Supercomputer und Parallelrechner: Marktübersicht (Teil 2)

Für massiv-parallele Rechner sieht die Zukunft rosig aus

29.11.1991

*Profesor Hans-Werner Meuer ist Direktor des Rechenzentrums der Universität Mannheim, Dr. Erich Strohmaier ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am RZ der Uni Mannheim.

In der dreiteiligen Artikelserie diskutieren die beiden Autoren die zum Mannheimer Supercomputer-Seminar '91 vorgelegten neuesten Statistiken. Hierzu beleuchten sie die derzeitige Situation bei Supercomputern der obersten Leistungsklasse, bei Mini-Supercomputern, Parallelrechnern und Hochleistungs-RISC-Stations. In diesem zweiten Teil beleuchten die Autoren vor allem die Situation in Deutschland und Europa, Außerdem gehen sie auf die Auswirkungen auf den Supercomputer-Markt durch den Wegfall von Control Data und deren ETA-Systemen ein.

Cray ist natürlich auch Marktführer in Europa, allerdings mit zwei Drittel der Installationen (65,8 Prozent) hier wesentlich stärker vertreten als weltweit. Nur das USA-Kanada-Segment ist mit 75 Prozent noch fester in Cray-Hand. In Europa hat Cray seine Hauptdomänen in Frankreich mit genau einem Drittel aller europäischen Cray-Systeme, in Deutschland mit einem Viertel und in England mit einem Fünftel der Systeme.

Den Hut ziehen muß man vor Siemens-Nixdorf (SNI), denen es gelungen ist, trotz dieser starken Rolle von Cray in Europa mit einem Fünftel der installierten Systeme (20,2 Prozent) ganz klar die zweite Position einzunehmen vor TMC mit 11,4 Prozent und NEC mit 2,6 Prozent.

SNI ist vertreten in Deutschland, Frankreich, Österreich sowie in England und Skandinavien, wo die dort installierten Fujitsu-Systeme, seinerzeit von Amdahl geliefert, jetzt von SNI gewartet werden sollen, nachdem Amdahl dieses Geschäft eingestellt hat.

Gespannt darf man darauf sein, wie NEC, bisher ohne einen Partner in Europa, weiterkommt, nachdem in Deutschland, den Niederlanden und insbesondere in der Schweiz der schwere Einstieg in den Markt gelungen ist.

Betrachtet man die Situation in Deutschland (siehe Abbildung 4), so sind dort 36 Formel-1-Supercomputer installiert. Auf die Hersteller bezogen, ist auch hier Cray Marktführer, liegt mit 53 Prozent genau im weltweiten Durchschnitt vor SNI, die mit 36 Prozent dem Marktführer gehörig Anteile in den letzten Jahren abgejagt hat. Der letzte SNI-Coup in Hessen waren die Rechner für die vier Landesuniversitäten Darmstadt, Kassel, Frankfurt und Gießen. Hiermit ist es SNI gelungen, eine einheitliche Lösung für ein Bundesland zu etablieren. Die Universität Marburg wird sich nach Bedarf einklinken und bis dahin vom stärksten System in Darmstadt, einer S600/20, mitversorgt werden. Bemerkenswert ist auch, daß SNI mit einer VP-200-EX-Installation an der TU Dresden erstmalig in der ehemaligen DDR zum Züge kam.

Die beiden anderen - noch sehr bescheiden vertretenen Hersteller in Deutschland sind TMC mit drei Installationen, (8,3 Prozent) und NEC mit einer Installation (2,8 Prozent).

Dominierend in der Nutzung von Formel-1-Supercomputern in Deutschland sind die Universitäten mit knapp der Hälfte aller eingesetzten Systeme (44,4 Prozent), die Großforschungseinrichtungen betreiben 22 Prozent, und in der Industrie werden 25 Prozent aller Größtrechner eingesetzt. Davon entfällt auf die Automobilindustrie (einschließlich zuarbeitender Serviceanbieter wie Debis und EDS) 16,7 Prozent, Siemens (Elektronik) 5,6 Prozent und Prakla Seismos (Seismik) 2,8 Prozent. Bei Behörden schließlich, einschließlich dem Deutschen Wetterdienst, werden drei Systeme (8,3 Prozent) eingesetzt.

