Das Internet kann eine Alternative zu den Carriern sein

Für Anwender startet der TK-Wettbewerb verspätet

09.05.1997

Während die privaten Carrier - angesichts der TK-Ambitionen zahlreicher Kommunen wäre es wohl eher angebracht, von alternativen Telecoms zu sprechen - bereits ungeduldig in den Startlöchern harren, um der Telekom ihre Pfründe abzujagen, mahlen die Mühlen der Politik langsam. Der Regulierer, wie das zuständige Bundesministerium für Post und Telekommunikation (BMPT) im TK-Deutsch heißt, und die Telekom scheinen sich absichtlich auf Scheingefechte einzulassen und so auf Zeit zu spielen. Dieser Eindruck entstand zumindest auf dem "Telekom-Kongreß 97" in München.

Auf der Veranstaltung des Institute for International Research, Sulzbach, schoben sich Telekom und Regulierer gegenseitig den Schwarzen Peter für die fehlenden Interconnection-Vereinbarungen zu, so die Bezeichnung für den Übergang zwischen den Carrier-Netzen im Fachjargon. Peter Quander, Ministerialrat im BMPT in Bonn, verteidigte die Politik. Mit dem Telekommunikationsgesetz sowie der Netzzugangsverordnung habe der Regulierer dafür gesorgt, daß die alternativen Carrier ihren Sprachverkehr auch über die Netze der Telekom weiterleiten könnten. Somit gebe es keine Hindernisse für Verhandlungen über entsprechende Verträge, die letztlich eine Angelegenheit der betroffenen Carrier seien.

Die Telekom dagegen wirft dem BMPT vor, durch die Vorschrift, derzufolge sie mit jedem Carrier einzeln verhandeln müsse, schuld am zähen Fortgang der Vertragsgespräche zu sein. Angesichts dieses Ränkespiels fürchten bereits etliche Vertreter der alternativen Telecoms, daß die Gerichte demnächst viel Arbeit bekommen könnten.

Die Verzögerungstaktik ist für die Telekom durchaus erfolgversprechend: Ohne abgeschlossene Interconnection-Vereinbarungen können die Alternativen keinen Business-Plan aufstellen und bekommen kein Geld von den Banken, wie Frank Wolfram Günther, Vice President Koordination Telekommunikationsprojekte bei der Citibank in Frankfurt, erklärte. Eine Zwickmühle, an der sicherlich der eine oder andere ehrgeizige TK-Plan mancher Kommune scheitern dürfte. "Diese", so Günther provokant, "würden nur allzu gerne als moderne TK-Raubritter ihre leeren Stadtsäckel füllen." Dieses Problem dürften die großen Telekom-Wettbewerber wie Viag Intercom oder Arcor mit ihren finanzstarken Müttern nicht haben.

Trotz der zögerlichen Interconnection-Verhandlungen, die Lutz Meyer-Scheel, Sprecher der Geschäftsführung bei Viag Intercom, schlicht als "ätzend" bezeichnete, will das Unternehmen der Deutschen Telekom bereits ab Mai nächsten Jahres kräftig Dampf machen.

Dann, so Meyer-Scheel, werde man ISDN-Endanschlüsse anbieten, die 20 bis 30 Prozent billiger seien als die Telekom-Angebote. Auch wenn dies ein erster Schritt zum Abbau des Telekom-Monopols im Endkundenbereich ist, rechnet der Viag-Manager damit, daß nach der Freigabe des Marktes der "regulatorische Unsinn" zwei Jahre weitergeht.

Michael Voell, Bereichsleiter Medien bei der Bertelsmann-Tochter Telemedia GmbH, ist das egal. Dank der seit Januar 1993 geltenden Corporate-Network-Bestimmungen, die für Unternehmen und geschlossene Benutzergruppen gelten, kann er nämlich bereits heute TK-Leistungen dort einkaufen, wo sie am billigsten sind. "Wir merken den Wettbewerb, denn die Carrier geben sich bei uns die Klinken in die Hand, um unseren TK-Etat zu bekommen", reibt sich Voell die Hände. Zur Zeit mietet das Unternehmen seine Kapazitäten für die Sprach- und Datenkommunikation primär bei der Telekom an. Durch den Einsatz moderner Technik wie Multiplexer oder Kompres- sionsverfahren kann Telemedia dann seine Leistungen billiger anbieten, als das Unternehmen sie einkauft. Ab Herbst dieses Jahres will Telemedia dann mit einem eigenen Telefondienst aufwarten.

