Beliebteste Arbeitgeber

Für Informatiker bleibt Google erste Wahl

14.10.2013
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Junge Informatiker wollen attraktive Aufgaben, sich persönlich entwickeln, Wertschätzung erfahren und - für Google arbeiten.
Google ist seit Jahren einer der Traumarbeitgeber für junge Informatiker.
Google ist seit Jahren einer der Traumarbeitgeber für junge Informatiker.
Foto: Google

Sie sind noch nicht lange im Job, haben aber schon genaue Vorstellungen, was sie von ihrem Arbeitgeber erwarten: Junge Informatiker wollen attraktive Aufgaben, sich schnell weiterentwickeln, Wertschätzung vom Chef und den Kollegen erfahren und am liebsten für Google, deutsche Autobauer wie BMW und Audi oder große IT-Hersteller wie SAP, IBM und Microsoft arbeiten. Das geht aus einer Umfrage des Berliner Trendence Instituts unter 6300 jungen Berufstätigen hervor, darunter knapp 500 mit IT-Hintergrund.

Jedes Jahr klopfen die Marktforscher die Erwartungen der Jungakademiker ab, jedes Jahr beobachten sie steigende Ansprüche. Felizitas Janzen von Trendence meint: "Das liegt unter anderem am gestiegenen Selbstbewusstsein einer Bewerbergeneration, die weiß, wie gefragt sie ist." Den eigenen Marktwert taxiert das Gros der Befragten als hoch, mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von 56.500 Euro im Jahr verdienen Informatiker auch gut 4000 Euro mehr pro Jahr als Young Professionals anderer Fachrichtungen. So zufrieden der Nachwuchs mit der finanziellen Seite des Jobs ist, so groß ist die Enttäuschung über den Führungsstil in vielen Unternehmen. Nur jeder zweite Umfrageteilnehmer fühlt sich von seinem Arbeitgeber wertgeschätzt, obwohl die meisten beruflichen Erfolg dahingehend definieren, dass Kollegen und Vorgesetzte sie und ihre Meinung anerkennen. Ebenfalls nur jeder Zweite identifiziert sich mit dem Arbeitgeber und würde ihn Freunden oder Bekannten empfehlen.

Enttäuschte Berufseinsteiger

An dieser Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität sind laut Trendence-Frau Janzen auch die Unternehmen schuld: "Einige Arbeitgeber oder Medienberichte wecken unrealistische Erwartungen an das Berufsleben. Ein Berufsanfänger ist dann schnell enttäuscht, wenn er sich langsamer weiterentwickelt als erhofft. Zugleich sollte klar sein, dass die Wünsche eines Arbeitnehmers nie zu hundert Prozent erfüllt werden können." Darum empfiehlt sie Bewerbern wie Unternehmen, vor der Anstellung zu klären, ob man übereinstimmende Vorstellungen von Aufstiegschancen, Unternehmenskultur oder Organisationsstrukturen habe. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssten zueinander passen. Nur dann brächten Mitarbeiter auch die nötige Geduld auf, wenn das Traumprojekt oder die Beförderung noch auf sich warten lassen.

