Für Sie gelesen

05.02.1988

Michael Zeissler in der Zeitschrift "Micro Extra" der Feltron Elektronik Zeissler & Co. GmbH, Troisdorf, über den neuen und den alten IBM-PC-Markt:

Es läßt einen schon aufhorchen, wenn der Größte in der Branche versucht, den selbstgesetzten, aber nachbaubaren Standard (IBM PC/XT/AT) durch einen neuen (PS/2-Modelle) "kopiergeschützten" Standard zu ersetzen. Der Grund dafür ist klar: In den letzten beiden Jahren hat IBM massive Rückgänge beim PC-Marktanteil hinnehmen müssen. Zu viele wesentlich preiswertere und meist auch leistungsfähigere PC-Systeme ("Clones") wurden statt des eigentlichen Originals verkauft.

Wer jedoch geglaubt hatte, IBM hätte mit seinen am 2. April 1987 (ja, so lange liegt das schon wieder zurück) vorgestellten Systemen einen absolut kopiergeschützten PC gefunden, der wurde bald eines besseren belehrt. Denn mit Feuereifer gingen die Clone-Produzenten daran, das Bus-System der PS/2-Systeme, den "Mikro-Kanal" und die interne Struktur des neuen Chipsets zu erforschen.

Bereits etwa acht Wochen nach der Ankündigung der PS/2-Systeme war es soweit: Die ersten PS/2-Erweiterungskarten wurden auf der Comdex vorgestellt. Gegen diese Anbieter geht IBM in der letzten Zeit mit massiven Drohungen und sogar Prozessen (gegen AST und Orchid) vor. Damit nicht genug: Plötzlich zieht IBM, unter Berufung auf ein inzwischen drei Jahre altes AT-Geschmacksmuster, gegen relativ unbedeutende AT-Clone-Anbieter auch in Deutschland zu Felde. Nach und nach werden Abmahnungen an kleinere Unternehmen (wie DRV und Condex) verschickt, die man auffordert, Unterlassungserklärungen zu unterschreiben.

Daß IBM sowohl ein "altes", eigentlich bereits überholtes und ein "neues" Produkt mit solcher Vehemenz verteidigt, könnte zwei Gründe haben: Einerseits möchte man die Konkurrenz einschüchtern, also eine Monopolisierung erreichen, sowohl des alten PC-Marktes, gewissermaßen, post mortem, als auch des vielleicht kommenden PS/2-Marktes. Ein Erfolg scheint da aber sehr zweifelhaft. Andererseits versucht man vielleicht, Alternativen zu PS/2 wieder unter Kontrolle zu bekommen, damit nicht das passiert, was manchem IBMer Kopfschmerzen macht: PS/2 ist da, aber keiner will es haben.

Der Management-Berater John Diebold in dem Diebold-Journal "Kompetenz" über Herstellerabhängigkeit:

Profis aus dem EDV-Bereich kennen das Problem der "Herstellerabhängigkeit" - eine Situation, in der der Anwender gezwungen ist, die gesamte mit einem bestimmten System zusammenhängende Hardware und Software vom gleichen Anbieter kaufen zu müssen, sofern man nicht das Risiko möglicher Inkompatibilitäten eingehen will.

Herstellerabhängigkeiten können in nahezu allen Geschäftszweigen geschaffen werden. Immer mehr Unternehmen nutzen zum Beispiel die Computerisierung, um ihre Produkte und Dienstleistungen so attraktiv und praktisch zu gestalten, daß aus Sicht der Wechsel zu einem Anbieter wenig Sinn ergäbe.

Ein Beispiel dieser Art der Herstellerabhängigkeit ist das Reservierungssystem der American Airlines, "Sabre"... Anfangs hielten die meisten Branchenbeobachter das Sabre-System einfach für ein Art automatisierter Abwicklung von Sachbearbeitertätigkeiten im Rahmen der Flugreservierung. Nur sehr wenige erkannten schon damals, daß es als äußerst wirksame Marketing-Waffe eingesetzt werden konnte.

Die angeschlossenen Reisebüros profitierten vor allem durch eine wesentlich vereinfachte Abwicklung des Reservierungsvorgangs. Die Herstellerabhängigkeit wurde deutlich, als Konkurrenten den Reisebüros ähnliche Systeme anboten, bei "Sabre"-Kunden aber kaum einen Fuß in die Tür bekamen. Insbesondere, weil diese sich gut bedient fühlten und nicht noch den Aufwand für ein weiteres System auf sich nehmen wollten, das ihnen kaum zusätzlichen Nutzen versprach.