Nicht alltäglich und daher bemerkenswert ist die Tatsache, daß an der Universität Stuttgart einer der beiden Formel-1-Supercomputer (Cray YMP2E/116) als Fileserver im Universitätsnetz eingesetzt wird (24).

Untersucht man das Supercomputer-Wachstum der letzten fünf Jahre (siehe Abbildung 5), so läßt sich feststellen, daß die weltweit sehr starke Wachstumsperiode - von 1986 bis 1989 von 25 auf 35 Prozent - im Jahre 1990 mit nur 2,2 Prozent Wachstum einen gewaltigen Dämpfer bekommen hat. Dies war ganz eindeutig auf die Tatsache zurückzuführen, daß im Frühsommer 1989 die Control-Data-Tochter ETA aus denn Markt genommen wurde.

Entsprechend ging der Marktanteil von CDC/ETA von 15,3 Prozent im Jahre 1989 weltweit fast um den Faktor 3 auf 5,8 Prozent im Jahr 1990 zurück. Wie sich die Situation wirklich entwickeln wird, kann man erst richtig beurteilen, wenn die Daten im Frühjahr 1992 vorliegen.

In diesem Jahr haben wir den Restbestand von CDC/ETA ganz herausgenommen (die Daten ließen sich nicht mehr zuverlässig ermitteln) und dafür TMC neu aufgenommen.

Danach ist das weltweite Wachstum mit 26,2 Prozent wieder sehr gut, ohne TMC liegt dieses Wachstum allerdings nur bei 8,2 Prozent. Die Entwicklung in Deutschland läuft genau umgekehrt wie weltweit:

Lag man in den Jahren 1986 bis 1989 unter dem Weltwachstum - eine Ausnahme war 1987/88, als praktisch alle Automobilfirmen in Deutschland sich mit Cray-Systemen eindeckten -, so hat die ETA-Misere in Deutschland kaum Spuren hinterlassen, da die ETA-CDC-Rechner beim Deutschen Wetterdienst in Offenbach beziehungsweise beim Deutschen Klimarechenzentrurn durch Cray-Rechner ersetzt wurden, auf der anderen Seite die bestellten ETA-Systeme für die Universitäten Aachen und Hannover in Siemens-Fujitsu-Systeme umgewandelt wurden.

In diesem Jahr schließlich weist man in Deutschland ein Wachstum von 33,3 Prozent mit TMC-Systemen beziehungsweise 22,2 Prozent ohne TMC-Systeme auf, das kräftig über dem Weltdurchschnitt liegt.

Wie sich die Supercomputer-Landschaft in Deutschland (Formel 1) seit der Installation einer Cray 1 beim Max-Planck-Institut (MPI) in Garching entwickelt hat, zeigt Abbildung 6. Insbesondere läßt sich sehr gut die Modernisierung des Supercomputer-Bestands im Laufe der Jahre beobachten.

Im Jahre 1991 waren drei verschiedene Klassen von Cray-Rechnern (XMP, YMP, 2), drei verschiedene Klassen von SNI-Rechnern (VP, VP-EX, S-Serie) und die CM2 von TMC sowie der SX3-Rechner von NEC in Deutschland im Einsatz.

Erstmalig wurden anläßlich des Supercomputer-'91-Seminars in Mannheim die in Europa im Frühjahr installierten Parallelrechner/Supercomputer erfaßt. Angeschrieben wurden alle relevanten Firmen, erfreulicherweise war die Beteiligung überwältigend hoch.

IBM erscheint nicht in der Statistik

Bedauerlicherweise ließen sich aber keine Daten von IBM erhalten, aus diesem Grund erscheinen sie nicht in unseren Statistiken. Nicht reagiert haben auch die Firmen Telmat aus Frankreich und Parsys aus Großbritannien, die deshalb ebenfalls nicht aufgeführt sind.

