Fujitsu-Siemens fehlen klare Strategien

11.08.2008
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Andreas Zilch ist als Vorstandsmitglied der Experton Group verantwortlich für den Bereich Consulting und Advisory Services. Sein Schwerpunkt liegt auf Anwender- und Anbieterberatung zu den Themen IT-Architektur und -Infrastruktur, Green IT, Cloud Computing, Client of the Future und allgemein in IT-Beschaffungs- und -Verhandlungsstrategien.
Angesichts des Gerüchts, dass die Siemens AG sich von ihrem 50-Prozent-Anteil an Fujitsu-Siemens Computers (FSC) trennen will, ziehen Analysten eine ernüchternde Bilanz der Geschäftsentwicklung.

Fujitsu-Siemens Computers (FSC) steht vor einer ungewissen Zukunft, nachdem die Siemens-Mutter signalisierte, sich möglicherweise von ihrem 50-Prozent-Anteil des Joint Ventures mit Fujitsu trennen zu wollen.

IT-Hersteller im Vergleich

Unternehmen

Mitarbeiter

Nettogewinn (in Prozent)

Wachstum 2006/07 (in Prozent)

IBM

386 558

10,5

8,1

HP

172 000

7,0

13,8

Dell

88 200

4,2

6,5

Sun

34 200

3,4

6,2

FSC

10 500

1,1

- 4,9

Zu den hausinternen Unruhen kommen Meldungen der Marktforscher, dass FSC in Deutschland seine führende Position im PC-Markt erstmals seit Jahren verloren hat (siehe Seite 10). Zudem muss FSC mit einem Problem kämpfen, das Konkurrenten wie Dell, Hewlett-Packard (HP), Lenovo etc. nicht haben - dem extrem schlechten Währungskurs von Euro zu Dollar. Ein Insider konzedierte, dass alle Hersteller außer FSC Nutznießer des Währungskurses sind, weil sie in Dollar bezahlen und insofern Produktionsvorteile besitzen. Viele dieser Anbieter steckten die währungsbereinigten Gewinne vor allem in Deutschland "zu etwa 75 Prozent" in den Preiskampf.

FSC dagegen bezahle in Euro und erziele dadurch keine Währungsgewinne, die es an die Kunden weitergeben könne. Das Unternehmen sei also doppelt betroffen. Insbesondere von 2007 auf 2008 "war das richtig heftig", schilderte der Insider. Der Verdrängungswettbewerb halte an, da schauten Konkurrenten mit großem Interesse, was sich bei FSC tue. Auch Gartner-Analyst Errol Rasit verweist auf den Umstand, dass sich die Währungsschwankungen für FSC "eher negativ ausgewirkt" haben.

Was tut sich bei FSC?

FSC beschäftigt momentan 10 500 Mitarbeiter. Das Unternehmen erwirtschaftete einen Umsatz von 6,6 Milliarden Euro und wies einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 105 Millionen Euro aus, sagt Andreas Zilch von der Experton Group.

Der Sprung der Mitarbeiterzahl von 2005 auf 2006 ist durch die Übernahme des IT-Infrastruktur-Service-Bereiches von SBS zu erklären. Der Umsatz des ITPS-Geschäftes (= IT-Produkt-Services) betrug zu diesem Zeitpunkt über eine Milliarde Euro. Trotz der Erhöhung der Mitarbeiterzahl um 3900 (57 Prozent) stieg der Nettoumsatz nur um 309 Millionen Euro (fünf Prozent), sagt Zilch weiter.

Produktlinien rückläufig

Beide Hauptproduktlinien (Volume Products und Enterprise Products) hatten gegenüber dem Vorjahr in Summe Umsatzeinbußen von über zehn Prozent zu verzeichnen. Nur die Services sind durch die Übernahme des ITPS-Segments von SBS gewachsen. Für das Geschäftsjahr 2008/09 erwartet die Experton Group für FSC einen deutlichen Umsatz- und Gewinnrückgang.

Das japanisch-deutsche Joint Venture erzielt, sagt der Experton-Analyst, eine Umsatzrendite von etwa einem Prozent und verfehlt damit die Siemens-Konzernerwartung von sieben bis zwölf Prozent klar. FSC argumentiert, von dieser Konzernvorgabe nicht betroffen zu sein, da das Unternehmen als "Finanzbeteiligung" geführt und nicht in der Konzernbilanz konsolidiert wird.

Auf einen Blick

Im Business-to-Consumer-Segment (B2C) verkauft FSC Notebooks, Desktops, Peripheriegeräte und Services. Im Geschäft mit kommerziellen Kunden - also dem Business-to-Business-Umfeld (B2B) - hat das Unternehmen Server, Storage, Notebooks, Desktops, Workstations, Peripherie und Services im Angebot. Beide Geschäftsfelder sind unterschiedlich erfolgreich.

