Bereinigung der Produktpalette steht noch aus

Fujitsu-Siemens bastelt am gemeinsamen Fundament

03.09.1999
FRANKFURT/M. (wh) - Nach der vertraglichen Einigung zwischen Fujitsu und Siemens zeichnen sich erste Konturen des Joint-ventures ab. Im Unix-Segment fährt man mit Mips- und Sparc-Prozessoren vorerst zweigleisig. Intel-basierte Server steuern die Münchner bei. Eine Bereinigung der PC-Produktlinien steht noch aus.

Die Rollenverteilung im japanisch-deutschen Gemeinschaftsunternehmen schien klar: links die Server-Palette von Siemens, rechts PCs, Notebooks und Flachbildschirme von Fujitsu. So hatten die PR-Verantwortlichen die Produktpalette anläßlich einer Pressekonferenz in einem Frankfurter Hotel um das Rednerpult drapiert. Doch der Schein trog.

Natürlich stehen da auch Siemens-PCs, beeilte sich Robert Hoog, künftiger Leiter des Bereichs Products and Supply Operations, klarzustellen. Die naheliegende Vermutung, die Münchner lieferten künftig die Server-, der japanische Partner dagegen sämtliche PC-Produkte, sei so nicht richtig, erklärte Hoog. Gemeinsam mit dem Fujitsu-Manager Winfried Hoffmann wird er ab 1. Oktober 1999 das operative Management des Joint-ventures stellen.

Natürlich gebe es im PC-Bereich redundante Produktlinien, räumte Hoog später im Gespräch mit der CW ein. "Die werden wir konsolidieren." Technisch sei dies "gar kein Problem", weil die Rechner intern sowieso mit den gleichen Komponenten bestückt seien. Hier müsse nur das Firmenlogo ausgetauscht werden. "Das ist eine Marketing-, keine Engineering-Aufgabe."

Hoog widerspricht damit indirekt den Ausführungen von Rudi Lamprecht, designierter Vorsitzender des Board of Directors, dem Führungsgremium von Fujitsu-Siemens Computers. Lamprecht hatte noch vor wenigen Wochen gegenüber der CW auf Qualitätsunterschiede in der PC-Fertigung gepocht, die beispielsweise durch die Verwendung eigener Kom- ponenten wie Platinen gegeben seien.

Glaubt man hingegen den Ausführungen Hoogs, so läuft doch alles auf eine rein Marketing-bezogene Abgrenzung der PC-Linien hinaus: Dort, wo ein Partner eine starke Marke besitzt, werde das Joint-venture diese übernehmen, so der Manager. Fujitsu etwa verfüge in einigen PC-Segmenten über gut eingeführte Produkte. Hier werde man künftig statt der Siemens-Bezeichnung den Markennamen des Partners verwenden. Andererseits führe man das Label "Primergy" für alle Intel-basierten Server weiter. Das bedeutet mittelfristig das Ende für Fujitsus "Teamserver"-Familie.

An diesem Punkt konnte sich Siemens offenbar durchsetzen. Die Entwicklung sämtlicher Standard-Intel-Server für das Joint-venture wird in die Hände der Münchner gelegt. Fujitsu werde diese Produkte übernehmen und weltweit vermarkten, so Hoog. "Das ist ein großer Vertrauensbeweis. Fujitsu war bereit, sich technologisch in unsere Hände zu begeben."

Auch im Bereich der Unix-Server sind die Würfel gefallen. Das Joint-venture hält an den bereits vor längerer Zeit von Siemens angekündigten Plänen fest, langfristig auf IA-64-Prozessoren unter Sun Solaris zu migrieren. In der Übergangszeit fährt man mit Mips-basierten Systemen unter Reliant Unix sowie Fujitsu-Rechnern mit Sparc-Prozessoren unter Solaris zweigleisig.

"Die momentan verfügbaren Unix-Server von Siemens sind im mittleren Leistungsbereich angesiedelt", erklärt Hoog diese Doppelstrategie.

Sie erreichten heute nicht mehr die im High-end geforderte Performance. Dies hänge mit den Mips-Prozessoren zusammen, die nicht mehr Schritt halten konnten. Da die Verfügbarkeit der IA-64-CPUs noch auf sich warten lasse, stellten die Sparc-basierten Maschinen Fujitsus eine ideale Ergänzung des Portfolios dar.

Fujitsu entwickelt eigene Sparc-Prozessoren. Die Japaner haben eine Lizenz von Sun zur Entwicklung binärkompatibler CPUs erworben. Auf der Basis dieser Chips fertigt Fujitsu Unix-Server unter dem Solaris-Betriebssystem.

Im Herbst will Fujitsu-Siemens mit einem Sparc-basierten 64-Wege-Server auch den deutschen Markt bedienen. Für das Jahr 2000 ist ein Rechner mit 128 CPUs geplant. Für Anwender dürfte sich dann die Frage stellen, wie für Reliant Unix geschriebene Anwendungen auf die Solaris-Plattform gebracht werden können.

Hoog sieht darin kein großes Problem. Einerseits sei vor einem Jahr mit Sun vertraglich vereinbart worden, Funktionen von Reliant Unix in Solaris einzubauen. Andererseits existierten mit "Dynamic Object Code Translation" (Doct) Werkzeuge, mit deren Hilfe sich Standardsoftware auf eine andere Architektur hieven lasse. Die Anwendungen könnten dort ohne Änderungen ablaufen. Die meiste Standardsoftware sei zudem ohnehin auch auf der Sparc-Solaris-Plattform verfügbar. Insofern sei das Migrationsproblem zu relativieren.

