Personal- und Fortbildungsplanung sollte synchron zur DV-Entwicklung erfolgen:

Führungsstil und Motivation gewinnen künftig an Bedeutung

16.09.1988

*Dr. Wolfgang Lichius ist Bereichsleiter bei der Kienbaum Personalberatung GmbH in Gummersbach. Frau Dr. Gisela Seggebruch ist ebenfalls dort tätig.

Der Bedarf an qualifizierten Führungskräften ist nach wie vor sehr hoch und wird - im Gegensatz zur Nachfrage nach "nur" DV-Fachleuten - weiterhin steigen. Deshalb werden in den Unternehmen Überlegungen angestellt, wie Mitarbeiter im Sinne einer "Mischqualifikation" nicht nur weitergebildet, sondern auch gehalten werden können. Auch wird die Motivation der Mitarbeiter immer wichtiger.

In den letzten Jahren erfolgte in den DV- und Organisationsabteilungen der Unternehmen eine erhebliche Aufstockung des Personalbestandes. Aus einer DV, die in vielen Betrieben zunächst als isoliertes Werkzeug beispielsweise nur im kaufmännischen Bereich oder in der Technik ohne Verknüpfung mit anderen Abteilungen eingesetzt wurde, entwickelt sich nun auch in kleineren Unternehmen ein integriertes Planungs- und Steuerungssystem, das zur Verzahnung bisher getrennter Aufgabenbereiche führt.

Die "Dienstleistung", die von der DV- und Organisationsabteilung im Unternehmen erwartet wird, hat ihren Schwerpunkt zunehmend in der Systemanalyse, -entwicklung und

-vernetzung und in der Erarbeitung und Anpassung spezieller Anwendungssoftware. Als Gesprächspartner für die Lösung unternehmensinterner DV-Probleme ist somit ein Fachmann gefragt, der aufgrund seiner Qualifikation und Erfahrung Zugang zu den fachspezifischen Anforderungen der einzelnen Abteilungen im kaufmännischen, vertrieblichen oder technischen Bereich hat.

Für die Personalplanung bedeutet dies, daß der klassische DV-Spezialist, der relativ isoliert innerhalb seiner Abteilung die Fachkompetenz repräsentiert, immer weniger gefragt ist.

Zunächst war er gesucht, da der Schwerpunkt bei der Integration der DV in den Unternehmen sicherlich darauf lag, die passende Hardware auszuwählen, zu installieren, funktionsfähig zu halten und weitgehend mit Standardsoftware zu versorgen. Selten verfügte der DV-Mitarbeiter über eine Zusatzqualifikation im kaufmännischen oder technischen Bereich.

Seit die Datentechnik ihren "Elfenbeinturm" verlassen hat und die Fachabteilungen die Computerunterstützung in immer stärkerem Maße nutzen, wächst die Bedeutung der sogenannten "Mischberufe", das heißt neben dem Fachwissen als Informatiker sind fachspezifische Qualifikationen - kaufmännisch oder technisch - gefragt. Für einen DV-Mitarbeiter besteht daher zukünftig die Notwendigkeit, sich zusätzlich außerhalb der DV weiterzubilden. Umgekehrtes gilt natürlich auch für Nichtinformatiker, die ein DV-Grund- und Anwendungswissen erwerben müssen, um sich in einem modern geführten Unternehmen entwickeln zu können.

Für jedes Unternehmen bedeutet dies, bei der derzeit immer noch angespannten Personalmarktlage bezüglich der DV-Spezialisten frühzeitig Maßnahmen zur Personalentwicklung und gegebenenfalls -beschaffung aufzubauen. Die Personal- und Fortbildungsplanung sollte synchron zur Entwicklung der DV als integriertem Steuerungs- und Informationssystem erfolgen.

Voraussetzung dafür ist eine Analyse der zukünftigen Anforderungen an die Mitarbeiter bezüglich der DV und eine Einschätzung des kommenden Qualifikationswandels im Unternehmen. Hilfreich ist der Aufbau eines Personalinformationssystems, das Aufschluß darüber gibt, welche DV-Qualifikation bereits bei den Mitarbeitern außerhalb der DV-Abteilungen vorhanden ist, beziehungsweise welches zusätzliche Fachwissen DV-Mitarbeiter aufweisen. Dieses gibt Aufschluß über das im Unternehmen vorhandene Potential und zeigt Lücken auf, die durch die nachstehend beschriebenen Personalentwicklungsmaßnahmen oder durch Rekrutierungen geschlossen werden müssen.

Der nächste Schritt beinhaltet die Konzeption eines Personalentwicklungssystems, das jedem einzelnen - für höher qualifizierte Aufgaben in Frage kommenden - Mitarbeiter die Möglichkeiten eines beruflichen Fortkommens im Unternehmen aufzeigt. Dazu gehört im einzelnen die Analyse seines Qualifikationsstandes, seines Fachwissens, seiner Weiterbildungsmöglichkeiten und die Erörterung der sich daraus ergebenden Zukunftsperspektiven im Unternehmen. In diese persönliche Karriereplanung sollte nicht nur die Personalabteilung, sondern auch der Linienvorgesetzte einbezogen sein. Als Beispiel ist der klassische DV-Spezialist zu nennen, der Interesse hat, sich im Controlling weiterzubilden, oder der Mitarbeiter der Organisationsabteilung, der sich über eine Programmierausbildung zum Datenbankspezialisten entwickeln möchte.

