Funkidentifikation überwindet Grenzen

20.10.2005
Von Otto Kilb 
Der RFID-Standard Generation 2 beseitigt technische Einschränkungen in Sachen Lesegeschwindigkeit, Speicherkapazität, Frequenzbereichen und Sicherheit.

Unsicherheit wegen fehlender und inkompatibler Standards war bis vor kurzem noch ein großer Hemmschuh für Identifikationslösungen mit Funketiketten (Radio Frequency Identification, RFID). Während in den USA vor allem im Umkreis der Handelskette Wal-Mart in den vergangenen Jahren zahlreiche Unternehmen RFID einführten, herrschte in Europa trotz vorhandenen Interesses eher Zurückhaltung.

Hier lesen Sie …

• welche regionale technische Unterschiede die Verbreitung von RFID behindert haben;

• durch welche Spezifikationen die neue Norm Gen 2 diese Limitierungen überwindet;

• welche weiteren Verbesserungen Gen 2 mitbringt;

• was weiterhin die Verbreitung von RFID behindert.

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*81894: RFID bei Metro;

*79755: RFID-Anbieterkonsortium;

*80857: KFZ-Verschiffung mit Funketiketten;

*78198: Zehn Regeln für RFID in der Praxis;

*78197: Funketiketten beim Otto Versand.

Der Grund waren ausgeprägte Differenzen zwischen den bevorzugten RFID-Techniken in den wichtigsten Wirtschaftsräumen. So werden in den USA RFID-Tags mit 915 Megahertz programmiert und ausgelesen. Dass die Europäer sich diesem Standard nicht anschließen wollten und konnten ist klar, denn das ist die Frequenz, auf der diesseits des Atlantiks die Mobiltelefone funken. Die bisher gültige europäische RFID-Norm des European Telecommunications Standards Institute (ETSI) war EN 300 220. Sie definierte einen wegen seiner Reichweite von zehn Metern für Logistik und Warenfluss besonders interessanten Ultrahochfrequenzbereich. Der Funk war dabei auf den schmalen Frequenzbereich zwischen 896,4 und 869,6 Megahertz, einen Kanal und eine Leistung von 0,5 Watt beschränkt.

Verschiedene Normen behinderten Warenflüsse

Europäische RFID-Tags waren in den USA mit den dort handelsüblichen Geräten nicht lesbar und umgekehrt. Die mit der Funktechnik erhoffte Vereinfachung des Warenflusses scheiterte an regionalen Technikgrenzen. Seit der Verabschiedung des EPC- (Electronic Product Code) Standards Generation 2, kurz Gen 2, im Dezember letzten Jahres ist die Normenbarriere überwunden.

Der neue RFID-Standard des ETSI (EN 302 208) gestattet nicht mehr nur einen, sondern bis zu zehn Funkkanäle. Darüber hinaus ist es möglich, auch die von der Federal Communications Commission (FCC) in den USA erlaubte höhere Sendeleistung zu nutzen. Nicht alle europäischen Regierungen - mit ihrer Herrschaft über die Frequenzfreigabe - fördern diesen leistungsstärkeren und flexibleren RFID-Standard. Jedoch stellen sich die Hersteller im Bereich RFID bereits auf die global nutzbare und folglich zukunftsträchtigere zweite Generation von RFID-Tags ein.

Aufbau und Eigenschaften der Tags sind in der ISO-Norm 18000-6 festgelegt, und passend zum Gen 2-Standard steht derzeit die Version ISO 18000-6c kurz vor der Verabschiedung. Als Frequenzbereich sind hier 860 bis 960 Megahertz vorgesehen, welcher auch das in Japan übliche Spektrum von 950 bis 956 Megahertz einschließt. Dieses wird allerdings von vielen hierzulande erhältlichen neueren RFID-Angeboten noch nicht abgedeckt. Der interne Speicher des RFID-Chips nach ISO 18000-6c hat 384 Bit Speicherplatz, ist wiederbeschreibbar (mit Schreibschutz) und mit einem "Kill"-Befehl zur Deaktivierung ausgestattet, der mit einer 32-Bit-Verschlüsselung gesichert ist.