"Cultural Fit" ist ein Schlagwort, an dem keiner vorbeikommt, der bei Google arbeiten will. Und das werden von Jahr zu Jahr mehr, glaubt man den Umfragen unter deutschen IT-Absolventen. Im aktuellen Trendence-Ranking wählten Informatiker den Internet-Konzern erneut auf den ersten Platz der Wunscharbeitgeber (Platz zwei im allgemeinen Ranking). Der anhaltenden Beliebtheit verdankt das Unternehmen auch eine Fülle von Bewerbungen, die erst den nötigen Spielraum für das "konsensbasierte Recruiting" schafft, wie es Frank Kohl-Boas, Personalchef von Google Deutschland und Nordeuropa, nennt. Jeder der mindestens vier Interviewer muss zustimmen, sonst erhält der Kandidat kein Vertragsangebot. Den Cultural Fit bezeichnet Kohl-Boas als K.o.-Kriterium: "Die Bewerber müssen neugierig auf Probleme und Lösungen sowie geistig flexibel sein. Sie müssen bereit sein, ihr Wissen zu teilen. Sie müssen Leadership nachweisen können, indem sie sich schon einmal selbst Ziele gesteckt haben. Sie müssen mit Niederlagen umgehen können. Kann jemand bei sich keine Schwächen entdecken, ist er für uns nicht der richtige Kandidat." Daneben müsse das Fachwissen stimmen, von Softwareingenieuren erwartet Kohl-Boas großes Abstraktionsvermögen. Einsatzgebiete finden IT-Experten bei Google in München, wo sie am Browser Chrome oder der Datensicherheit arbeiten, oder in Lübeck, wo der Fokus auf Digitalisierung von Fotografie liegt. Derzeit hat Google in Deutschland rund 30 offene Stellen für Softwareingenieure, Produkt-Manager oder Vertriebsberater für Branchen wie Automotive.

Hart arbeiten trotz Schaumstoffbad

Obwohl das Unternehmen in keinerlei Personal-Marketing investiert, verbinden viele der befragten Young Professionals mit Google Work-Life-Balance und eine kollegiale Arbeitsatmosphäre - beides entscheidende Bestandteile, damit sich die Generation Y am Arbeitsplatz wohlfühlt. Um den Nachwuchs zu erreichen, lässt Google Bilder kunterbunter Bürolandschaften mit Rutschen und Pools aus Schaumstoffwürfeln sprechen. Meeting-Räume sind etwa als Gondeln oder Ruderboote gestaltet. Arbeiten als Kinderspiel? Davon ist das Unternehmen weit entfernt, betont Kohl-Boas: "Wir arbeiten gerne und oft sehr hart. Wir legen Wert darauf, dass sich unsere Mitarbeiter in den Büros wohl fühlen und hier gern ihre Zeit verbringen. Bei uns dürfen Mitarbeiter den Kicker auch nutzen, ohne sich vorher auszustempeln."

Zwischen den Erwartungen der Mitarbeiter und den Anforderungen des Unternehmens gibt es laut Kohl-Boas in der Praxis kaum Raum für Missverständnisse, was der Personalchef auf die ausgefeilte Personalauswahl zurückführt. Während im Silicon Valley der durchschnittliche Googler nur ein gutes Jahr bleibt, ist die Fluktuation laut Kohl-Boas in Deutschland und Nordeuropa nur gering. Konkrete Zahlen nennt er nicht.

Neben Google sind die großen Autohersteller für Young Professionals die Wunscharbeitgeber. BMW folgt im IT-Ranking hinter Google auf Rang zwei. "Den Münchnern gelingt es, besonders viele verschiedene Bewerbergruppen von sich zu überzeugen - Ingenieure ebenso wie Natur- und Geis-teswissenschaftler, Wirtschaftsabsolventen ebenso wie Informatiker oder Juristen", kommentiert Trendence-Mitarbeiterin Janzen das Ergebnis. Mit Audi und Porsche sind zwei weitere Autobauer in den Top Ten der IT-Arbeitgeber vertreten.

Langfristige Jobperspektiven

Vom guten Image der Branche profitieren auch Automobilzulieferer wie Bosch (Platz 13) oder ZF Friedrichshafen, der größte Aufsteiger im diesjährigen IT-Ranking (von Rang 55 auf Rang 25). Als Arbeitgeber für Informatiker wurde ZF Friedrichshafen in der Vergangenheit nicht so wahrgenommen, wie es der Größe des Unternehmens zukäme. "Unsere IT-Abteilung mit über 1000 Mitarbeitern weltweit ist größer als mancher mittelständische IT-Dienstleister und deckt nicht nur einen Ausschnitt, sondern alle Bereiche der IT ab", sagt Martin Frick, Leiter Personal-Marketing des Unternehmens. Spezialisten für Server- und Netz-infrastrukturen sind genauso im Einsatz wie SAP-Berater, die Systeme anpassen oder zum Beispiel mit der Logistikabteilung Fachkonzepte umsetzen. Aber auch in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen finden sich viele IT-Experten, die etwa eine elektronische Steuereinheit für die Getriebe programmieren.