Henrik Klagges, Analyst bei Strategy Partners, beurteilt diese Aussagen kritisch. Von einer Ergänzung des Siemens-eigenen Unix-Portfolios durch Sparc-basierte Rechner von Fujitsu könne keine Rede sein. "Die Maschinen sind nicht interoperabel." Die Argumentation, Anwendungen könnten mit Hilfe von Doct von Reliant Unix auf Solaris gebracht werden, hält er für problematisch: "Das ist eine Schummellösung." In puncto Leistung und Zuverlässigkeit müsse bei einer solchen Emulation immer mit Einbußen gerechnet werden. Prozessoren und Betriebssystem unterschieden sich stark voneinander.

Statt von einer Ergänzung sollten die Münchner eher von einem Migrationspfad reden, so Klagges. Andererseits sieht er auch in dem mittelfristig geplanten Übergang auf IA 64 einen riskanten Weg: "IA 64 funktioniert nicht. Das war von Anfang an ein einziges großes Rauchzeichen am Horizont." Je mehr Informationen Intel zu IA 64 vorlegte - inzwischen ist die Architekturspezifikation veröffentlicht -, desto deutlicher wurde, wie gering die Verbesserungen gegenüber existierenden CPU-Designs tatsächlich sind. Dies gelte insbesondere für den "Merced". Klagges: "Das ist ein totgeborenes Kind."

Im Gegensatz zu den PC- und Unix-zentrierten Produktreihen soll in der Großrechnersparte von Fujitsu-Siemens alles beim alten bleiben, so die offiziellen Verlautbarungen. Bei genauerem Hinsehen ergeben sich aber auch hier offene Fragen. Neben dem Joint-venture ist eine weltweite Kooperation Bestandteil der Vereinbarungen zwischen Fujitsu und Siemens. Nach den Worten Hoogs werden die Aktivitäten, die Siemens Computer heute in Asien und Amerika verfolgt, in die jeweiligen Fujitsu-Landesgesellschaften eingebracht. Damit verbunden sei auch eine Vertriebskooperation mit der Fujitsu-Tochter Amdahl, über die derzeit noch verhandelt werde.

Vertriebskooperation mit Amdahl geplant

Amdahl vermarktet ebenso wie Siemens Großrechner, die auf der Hardware von Fujitsu basieren. Dazu Hoog: "Wir haben mit Amdahl darüber geredet, inwiefern wir unsere Vertriebsaktivitäten koordinieren können. Wir bleiben in Europa zwei getrennte Unternehmen mit jeweils eigenem Marktauftritt." Das bereits mehrfach gegebene Versprechen, die Siemens-eigene BS2000-Plattform weiterzuentwickeln, bleibe davon unberührt.

Trotz dieser Absichtserklärungen ist einzuwenden, daß es erklärte Politik des Joint-ventures ist, Produkte, die die gleichen Marktsegmente bedienen, bis zum nächsten Technologiezyklus parallel zu unterstützen und sie dann zu verschmelzen. Im Großrechnerbereich sei dies aber nicht vorstellbar, sagt Hoog, weil Amdahl nicht Bestandteil des Joint-ventures sei. Man diskutiere die Möglichkeit einer Vertriebskooperation von zwei rechtlich selbständigen Unternehmen.

Für eine Zusammenführung der IBM-steckerkompatiblen Mainframes von Amdahl mit der BS2000-Linie der Münchner sprächen indes nicht zuletzt die vielzitierten Synergieeffekte. Mit einer gemeinsamen Platfform könnte sich der deutsch-japanische Anbieter auch eine stärkere Position gegenüber den Rivalen IBM und Hitachi im PCM-Markt verschaffen (PCM = Plug Compatible Manufacturer).

Natürlich habe man über so ein Szenario nachgedacht, räumt Hoog auf Nachfrage ein. Die vordringliche Aufgabe sei aber zunächst, einen großen Merger zu bewältigen. "Das ist für sich alleine schon schwierig." Wenn man nun noch eine dritte Firma ins Boot nehme, steige das Risiko von Reibungsverlusten exponentiell. Hoog: "Wir wollen diesen Elefanten nicht zu groß konstruieren."

Andreas Zilch von der Meta Group kommt zu einer anderen Einschätzung. Für die BS2000-Anwender ergebe sich mit dem Gemeinschaftsunternehmen "die große Chance, längerfristig, das heißt etwa ab dem Jahr 2003, auf die OS/390-Plattform zu migrieren". Das höre Siemens zwar ungern. Die Münchner wüßten aber, daß sich einige große Kunden langfri- stig gegen BS2000 entschieden hätten.

Besonders heikel für die Verantwortlichen von Fujitsu-Siemens ist nach wie vor die Frage nach einem möglichen Stellenabbau. Lamprecht verwies in Frankfurt auf das von Siemens im Februar angekündigte Restrukturierungsprogramm, das den Abbau von rund 1300 Arbeitsplätzen vorsehe. Darüber hinaus seien keine weiteren Stellenstreichungen geplant.

Demgegenüber haben Arbeitnehmervertreter beider Unternehmen bereits im Juni ihre Besorgnis über doppelt abgedeckte Funktionen in verschiedenen Unternehmensbereichen geäußert. Hoog drückte sich an diesem Punkt sehr vage aus. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Lamprecht konzedierte er aber: "Es ist anzunehmen, daß es Redundanzen gibt." Dies betreffe aber weniger Vertrieb, Entwicklung oder Produktion, sondern eher den Bereich Administration.

"Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", wirft sich der Manager in die Brust. Auch Fujitsu habe bereits vor zwei Jahren ein Restrukturierungsprogramm betrieben und inzwischen abgeschlossen. Personalfragen seien deshalb "kein heißes Thema mehr". In welcher Größenordnung dennoch Stellen gestrichen werden, könne man gegenwärtig noch nicht absehen. Hoog: "Wir wissen es wirklich noch nicht."