Fuer das Mainframe-orientierte Denken der Systemkunden Windows NT: Imponieren mit Funktionen aus der Host-Welt Von Susanne Mueller-Zantop*

28.05.1993

Am 24. Mai war es soweit: Microsoft hat Windows NT angekuendigt. Aeusserer Anlass war die Eroeffnung der Fruehjahrs-Comdex mit angegliederter Windows- und OS/2-Show. Es besteht kein Zweifel, dass Microsoft nicht eher ruhen wird, bis das von OS/2 besetzt gehaltene Terrain erobert ist.

Dies Ziel setzt laut Steven Ballmer von Microsoft zweierlei Ueberzeugungsarbeit voraus: Erstens bei OS/2-Entwicklern, sich lieber Windows NT zuzuwenden, zweitens bei OS/2-Kunden, von der IBM-Welt abzulassen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die technischen Funktionen, die Microsoft bieten muss, um trotz des Mainframe-orientierten Denkens der Systemkunden Interesse zu wecken. Deshalb haben die nachfolgend aufgefuehrten Funktionen, die dem Administrator mit Windows NT und dem Microsoft Advanced Server zur Verfuegung stehen, besonderes Gewicht fuer die Argumentation um die bessere Loesung.

Benutzergruppen lassen sich Domain-weit, das heisst ueber mehrere Netze hinweg, festlegen und mit ihren Privilegien hinsichtlich Zugriffszeiten und Dateizugriffen genau definieren. Die Gruppen koennen auch geschachtelt werden, so dass sich Rechte und Pflichten vererben lassen, wenn ein Mitglied oder eine Gruppe hinzugefuegt wird.

Der "Performance Monitor" macht es moeglich, ausgesuchte Aktivitaeten in den Netzen zu ueberwachen. Dabei werden diese Events ueber einen frei zu definierenden Zeitraum hin grafisch aufgezeichnet und abgespeichert. Hierbei kann es sich um die CPU- Auslastung, Plattenzugriffe, Swapping etc. handeln. Alle Werte koennen fuer saemtliche Server oder Workstations in den Netzen ermittelt werden. Dazu ist es nicht notwendig, dass der Administrator an seiner eigenen Workstation sitzt.

Mit dem grafischen "Event Viewer" wird eine Liste von Ereignissen erzeugt, die vorher als zu beobachten festgelegt worden sind. Solche Ereignisse koennen Login-Logout-Vorgaenge oder aber bestimmte Platten- beziehungsweise andere Datentraegerzugriffe sein, man kann bis auf Dateiebene heruntergehen. Die Events werden Domain-weit ueber mehrere Netze hin beobachtet.

Die "Alert"-Funktion warnt den Administrator, wenn Ereignisse auftreten, die zuvor definiert worden sind. Dies koennen Performance-Werte sein oder aber unerlaubte Dateizugriffe beziehungsweise Zugriffsversuche. Ueber diese Funktion kann ansatzweise ein vorbeugendes Netzwerk-Management aufgebaut werden, das nicht korrektiv, sondern praeventiv arbeitet. Die Alerts erreichen den Administrator uebrigens via Microsoft Mail, was zeigt, dass die enge Verzahnung zwischen Betriebssystem und Anwendungen auch sein Gutes hat.

Die Festplatten-Administration wurde deutlich verbessert. Sie traegt jetzt der Tatsache Rechnung, dass wesentlich groessere und mehr Datentraeger in den Netzen verwaltet werden muessen. Man bemueht sich um die voellige Trennung zwischen physischer und logischer Plattenorganisation, das heisst, eine logische Platte kann wie bisher viele physische Laufwerke umfassen und eine physische Platte mehrere logische Platten enthalten.

Das neue Dateisystem NT File System (NTFS), das sich recht gut mit dem bisherigen File Allocation Table (FAT) vertraegt, kennt erstmals in der PC-Geschichte von Microsoft lange Dateinamen. Fuer den Fall, dass eine NTFS-Datei fuer alte Windows-Benutzer exportiert werden soll, fuehrt NT bei jeder Datei einen kuenstlich generierten achtstelligen Dateinamen mit, der bei Bedarf offengelegt wird. Konvertierung etc. erfolgen ohne Eingriffe des Benutzers. Innerhalb des NTFS koennen nicht nur Directories, sondern auch einzelne Dateien vor Zugriffen durch Unbefugte geschuetzt werden.

Fuer jeden Benutzer wird ein "User Profile" angelegt, das das uebergreifende "System Profile" mit individuellen Parametern ergaenzt und ueberschreibt. Es enthaelt zum Beispiel die Lokation der individuellen "INI"-Dateien, die Beschreibung der Home Directories, die individuelle Autostart-Gruppe und die Angaben ueber die Programmverzeichnisse. Ueber die Systemanmeldung (Single Logon soll moeglich sein) greift der Benutzer auf das User Profile zu. Wenn das System optimal installiert ist, muss er sich dazu nicht an seinem Arbeitsplatz oder innerhalb seines eigenen Netzes befinden.

Ausserdem ist es nun nicht mehr notwendig, aus Sicherheitsgruenden auf den Einbau von lokalen Diskettenlaufwerken oder Festplatten zu verzichten. NTFS verweigert alle Versuche normaler Anwender, das System von einer Diskette aus zu booten.

Etwa 50 Prozent aller amerikanischen Microsoft-Mitarbeiter haben inzwischen ihre Workstations fuer die taegliche Arbeit auf NT umgestellt, in Deutschland sind es zirka zehn Prozent mit steigender Tendenz. Die Umstellung von Xenix-Servern zum Advanced Server erfolgt schrittweise.

*Susanne Mueller-Zantop ist Herausgeberin des PC-Newsletters "TidBits". Ihr

gehoert die Beratungsfirma MZ Projekte in Muenchen.