BS2000/OSD

Das traditionelle Mainframe-Geschäft (inklusive Peripherie) liefert immer noch einen erheblichen Umsatz. Außerdem macht FSC den weit überwiegenden Teil seines Gewinns mit den Großrechnern, bestätigt Zilch. Die Experton Group geht davon aus, dass der Profit des BS2000-Geschäfts doppelt so hoch ist wie der Gesamtgewinn von FSC für das Jahr 2007. Ähnlich wie bei IBM ist aber das Geschäft mit Großrechnern kein Wachstumsbereich für FSC. Allgemein gehen Analysten davon aus, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren hier kontinuierlich mit Umsatz- und Gewinnrückgängen gerechnet werden muss.

Solaris/Sparc

FSC verfügt noch über ein signifikantes Solaris/Sparc-(Unix-)Geschäft, welches aber unter massivem Druck steht. Die Konkurrenz, vor allem IBM und Sun, setzt FSC stark zu, und das Geschäft ist nach Umsatzzahlen wie auch nach Margen unbefriedigend. Diese Entwicklung wird dazu führen, dass FSC dem Solaris-Bereich weniger Priorität beimisst und sich langfristig von dort zurückzieht.

IA-Server

Die Intel-basierenden Primergy-Server sollen zukünftig das primäre Wachstumssegment von FSC im Server-Bereich darstellen, sagt Zilch. Ob dies in einem extrem umkämpften Markt gelingt, der durch schwierige Differenzierungen und Preiskriege gekennzeichnet ist, kann bezweifelt werden. Gartner-Analyst Rasit sagt, problematisch für FSC sei, dass die Verkäufe von "Primepower"-Systemen "relativ schnell zurückgingen". Gleichzeitig hätten jedoch die Umsätze mit Sparc-Systemen nicht im gleichen Maße zugelegt. Zudem, so Rasit, sei es für Anwender nicht so leicht, von Primepower- auf Sparc-Rechner zu wechseln. Nach Rasit sind die Sparc-Enterprise-Server für FSC-Kunden im Unix-Umfeld in Zukunft die erste Wahl.

Es fällt auf, dass FSC bei sehr kleinen Unternehmen (Soho = Small Office Home Office) im Vergleich etwa zu HP eher unterrepräsentiert ist. Das sieht bei Firmen mit bis zu 99 Mitarbeitern und im gehobenen Mittelstand mit bis zu 499 Mitarbeitern sehr viel besser aus. Bei Großkonzernen, wo FSC seit der ersten Hälfte 2005 Marktführer war, hat das bayerisch-japanische Unternehmen mittlerweile Platz eins ebenfalls an HP verloren.

Storage

Zilch sagt, dass FSC im Storage-Bereich in den vergangenen Jahren durchaus erfolgreich agiert hat - in erster Linie aber als Reseller für EMC und Netapp. Mit beiden Anbietern herrscht eine sehr enge Partnerschaft. Insbesondere in der installierten Kundenbasis ist FSC mit Storage-Lösungen erfolgreich. Hinzu kommt das eigene Angebot (Centricstor), das aber einen relativ geringen Anteil des Umsatzes ausmacht. Mittel- und langfristig fragt sich der Experton-Mann, ob sich das Geschäft auf der Reseller-Basis mit EMC und Netapp weiter zufrieden stellend entwickelt.

Behördengeschäft schwierig

Für FSC scheint sich ferner das Behördengeschäft - eine traditionell starke Basis für das Unternehmen in Deutschland - schwieriger zu gestalten. Hier hatte FSC laut IDC im ersten Quartal 2008 zwar noch einen Marktanteil von 46 Prozent. Allerdings folgte HP mit 44 Prozent bereits dicht auf den Fernsen. Zudem hatte FSC vor zwei Jahren noch einen Anteil von rund 57 Prozent am Behördengeschäft.

Mitarbeiter und Management

Neben dem Markt, den Produkten und den Services bilden auch die Mitarbeiter und das Management eine wichtige Grundlage für die Analyse und Beurteilung von FSC. Zweifelsfrei verfügt das Unternehmen über eine Vielzahl gut ausgebildeter und erfahrener Mitarbeiter, sagt Zilch. Deren Stimmung sei aber durch den schlechten Geschäftsverlauf und die Unsicherheit über die Zukunft an einem Tiefpunkt angelangt. Nicht nur die Angestellten würden vom FSC-Management mehr als nur vage Erklärungen zu dem schlechten Geschäftsverlauf und der künftigen Ausrichtung erwarten.

Szenarien für die Zukunft

FSC ist nach Zilch in den meisten Geschäftsbereichen schwach aufgestellt.

Insgesamt wirke FSC ratlos und ohne Strategie, obwohl der Markt durchaus Chancen bietet.

Aus Sicht des Analysten der Experton Group ist es sehr wohl entscheidend, wie die Eignerstrukturen in der Zukunft aussehen werden. Das Unternehmen hat es bis jetzt nicht verstanden, selbst Maßnahmen zu ergreifen, die die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch den Profit und die Zukunftsfähigkeit verbessern. Deshalb muss eine neue Eignerstruktur dort klare Vorgaben und eine langfristige Perspektive liefern. Viele Aktivitäten liegen auf der Hand und bedürfen einer konsequenten Umsetzung, meint Zilch. Allerdings wird FSC auch bei Mitarbeitern und Management einiges ändern müssen, um in Zukunft erfolgreich zu sein. (jm)

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