Martin Frick, ZF Friedrichshafen: "UnsereIT-Abteilung hat weltweit mehr als 1000 Mitarbeiter."
Martin Frick, ZF Friedrichshafen: "UnsereIT-Abteilung hat weltweit mehr als 1000 Mitarbeiter."
Foto: ZF Friedrichshafen

Laut Frick, der früher selbst in der internen IT arbeitete und sich mit Social Media beschäftigte, gewann die Informationstechnologie in den vergangenen zwei bis drei Jahren immer mehr an Bedeutung. Heute stellt ZF Friedrichshafen jährlich im zweistelligen Bereich IT-Profis ein. Der Spezialist für Antriebs- und Fahrwerkstechnologie sieht sich trotz seiner Größe mit weltweit knapp 75.000 Mitarbeitern als bodenständig an, da er als Stiftungsunternehmen nicht vom Finanzmarkt abhängig ist. Die Jobperspektiven sind laut Frick langfristig angelegt, gegenwärtig werden SAP-Anwendungs- und Prozess-Management-Berater gesucht.

An Bewerber stellt ZF Friedrichshafen hohe Anforderungen. Frick: "Wir suchen Mitarbeiter, die leistungsbereit, aber auch teamorientiert sind sowie Spaß und Kreativität mitbringen. Anders als in kleinen Firmen, in denen ein IT-Experte als Generalist oft alles können sollte, gehen bei uns einige Expertenjobs sehr tief. In einem Großunternehmen ist interdisziplinäres Denken besonders gefragt, über die eigene Abteilung und den eigenen Standort hinaus. Dieses Denken kann man aber gut lernen."

"Führung ist eine Frage der Reputation"

Drei Fragen an Frank Kohl-Boas, Personalchef Google Deutschland und Nordeuropa:

CW: Was bedeutet Aufstieg bei Google?

Google-Personalschef Frank Kohl-Boas: "Eine gute Führungskraft sollte auch akzeptieren, dass ein Teammitglied etwas besser weiß als sie."
Google-Personalschef Frank Kohl-Boas: "Eine gute Führungskraft sollte auch akzeptieren, dass ein Teammitglied etwas besser weiß als sie."
Foto: Privat

Kohl-Boas: Bei uns muss man keine Führungskraft sein, um mehr Geld zu verdienen. Führung begreifen wir weniger als Hierachieebene denn als Privileg, das man sich hart erarbeiten muss. Um wirklich als Führungskraft anerkannt zu sein, braucht man die Reputation, Menschen führen zu können; es folgt nicht aus der Entscheidung der Organisation, diesen Status zu vergeben.

CW: Woran machen Sie diese Reputation fest?

Kohl-Boas: Ein guter Teamleiter lässt zum Beispiel auch seine Teammitglieder präsentieren. Für eine Führungsaufgabe kann sich auch empfehlen, wer neuen Mitarbeitern hilft, hier anzukommen.

CW: Was erwarten Sie von einer Führungskraft?

Kohl-Boas: Da unsere Welt immer komplexer wird, kann sich die Führungkraft nicht nur auf die eigene Erfahrung und Intuition verlassen, sondern sollte die Mitarbeiter verstärkt einbeziehen. Sie sollte auch akzeptieren, dass ein Teammitglied etwas besser weiß als sie. Letztlich muss die Führungskraft aber entscheiden und gleichzeitig dem Team die nötigen Freiräume einräumen.