Abbruch der Gespräche läßt Gerüchteküche brodeln

Fusion zwischen KPMG und Ernst & Young ist geplatzt

20.02.1998

Mit dem Zusammenschluß wäre die weltgrößte Buchprüfungs- und Beratungsgesellschaft entstanden. Die Firmen hatten ihre Fusionspläne im Oktober 1997 publik gemacht. Einen Monat zuvor waren Fusionsabsichten der Konkurrenten Coopers & Lybrand und Price Waterhouse bekanntgeworden. Von den bis dato sechs dominierenden Unternehmen der Branche ("Big Six") wären nur noch vier verblieben.

Die Verhandlungen mit den Kartellbehörden in den USA, Europa, Australien, Kanada und Japan hätten sich als zunehmend schwierig erwiesen, heißt es in einer offiziellen Verlautbarung der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft mit Sitz in Berlin. Durch die damit einhergehenden Verzögerungen seien enorme Kosten entstanden. Die Gespräche über einen Zusammenschluß wurden angeblich im gegenseitigen Einvernehmen abgebrochen.

Der Druck der Kartellbehörden scheint jedoch nicht der einzige Grund gewesen zu sein, den Mega-Deal platzen zu lassen. Luis Praxmarer, Geschäftsführer des Marktforschungsinstitutes Meta Group in München, beurteilt die Aussagen KPMGs kritisch. Typischerweise zögen sich derartige Fusionsverhandlungen über zwei bis sechs Monate hin, so der Analyst. Der Zeitraum von vier Monaten im Falle KPMG-Ernst sei nicht ungewöhnlich. Auch die Kosten für die Verhandlungen mit Behörden seien im Vergleich zu den Gesamtkosten des Mergers eher gering einzuschätzen. Viel gravierender sind für Praxmarer Probleme, die durch die Verunsicherung der Kunden entstehen könnten. Etliche Unternehmen hätten sich gegen eine bestimmte Prüfungsgesellschaft entschieden, weil dort auch Konkurrenten betreut werden.

Wie das "Wall Street Journal" berichtet, sollen sich Kunden beider Konzerne besorgt gezeigt haben, was die Vertraulichkeit ihrer Geschäftsdaten betrifft. Nach dem Merger könnten etwa Wirtschaftsprüfer, die Einsicht in die Bücher eines Kunden haben, Informationen mit Kollegen austauschen, die für einen Konkurrenten arbeiteten, so die Befürchtungen. Ernst & Young-Chairman Philip Laskawy und KPMG-Chef Stephen Butler hätten aufgrund dieser Erwägungen ein zu hohes Risiko gesehen, wichtige Kunden zu verlieren, so die Berichte. Bei der KPMG Deutsche-Treuhand Gesellschaft in Berlin bestreitet man diese Darstellung. Die Mitarbeiter müßten in jedem Fall eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben. Damit sei gewährleistet, daß Geschäftsinformationen nicht an Dritte gelangen könnten. Gerade international agierende Mandanten hätten die geplante Fusion ausdrücklich begrüßt.

Neben dem wachsenden Unmut der Kunden betrachten Branchenkenner auch die unterschiedlichen Firmenkulturen der Konzerne als Hürde auf dem Weg zu einem Gemeinschaftsunternehmen. Praxmarer sieht darin ein entscheidendes Hindernis: "Der kulturelle Aspekt wird bei fast allen großen Mergern unterschätzt." Die Zusammenführung derart unterschiedlicher Mannschaften führe erfahrungsgemäß bei vielen Mitarbeitern zu Verunsicherung. Felix Hamann, Geschäftsführer des Marktforschungsunternehmens Input, wird deutlicher: Zu den Zielen einer solchen Zusammenlegung gehörten immer auch Konsolidierungseffekte. Das bedeute zwangsläufig, daß einige Beschäftigte nicht mehr gebraucht würden. Mehrere hochqualifizierte Mitarbeiter haben nach seinen Informationen den betroffenen Firmen bereits den Rücken gekehrt, weil sie um ihre angestammte Position fürchteten. Mit der Absage der Fusion habe man versucht, Schlimmeres zu verhindern. Hamann: "Aus PR-Sicht ist das ein absolutes Desaster."

Noch offen ist bislang, welche Auswirkungen die gescheiterte Fusion auf das geplante Zusammengehen von Coopers & Lybrand und Price Waterhouse haben wird. Der Wettbewerbskommissar der Europäischen Union, Karel van Miert, deutete an, daß eine Genehmigung des Mergers nach den jüngsten Entwicklungen wahrscheinlicher werde. Die Kombination aus KPMG und Ernst & Young hätte nach seinen Worten die Kontrolle über 42 Prozent des europäischen Wirtschaftsprüfungsmarktes durch ein Unternehmen bedeutet. Im Falle Price-Coopers sei dieser Wert nur halb so hoch.