Der Weiterbildung ist ein sehr hoher Stellenwert beizumessen. In den letzten Jahren ist deutlich sichtbar geworden, wie der Bedarf an Schulungsmaßnahmen für die DV gewachsen ist. Das externe Bildungswesen ist momentan jedoch auch etwas überfordert bezüglich einer wirklich qualifizierten Fortbildung und kann außerdem nicht auf die speziellen Probleme eines Unternehmens abheben. Insoweit ergeben sich zwei Möglichkeiten, ein größeres Weiterbildungsangebot im eigenen Betrieb zu schaffen. Einmal die Einstellung eigener Dozenten oder die Einbeziehung fachlich hochqualifizierter Führungskräfte in Schulungsaktivitäten durch eine entsprechende Lehrausbildung.

Prämienregelung für DV-Spezialisten einführen

Mit gezielten Weiterbildungsmaßnahmen in einem Unternehmen ist es jedoch nicht getan. Der Bedarf an doppelt qualifizierten Führungskräften und Spezialisten ist nach wie vor sehr hoch und wird in den nächsten Jahren - im Gegensatz zur Nachfrage nach "nur" DV-Spezialisten - weiterhin steigen, so daß in den Unternehmen auch Überlegungen angestellt werden müssen, wie Mitarbeiter im Sinne einer "Mischqualifikation" nicht nur aus- und weitergebildet, sondern auch gehalten werden können.

Aus den vielen Faktoren zur Motivation von Fachkräften in der DV seien einige herausgegriffen. Wie schon erfolgreich in einigen Unternehmen erprobt, erscheint die Einrichtung einer sogenannten Parallel-Laufbahn, die Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für Fachkräfte und Spezialisten bietet, sinnvoll. Nicht nur für die Linien-, sondern auch für Stabspositionen sollten Aufstiegsperspektiven für ambitionierte Mitarbeiter gegeben sein.

Auch hat sich in einer unserer Untersuchungen herausgestellt, daß die Sozialleistungen zur Motivation und Bindung eines Mitarbeiters an das Unternehmen erheblich an Bedeutung gewinnen. In dem Maße, wie die sogenannte "Turnschuh"-Generation verschwindet, wird den Gehaltsnebenleistungen ein größeres Gewicht durch den einzelnen Mitarbeiter zugeordnet, besonders dann, wenn ein flexibles, bedarfsorientiertes, eventuell auf die Altersgruppe abgestimmtes Sozialleistungsangebot besteht. Auch sollte man Überlegungen anstellen, inwieweit bei Mitarbeitern des Stabes der Arbeitserfolg gemessen werden kann und Anerkennungsmaßnahmen, die traditionell bisher nur Linienmitarbeitern vorbehalten waren, ergriffen werden können. So ist durchaus denkbar, im Rahmen einer Prämienregelung herausragende Leistungen auch für Spezialisten und Stabsleute zu entlohnen.

Schließlich sind auch Unternehmensatmosphäre und Führungsstil

als Einflußfaktoren von Bedeutung. Das Führungs- und Kommunikationsverhalten ist gerade im DV-Bereich als sehr kooperativ ausgerichtet und zeitweise auch unkonventionell einzuschätzen. Auch wenn inzwischen sicherlich eine Anpassung vollzogen wurde, so sollte man jedoch nicht die Bedeutung einer durch Kooperation, Offenheit, fachliche Überzeugung und geringes hierarchisches Bewußtsein geprägten Führungsphilosophie bei der Bindung qualifizierter Mitarbeiter unterschätzen. Das bedeutet, daß Führungskräfte im Unternehmen auch bezüglich der Anleitung, Kontrolle und Motivation ihrer Mitarbeiter entsprechend geschult werden müßten.

Direkte Kontakte zu Universitäten knüpfen

Selbstverständlich kann der gesamte Bedarf an Fachkräften nicht aus den eigenen Reihen rekrutiert beziehungsweise ein Ausscheiden von Mitarbeitern verhindert werden. Ein Unternehmen muß sich immer wieder an den Personalmarkt wenden. Dort sind berufserfahrene Führungskräfte und Spezialisten wie auch Nachwuchsmitarbeiter sicherlich nicht nur durch gute Gehälter und Sozialleistungspakete zu gewinnen, sondern das Image eines Unternehmens und die Art der Selbstdarstellung am Markt spielen bei der Entscheidung eines potentiellen Mitarbeiters eine große Rolle. In der Personalarbeit sollte deshalb die optimale Präsentation des Unternehmens am Bewerbermarkt als wichtiger Faktor zur Förderung von Rekrutierungsmaßnahmen berücksichtigt werden. Speziell Nachwuchsmitarbeiter können über direkte Kontakte zu Universitäten gewonnen werden. Um Zugang zu jungen Akademikern zu gewinnen, bietet es sich an, Praktikumsplätze zu schaffen, Diplomarbeits- und Dissertationsthemen zu vergeben und diese Studenten intensiv zu betreuen. Hierin drückt sich eine innovative und offene Einstellung eines Unternehmens aus, was einen größeren Anreiz für qualifizierte junge Leute, die in den meisten Fällen noch Alternativen bei der Positionswahl haben, bietet.

Personalplanung sollte nicht der Anpassung an die technologische Entwicklung in einem Unternehmen dienen und somit eine Schwachstelle im Innovationsprozeß darstellen, sondern eine zukunftsorientierte Aktivität im gesamten Planungsprozeß einer Organisation sein.