Gemeinschaftsaktion zur Entwicklung eines ClM-Pilotprojekts, denn:

Für die kleinere und mittlere Industrie sind PPS Lösungen immer noch dünn gesät

31.03.1989

Zwar stand auch für sein Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Spiel, aber die interne DV-Ausgangssituation - Stichwort Insellösungen - war nicht gerade geschaffen für eine Umgestaltung, konstatiert Valentin Lambert*. Dennoch auf der Suche nach einer geeigneten Lösung machte er die Erfahrung, daß die Hersteller auf Kunden seines Zuschnitts. also kleine und mittlere Unternehmen, überhaupt nicht eingestellt sind.

Zwar wächst der Markt für Materialprüfmaschinen infolge wachsender Anforderungen, welche die Industrie an die verwendeten Materialien stellt; dennoch muß sich die Geschäftsleitung fragen, wie das Unternehmen angesichts eines wachsenden Kostendrucks in Zukunft wettbewerbsfähig gehalten werden kann. Die Antwort ist einfach: Leistungsfähigere Produkte, die noch besser die Anforderung des Kunden erfüllen; schnellere und pünktlichere Auftragsabwicklung, günstigere Stückkosten durch Ausbau des Marktanteils; gezielter Abbau von Beständen. Nicht so einfach ist es, diese Antwort in die Tat umzusetzen, betrachtet man die Ausgangssituation bei Zwick:

- Um die vielfältigen Kundenwünche rasch in Produkte umzusetzen, fehlte es an einer Unterstützung durch die EDV in der Entwicklung und Konstruktion.

- Das höhere Datenvolumen machte die manuelle Auftragsabwicklung aufwendig und umständlich.

- Die vorhandenen EDV-Systeme zur Unterstützung der Auftragsabwicklung und der Administration waren reine Insellösungen.

Es gilt also, die gesamte Auftragsabwicklung von der Anfrage bis hin zur Rechnung mit Hilfe der EDV wesentlich zu beschleunigen und die Systeme von der Entwicklung und Konstruktion über die Produktionsplanung und -steuerung bis hin zur Kostenrechnung und Finanzbuchhaltung so miteinander zu vernetzen, daß das heute aufwendige manuelle Umsetzen der Ausgabedaten des einen Systems in die Eingabedaten des anderen Systems entfällt. Solche durchgängigen Systeme - sie sollen im folgenden als CIM-Systeme bezeichnet. werden - sind heute allenfalls aus der Großindustrie, insbesondere von den Automobilherstellern, bekannt. Diese Systeme sind meist Eigenentwicklungen, die auf dem Markt nicht angeboten werden und die auch nicht für die Belange kleinerer und mittlerer Unternehmen geeignet sind.

Das Fehlen einer durchgängigen CIM-Lösung für die Klein- und Mittelindustrie war der Anlaß für Zwick, die Zusammenarbeit mit einem Systemhaus und einem Hardwarehersteller zu suchen, um in einem gemeinsamen Pilotprojekt ein eigenständiges CIM-Konzpet zu entwikkeln.

Die Firma Zwick plant, mit Unterstützung ihrer Partner Strässle Datentechnik GmbH, Stuttgart, und der Hewlett-Packard GmbH im Rahmen des ClM-Konzepts folgende EDV-Systeme einzuführen beziehungsweise - soweit sinnvoll - miteinander zu verknüpfen:

- Das PPS-System:

Das PPS-System umfaßt aus dem Leistungsspektrum von PSK2000 die Teilsysteme Konstruktion (Grunddatenspeicherung und -verwaltung), Materialwirtschaft (Materialdisposition und Einkauf),

Zeitwirtschaft und BDE/BDV (Betriebsdatenerfassung und -verarbeitung). Es wird ergänzt durch einen sogenannten CIM-Leitstand, der insbesondere die Werkstattsteuerung unterstützen soll.

- Die Entwicklung, Konstruktion und Arbeitsvorbereitung sowie Qualitätssicherung:

Für diese Teilsysteme sollen die Begriffe CAD/CAE (Konstruktion mechanisch/elektrisch: HP-ME10), CAM (Aufbereiten der Geometriedaten/NC-Programmierung), CAP (Unterstützung der Arbeitsplanerstellung, insbesondere Vorgabezeitermittlung) sowie CAQ (Qualitätsdatenverarbeitung) stehen.

- Das Finanz- und Rechnungswesen und das Personalwesen:

Hierzu gehören die bereits vorhandenen Systeme der Finanzbuchhaltung (DIBAC) und der Lohn- und Gehaltsabrechung (HP-PAS) sowie die Personaldatenerfassung, die durch eine mit der Auftragsdatenerfassung integrierte BDE/BDV-Lösung ersetzt werden soll.