Der neue RFID-Standard bietet einige Vorteile, die vor allem bei der automatisierten Identifikation großer Mengen ausgezeichneter Güter zum Tragen kommen:

• Verbesserte Lesbarkeit: Ein engeres Zeitfenster von vier Mikrosekunden zwischen Anruf des Tags vom Lesegerät und dem Senden des EPC verringert "ghost reads" (Erkennung nicht vorhandener Tags) durch Fehler beim Ansprechen des Tags. Durch die Auswahl einer Frequenz kann das Lesegerät einen Tag aus einer größeren Menge anders getakteter isolieren. Die Tags wiederum registrieren jede Lese-Session und verhindern so, dass weitere in der Nähe aktive Lesegeräte Fehler verursachen.

• Höhere Lesegeschwindigkeit: Während die Datenübertragung bei der ersten Generation zwischen 55 und 80 kBit pro Sekunde lag, können Gen 2-Etiketten mit bis zu 640 kBit pro Sekunde Daten senden und empfangen. Sowohl die Identifikation als auch das Auslesen eines Tags wird also wesentlich beschleunigt. In Verbindung mit Management-Lösungen, die ein schnelles Registrieren und Sortieren der ersten Zeilen des gelesenen Codes einer großen Gruppe von Tags gestatten, werden Leseraten von bis zu 1000 Tags pro Sekunde möglich sein. Mit den gegenwärtig verfügbaren Methoden sind es immerhin schon 200 pro Sekunde. So lassen sich ganze Paletten von einzeln ausgezeichneten Waren "im Vorbeigehen" registrieren.

• Mehr Speicherplatz: Mit 384 Bit Speichergröße bieten Gen-2-Tags drei- bis viermal soviel Kapazität wie bisherige Funketiketten. Einzelne sperrbare Speicherblöcke sind für unterschiedliche Informationen vorgesehen: Die Blöcke beinhalten Zugriffs- und Kill-Passwörter, elektronische Produkdaten (EPC), Tag-spezifische Informationen und weitere anwenderrelevante Daten.

• Weltweiter Einsatz: Durch den erweiterten Frequenzbereich und die höhere Sendeleistung sind RFID-Etiketten der zweiten Genereration weltweit verwendbar; die ISO 18000-6c-Normierung gibt jetzt größere Planungssicherheit.

• Niedrigere Kosten: Die Preise werden durch die zu erwartenden größeren Stückzahlen natürlich sinken. Doch auch die Chipdesigns sind schlanker, so dass allein schon die Materialkosten zu billigeren RFID-Tags führen werden. Nach Einschätzungen von Philips Semiconductors wird der Preis pro Etikett auf fünf Cent fallen, wenn der Weltmarkt bis 2008 auf zehn Milliarden Einheiten anwächst. Derzeit kosten RFID-Tags für UHF-Anwendungen rund 30 bis 50 Cent.

• Größere Sicherheit: Lesegeräte können bei Gen 2 die Kommunikation mit dem RFID-Chip verschlüsseln. Der Kill-Befehl ist durch 32-bit-Verschlüsselung geschützt, um ein missbräuchliches Deaktivieren des Chips zu verhindern. Durch zyklische Redundanzprüfung wird die fehlerfreie Datenübertragung kontrolliert.

Optimistischer Ausblick

Regionale technische Differenzen, die insbesondere für global agierende Unternehmen ein Hindernis bei der Nutzung von RFID waren, gehören weitgehend der Vergangenheit an. Einer deutlich schnelleren Verbreitung der funkenden Aufkleber steht jetzt noch ihr Preis im Weg. Doch die Kosten der Technik werden mit steigendem Absatz und neuen Produktionsmethoden sinken.

Im Bereich der Konsumprodukte sind RFID-Etiketten im Moment nur auf Kartons und Paletten im Einsatz, doch werden sie mit sinkenden Kosten früher oder später auch auf einzelnen Verpackungen zu finden sein. Damit kommen Datenschutz-Bedenken ins Spiel, die inzwischen in der Standardisierungsorganisation EPCglobal ein Thema sind. So schreibt sie Anwendern von Transpondern vor, diese nicht versteckt einzusetzen und so anzubringen, dass sie jederzeit entfernt werden können. Das Problem ist die Sammlung von Daten der Einkäufer, beispielsweise im Zusammenhang mit Kundenkarten. (ls)