Baukastensystem hilft bei der Berechnung des DV-Gehalts

Führungsverantwortung spielt eine überdurchschnittliche Rolle

15.11.1991

HAMBURG (hk) - Mit einem neuen Gehaltsmodell wollen Professor Ernst Zander und der Unternehmensberater Stefan Rohr Transparenz in die DV-Welt bringen. Auf der Grundlage einer Vergütungsumfrage unter DV-Spezialisten Kellen die beiden Hamburger ein Baukastensystem zusammen, nach dem sich jeder Computerexperte individuell sein Gehalt errechnen kann. Die CW hat aufgrund dieses Modells zwei fiktive aber praxisorientierte Beispiele errechnet.

Nach Auffassung der beiden Verfasser der Studie gilt die Gehaltsfindung und deren Bemessungsgrundlagen in der noch jungen DV-Welt als eher durchsichtig. Auch reine Gehaltsvergleiche seien nicht besonders aussagefähig. Rohr zweifelt nicht an der Seriösität der Kienbaum-Studien, meint aber, daß der Interpretation dieser Untersuchung Tür und Tor geöffnet sei, weil sie nicht konkret genug würden.

Notwendig sei nach Rohrs Auffassung neben der Gewichtung persönlicher Faktoren eine Analyse unter Berücksichtigung der DV-spezifischen Kriterien, etwa Rechnertechnik, Funktion, Branche oder Stellenwert der DV im Unternehmen.

Im Rohrschen Gehaltsschema müssen folgende Faktoren für eine Gehaltsfestsetzung berücksichtigt werden:

- personenbezogene Einflüsse,

- Führungsverantwortung,

- örtliche und regionale Einflüsse,

- unternehmensbezogene Einflüsse,

- Tätigkeits- und Funktionsmerkmale sowie

- technische Einflüsse.

Zu den personenbezogenen Einflüssen zählen die Hamburger Lebensalter, DV-Praxiserfahrung, Ausbildung sowie Spezialkenntnisse. Bei den unternehmensbezogenen Einflüssen spielten vor allem die Branche, die Größe des Betriebes sowie der Stellenwert der DV im Unternehmen und ihre Bedeutung für den Erfolg des Unternehmens eine wichtige Rolle. Vorrangig war laut Rohr dabei die Klärung der Frage, welche Faktoren in welcher Gewichtung ein DV-Gehalt beeinflußen.

Anhand zweier fiktiver Beispiele wollen wir zeigen, wie Rohr und Zander bei ihrem Baukasten-Modell vorgegangen sind.

Zunächst ermittelte die Studie ein Basisgehalt anhand des Lebensalters und der Anzahl der Jahre Berufspraxis. Alle nachfolgenden Bausteine enthalten einen Prozentwert, der zum Basiswert addiert öder von ihm subtrahiert wird.

Wieviel verdient also der DV-Leiter Charly Chaos in Frankfurt oder der Anwendungsprogrammierer Egon Endlosschleife in Bielefeld.

Für den 38jährigen Charly Chaos mit seinen elf Jahren Berufserfahrung haben Rohr und Zander ein Basisgehalt von 78 500 Mark errechnet. Das Basisgehalt des 27jährigen Egon Endlosschleife mit seinen vier Jahren Berufserfahrung beträgt 67 300 Mark. Weil Herr Chaos ein Studium der Betriebswirtschaft absolviert hat, erhält er einen Zuschlag von sechs Prozent.

Egon ist Bürokaufmann und über eine Umschulung in die DV-Welt gerutscht. Für ihn gibt es bei Baukasten zwei keinen Zuschlag.

Baukasten drei bezieht sich auf DV-Tätigkeiten beziehungsweise Berufsbilder, gilt aber nicht für Führungskräfte. Hier erhält unser Programmierer, der in der Großrechnerwelt arbeitet, einen Zuschlag von 5,2 Prozent. Würde er in der Mittleren Datentechnik beschäftigt sein, gäbe es ein Plus von nur 1,1 Prozent, und in der Welt der Personal Computer müßte Egon sogar mit einem Abzug von 3,2 Prozent rechnen.