Neben der Corporate-Network-Regelung (in diesem Bereich werden derzeit etwa fünf bis acht Prozent des TK-Umsatzes erwirtschaftet) haben Anwender, die bereits vor der endgültigen Freigabe des Festnetzes ihre Kosten senken wollen, noch andere Möglichkeiten: Beispielsweise den Einsatz des Internets mit seiner unternehmensinternen Spielart Intranet. Dabei dürfte das Internet, wie selbst Viag-Manager Meyer-Scheel einräumt, in einem deregulierten Markt ein wichtiger Wettbewerbsfaktor sein, "wie er vor einem Jahr noch nicht zu sehen war". Auch Cordula Willems, Beraterin bei der Eutelis Consult GmbH in Ratingen, sieht das Internet, klassisch im Bereich der Datenkommunikation angesiedelt, mit Angeboten wie der Internet-Telefonie in das angestammte Sprachkommunikationssegment vordringen. Zwar läßt die Sprachqualität heute noch zu wünschen übrig, doch mit verbesserter Technologie und höheren Bandbreiten könnte sich das globale Netz durchaus als Konkurrent der klassischen Kommunikationsnetze etablieren.

Eine andere Rolle nimmt dagegen der Vorschlag von Beraterin Willems ein, mit Intelligent Networks (IN) die Kosten zu senken. Im eigentliche Sinne stellt das IN nämlich keine Infrastruktur wie Internet oder Corporate Networks dar, sondern eine Diensteplattform. Das Einsparpotential liegt hier vor allem im Netz-Management sowie bei der Anschaffung von Endgeräten. So könnte ein Unternehmen beispielsweise auf eine eigene TK-Anlage verzichten, da im IN deren Funktionen vom Carrier angeboten werden. Künftig ist auch die Bereitstellung von Diensten wie Video-Abfrage, Teleshopping, Multimedia-Konferenzen oder Fernkursen vorstellbar.

TK-Dienste notfalls outsourcen

Dabei hätte der Anwender vor allem den Vorteil, daß er diese Services nicht selbst verwalten müßte. Zusätzlich, so Willems, sei ein Unternehmen beim IN-Einsatz flexibler, da bei Bedarf für bestimmte Projekte vom Carrier schnell ein virtuelles privates Netz (VPN) im öffentlichen Netz geschaltet werden könne.

Letztlich läßt sich nach Meinung der Beraterin aber keine eindeutige Empfehlung für eine der drei Netzarten abgeben. Corporate Network, IN oder Intranet, hier müsse der Anwender je nach Einsatzszenario individuell entscheiden (siehe Grafik).

Einen anderen Weg, die TK-Kosten zu senken, schlug die Deutsche Bau- und Bodenbank AG ein: Sie entschied sich vor acht Jahren für einen Outsourcer. Ein Entschluß, den das Unternehmen bis heute nicht bereut, denn man wollte, so Abteilungsdirektor Peter Freudenthal, "TK-Dienstleistungen wie Strom aus der Steckdose" haben. Laut Freudenthal sanken in Zusammenarbeit mit der Info AG als Outsourcer die TK-Kosten um rund 15 Prozent. Neben den Einsparungen schätzt der Manager aber vor allem die Möglichkeit, sich wieder voll auf die Kerngeschäftsfelder zu konzentrieren, statt sich mit DV- beziehungsweise TK-Problemen abzumühen.

Nützliche Nebeneffekte seien unter anderem eine Verbesserung des Service. Störungen würden schneller behoben, und man habe es bei Problemen nur noch mit einem Ansprechpartner zu tun, der am roten Telefon über einen festgelegten Eskalationsplan verfüge. Wie Beraterin Willems warnt aber auch Freudenthal vor einer generellen Bewertung. "Die Einschätzung, ob ein betimmter Weg richtig oder falsch ist", rät der Banker den Anwendern, "kann stets nur individuell aus der Sicht des jeweiligen Betrachters erfolgen.