- Die Unternehmensführung und der Vertrieb:

Hierunter fallen unter anderem die Kosten- und Erfolgsrechnung, die Programm- und Absatzanalyse (Führungs-Informations-System - FIS) sowie die Absatz- und Programmplanung, die kommerzielle Auftragsabwicklung und die Außendienst-Steuerung (PSK200-Teilsystem Vertrieb).

- Die Büroautomation und -dokumentation:

Hierher gehören die verteilt zum Einsatz kommenden und miteinander im System durch Electronic Mail verbundenen Personal Computer

Wenn im weiteren der Weg eines mittelständischen Produktionsunternehmens hin zu CIM beschrieben wird, so spielt dabei PSK2000 eine zentrale Rolle: Bildet doch das PPS den "roten Faden", der die an der Angebots- und Auftragsabwicklung beteiligten betrieblichen Funktionen - vom Vertrieb bis hin zum Versand - miteinander verknüpft. Das PPS liefert zudem die Informationen für die nicht unmittelbar an der Auftragsabwicklung beteiligten Funktionen: So zum Beispiel für die Kostenrechnung, die das PPS über den Materialverbrauch und die benötigten Zeiten informiert.

Das PPS bildet den roten Faden

Die wesentlichen mit dem Einsatz von PSK2000 und der Einbettung in ein CA-Umfeld verbundenen Ziele sind

- die Auftragsdurchlaufzeit (einschließlich Vorbereitungszeit) drastisch zu verkürzen,

- damit die Kapitalbindung (vor allem: Ware in Arbeit) zu verringern,

- die Termintreue zu verbessern,

- auf Marktschwankungen flexibler reagieren zu können,

- damit allgemein den Kunden besser bedienen zu können,

- das Personal von administrativen Arbeiten zu entlasten und damit ein kontrolliertes Wachstum des Betriebes ohne den Aufbau eines "Wasserkopfes" zu ermöglichen,

- die Kapazitäten gut auszulasten, ohne gleichzeitig Fertigungsstaus in Kauf nehmen zu müssen,

- das Management besser darüber zu informieren, ob produktiv und rentabel gearbeitet wird und wie das wirtschaftliche Ergebnis verbessert werden kann. An diesen Zielen wird zu messen sein, wie erfolgreich die ClM-Systeme eingeführt wurden und ob sich die hohen Investitionen ausgezahlt haben.

Die derzeitigen Arbeiten konzentrieren sich hauptsächlich auf die Einführung des PPS-Systems. PSK2000 ist ein Standard-System, das die Firma Strässle mit Unterstützung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie unter Mitwirkung zahlreicher Forschungsinstitute (darunter auch das IAO) für einen breiten Anwendungsbereich von Unternehmen der Fertigungsindustrie entwickelt hat. Das System realisiert Methoden der Produktionsplanung und -steuerung (wie die belastungsorientierte Auftragsfreigabe mit selbstlernenden Terminplanungsparametern). Um die nachgewiesenen Vorteile des Systems - kurze Durchlaufzeiten und niedrige Bestände - zu nutzen, ist es erklärte Aufgabe des CIM-Projekts, PSK2000 in das CA-Umfeld einzubinden und dabei eine "industrietypische" Lösung unter möglichst weitgehender Übernahme der Standardprogramme zu finden.

Anpassungen an kundenspezifische (in unserem Fall "zwickspezifisfische") Aufgabenstellungen waren und sind dabei unerläßlich. Die "zwickspezifischen" Anforderungen an das PPS-System wurden von Arbaitskreisen, die von Mitarbeitern der Firmen Zwick und Strässle gebildet wurden, erarbeitet und in beidseitig verbindlichen Pflichtenheften festgeschrieben. Die Arbeitskreise legten unter anderem die zu speichernden Informationen (insbesondere Artikelstamm- und Stücklistendaten) sowie die Zusatzfunktionen der Programme der Material- und Zeitwirtschaft fest.

Ein besonderes Augenmerk galt der Entwicklung von Schnittstellenprogrammen, die den Datentransfer zwischen den einzelnen Systemen übernehmen sollen. Hierzu gehören insbesondere

- die Schnittstelle CAD/PPS,

- die Schnittstelle PPS/Kosten- und Erfolgsrechnung,

- die Schnittstelle CAD/CAM (Geometriedatenübergabe),

- die Schnittstelle PPS/CAP (CAP bedeutet hier: Arbeitsplanerstellung/Zeitermittlung/Vorkalkulation),

- die Schnittstelle PPS/ZOLL (ZOLL: = Zolldatenspeicherung und -verarbeitung) .