Aufnahme in die Statistiken fanden die bereits erwähnten Formel-1-Supercomputer, die Mini-Supercomputer der ersten Generation von Alliant (FX40/ 80) und Convex (C1), die Mini-Supercomputer der zweiten Generation von Convex (C2) und FPS500-Systeme von Floating Point Systems (25), die transputerbasierten Parallelrechner von Meiko (Computing Surface) und von Parsytec (Multicluster-2 und Supercluster), die integrierten Vektorprozessor-Systeme von DEC (VAX 6000 VP und 9000 VP), die MP-1-SIMD-Parallelrechner von Maspar (26), die MIMD-Parallelrechner FX/2800 mit gemeinsamem Speicher von Alliant (27) sowie schließlich die MIMD-Parallelrechner (28) mit lokalem Speicher von Intel (iPSC/2 und iPSC/860) und von Ncube (29) mit den Ncube1 beziehungsweise Ncube2-Systemen.

Bei den Meiko-Computing-Surfaces-Systemen haben wir nur solche aufgenommen, die entweder mindestens vier 860 Prozessoren, vier Sparc-Prözessoren oder 16 Transputer-Prozessoren beinhalten.

Lange diskutiert wurde die Frage, ob die Produkte der US Firma Sequent (30) in die Statistiken miteinbezogen werden sollen. Diese stellt Parallelrechner (zwei bis 30 CPUS) her, die über einen Bus einen gemeinsamen Speicher nutzen.

Die Anwendungen auf Sequent - vornehmlich im Datenbankbereich - unterscheiden sich erheblich von den Anwendungen der anderen eingesetzten Supercomputer und Parallelrechner.

Wir haben uns - trotz der geringeren Leistungsfähigkeit der im Durchschnitt mit vier Prozessoren pro System betriebenen Parallelrechner - gerade wegen des Einsatzes vornehmlich im kommerziellen Bereich zur Aufnahme in die Statistik entschlossen.

Die hier vorgelegten Daten beruhen auf Herstellerangaben, sie konnten nur teilweise (etwa Formel-1-Klasse) durch eigene Recherchen überprüft werden.

Mit den hier vorgelegten Statistiken über Supercomputer und Parallelrechner wollten wir erstmalig den Markt für dieses innovative Gebiet zumindest für Europa transparent machen. Fragebögen, Rohdaten sowie Details der Architekturen etc. sind über die Autoren erhältlich.

Die Abbildung 7 weist aus, daß in Europa 1514 Supercomputer und Parallelrechner im Frühjahr 1991 installiert waren. Bei weitem am häufigsten werden Supercomputer und Parallelrechner in Großbritannien eingesetzt (528), gefolgt von Deutschland (319) und Frankreich (205). Allerdings führt Großbritannien nur deshalb so eindeutig, weil dort Meiko mit 166 Systemen (84 Prozent der Meiko Installationen) und Sequent mit 185 Systemen (56 Prozent der Sequent Installationen) überaus stark im Geschäft sind.

Abbildung 8 gibt genaue Auskunft darüber, wie viele Einzelprozessor-Systeme der verschiedenen Produkte im Einsatz sind. Das reicht vom einen Extrem, nur Einzelprozessor-Systeme bei der Convex C1 (sie hat nur einen Prozessor), bis zu den Systemen von Alliant, Intel, Maspar, Meiko, Ncube, Parsytec und Thinking Machines, die nur Mehrprozessor-Systeme bei Kunden installiert haben.

Keine Angaben über die Anzahl der Einprozessor-Systeme haben Cray und DEC gemacht. Zumindest bei Cray lag das aber nur daran, daß diese Daten nicht europaweit verfügbar sind, in Deutschland etwa ist die Cray-Situation bekannt (vergleiche Abbildung 4).

Dort gibt es von 18 Cray-Installationen - die Anlage in Bonn klammern wir aus - nur eine Einprozessor-Anlage (an der Universität Stuttgart als Fileserver), im Durchschnitt hat eine Cräy-Installation in Deutschland 2,8 Prozessoren.

(wird fortgesetzt)