Charly Chaos ist Chef in der Großrechnerwelt, führt zehn Mitarbeiter und erhält dafür einen Zuschlag von 29,5 Prozent.

Sein Kollege in der MDT darf mit einem Plus von 27,3 Prozent rechnen, während der PC-Chef mit 7,2 Prozent Aufschlag viel schlechter wegkommt. Diese Zahlen beziehen sich auf den DV-Bereich Organisation.

Ein weiterer Baustein bezieht sich auf die Frage nach dem Stellenwert der DV im Unternehmen und der Bedeutung der DV für den Erfolg des Betriebes. Charly Chaos als DV-Leiter bei einem Anwender ist realistisch und definiert den Stellenwert der DV für den Erfolg seines Arbeitgebers nur in Teilbereichen als bedeutend. Das ergibt laut Studie ein Minus von 1,2 Prozent. In Egons Unternehmen, einem mittelständischen Softwarehaus, hat die DV naturgemäß einen hohen Stellenwert macht laut Tabelle ein Plus von vier Prozent.

Kleine Firmen zanken oft mehr

Wie bereits oben erwähnt, hat laut Studie auch die Branchenzugehörigkeit einen Einfluß aufs Gehalt. So muß Charly Chaos als Mitarbeiter der Chemiebranche einen Abstrich von 3,2 Prozent machen, Egon Endlosschleife verbucht als Beschäftigter eines Softwarehauses ein Plus von 1,2 Prozent. Als attraktivste Branchen gelten nach der Hamburger Untersuchung Hardwarehersteller, Verlage und Medien, DV-Beratungsunternehmen sowie die Elektronikindustrie.

Die Mitarbeiterzahl des Unternehmens beinflußt wie folgt das Gehalt der beiden DV-Profis: Der DV-Leiter arbeitet in einem Betrieb mit rund 300 Beschäftigten, macht laut Tabelle ein Plus von 0,5 Prozent. Der Programmierer arbeitet in einem kleinen SW-Haus mit etwa 40 Beschäftigten, ergibt ein Plus von 1,9 Prozent.

Alle Bausteine müssen berücksichtigt werden

Allgemein ist zu diesem Baustein anzumerken, daß die größten Gehaltszuwächse bei den kleinen Firmen, bis 20 Beschäftigte, und bei den Großen mit mehr als 10 000 Beschäftigte zu verzeichnen sind.

Was die Region betrifft, kann man der Untersuchung entnehmen, daß die Arbeitgeber in strukturschwachen oder schwerindustriellen Gegenden schlechter zahlen als in Gebieten mit einer modernen Industrie- und Dienstleistungslandschaft. Arbeitgeber greifen tiefer in die Taschen in Großstädten als ihre Kollegen in Kleinstädten, allerdings sind die Zuwächse laut Tabelle minimal, etwa 1,2 bis 3,6 Prozent.

In der Großstadt Frankfurt darf Charly Chaos mit einem Plus von 1,4 Prozent rechnen, Egon Endlosschleife in Bielefeld mit minus 0,5 Prozent.

Rohr weist ausdrücklich darauf hin, daß die Gesamtberechnung nur korrekt sei, sofern alle angegebenen Bausteine einbezogen werden. Zudem seien alle Werte zu addieren, um erst danach mit dem Basisgehalt verrechnet zu werden. Herr Chaos verdient demnach 104 405 Mark und Herr Endlosschleife 75 241 Mark. Der große Gehaltssprung ergibt sich in erster Linie aus der Führungsverantwortung des DV-Leiters.

Die Erkenntnisse der Studie basieren auf Angaben von etwa 10 000 DV-Spezialisten und -Führungskräften, vom Arbeitsvorbereiter bis zum DV-Chef. Die Untersuchung enthält zudem detaillierte Positionsbeschreibungen zu den gängigen DV-Berufen.