So sorgfältig auch die Planung im Vorfeld der Einführung des PPS-Systems war - wie umfangreich die Aufgaben sind und welche Hindernisse zu überwinden sind, stellte sich erst im Projektverlauf heraus. Hier einige Beispiele:

- Bevor die Daten vom Vorgängersystem auf PSK2000 übernommen werden konnten, waren zahlreiche organisatorische Abläufe umzustellen, Nummernsysteme und Schlüsselfestlegungen zu ändern, Dispositionsmethoden festzulegen. So mußte man unter anderem einen Teil der Lagerplätze neu organisieren, die Arbeitsplätze anders gliedern, die Verfahren der Vorgabezeitermittlung ändern - was letztlich auch das Entlohnungssystem beeinflussen wird.

- Als besonders nachteilig erwiesen sich dabei eine Reihe von zwickspezifischen Systemerweiterungen die mit den in PSK2000 verwendeten Methoden nicht oder nur schwer in Einklang zu bringen waren, so zum Beispiel die Ersatzteilkennung in Stücklisten oder die Stücklistenspeicherung in Arbeitsplänen.

- Aus technischen Gründen konnten wichtige Daten - die für laufende Aufträge reservierten Bestände - nicht mit in PSK2000 übernommen werden. Hätte man nun die Materialdisposition von PSK2000 schrittweise Funktion für Funktion (zum Beispiel beginnend mit der Bestandsführung über den Einkauf und den Wareneingang zur Brutto/Nettobedarfsrechnung) übernommen - der Disponent hätte über einen langen Zeitraum nicht erkennen können, ob das für einen neuen Auftrag benötigte Material am Lager verfügbar oder schon für andere Aufträge eingeplant gewesen wäre.

- Zu einem Zeitpunkt, an dem die an PSK2000 angrenzenden Systeme noch nicht vollständig definiert waren, mußten bereits die Schnittstellen festgelegt werden, so zum Beispiel die Schnittstelle Zeitwirtschaft/CAP.

Um diese Probleme zu lösen, wurden die folgenden Maßnahmen ergriffen: Die Einführung der Materialwirtschaft erfolgt nun auftragsweise, das heißt beginnend vom Einführungszeitpunkt wickeln die Sachbearbeiter neue Aufträge vollständig im System PSK2000 ab. Die vor dem Einführungszeitpunkt eingeplanten Aufträge werden noch in MM3000 abgewickelt. Auf diese Weise wird eine Doppelarbeit vermieden, der Einführungszeitraum verkürzt und die Datenaktualität sichergestellt, die bei funktionsweiser Übernahme für das neue, zunächst nicht operative System problematisch ist. Neben umfangreichen systemspezifischen Schulungen wurde auch ein breitangelegtes Programm zur Weiterqualifizierung entwickelt, das allgemeines betriebswirtschaftliches Methodenwissen vermitteln und die Mitarbeiter auf die künftig eingesetzten komplexen Systeme und Abläufe vorbereiten soll. Zu den Themen dieses Schulungsprogramms gehören der Einsatz des Rechners für die Arbeitsplanung, die Kapazitätsplanung und die kurzfristige Fertigungssteuerung ebenso wie die Möglichkeiten der Rüstzeitoptimierung, moderne Entlohnungsformen, Logistik- und JIT-Methoden.

Die Entscheidung, ein komplexes PPS einzuführen, das PPS in ein komfortables Umfeld von CA-Komponenten wie CAD, CAM, CAP und CAQ einzubetten und das PPS mit dem administrativen System zu verbinden ist für einen Mittelständler sicherlich nicht einfach zu fällen.

Das Unternehmen

Die Zwick Materialprüfung GmbH & Co. mit Sitz in Ulm-Einsingen ist Hersteller von Materialprüfmaschinen. Mit Zirka 420 Mitarbeitern in den werken Ulm-Einsingen und Lauda-Königshofen ist Zwick ein typischer Vertreter des Mittelstands. Zwick liefert Prüfmaschinen und Prüfgeräte zur Bestimmung des Verhaltens fester Werkstoffe bei mechanischer und mechanischtermischer Belastung; dabei werden vielfältige genormte und neu entwickelte Prüfverfahren zum Beispiel für Zug-, Biege- und Weschsellastprüfungen angewendet. Rund 95 Prozent des Umsatzes von zirka 75 Millionen Mark entfallen auf nach Kundenwunsch hergestellte Prüfanlagen, die weitgehend aus Standardkomponenten produziert Zwick in kleinen Serien nach dem Werkstattprinzip.