hauptaufgaben der WM geloest wurden. Ich bezweifle, ob wir - angesichts der sehr begrenzten Zeit, die uns zur Verfuegung stand - mit einer Minicomputer- oder einer Mainframe- basierenden Loesung das alles geschafft haetten. Zwei wesentliche Vorteile der Client-Server-Umgebung sind ja die Flexibilitaet und Geschwindigkeit. Geschwindigkeit im Sinne der raschen und einfachen Anwendungsentwicklung und des Einsatzes dieser Anwendungen."