Führungschaos bei Bearingpoint

24.01.2006
Die deutsche Niederlassung des IT-Beratungshauses hat die halbe Geschäftsführung ausgewechselt. Über die Gründe schweigt sich das Unternehmen aus.

Drei von sechs Top-Managern haben innerhalb weniger Tage ihren Platz in der deutschen Geschäftsführung der Bearingpoint GmbH in Frankfurt am Main geräumt. In der zweiten Januarwoche verließ Hendrik Ansink als Sprecher der Geschäftsführung das Unternehmen, am 19. Januar unterschrieb Steffen Seeger, stellvertretender Geschäftsführer und Europa-Chef, einen Aufhebungsvertrag. Ende Dezember 2005 kündigte Vertriebschef und Mitglied der Geschäftsführung Beat Leimbacher sein Ausscheiden zum 31. März 2006 an. Er will sich der Entwicklung eines Startup in der Schweiz widmen.

Damit verlassen drei von sechs Geschäftsführern das Beratungshaus, das dies nicht als außergewöhnlichen Vorgang werten möchte. "Die Diskussionen laufen seit Monaten", teilte die hiesige Pressesprecherin auf Anfrage der computerwoche mit. "Wir haben unsere Management-Strukturen denen der weltweiten Organisation angepasst. Die Änderungen kamen für uns nicht überraschend." Weder Ansink und Seeger noch Peter Melcher, Mitglied des Aufsichtsrats, wollten zu den Veränderungen Stellung nehmen. Auch der neue Deutschland-Chef Peter Mockler stand für ein Interview nicht zur Verfügung.

Erstaunlich angesichts einer derart langfristigen Planung ist, dass zwischen der ersten Anfrage der computerwoche und der öffentlichen Mitteilung über den neuen Vorstand einige Tage verstrichen, in denen Bearingpoint keine tragfähige Nachfolgeregelung für Ansink nennen konnte oder wollte. Als Mockler schließlich als neuer Geschäftsführer vorgestellt wurde, war Ansink bereits knapp zwei Wochen nicht mehr im Unternehmen. Auch Seegers Demission kam zumindest für die Mitarbeiter überraschend. Bis zu einer internen Telefonkonferenz am vergangenen Freitag wussten sie nichts vom Weggang des Stellvertreters. Sie waren weder über die aktuellen Vorgänge informiert noch war ihnen mitgeteilt worden, wie sie die Änderungen den Kunden erklären sollten.

Während sich die neue Geschäftsführung sowie Roderick McGeary, Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen Niederlassung und Chairman of the Board der Muttergesellschaft, im Rahmen der telefonischen Informationsveranstaltung ausdrücklich bei Seeger bedankten und sein Ausscheiden bedauerten, kam Ansinks plötzlicher Abschied kaum zur Sprache, in der Pressemitteilung fehlt sogar jeglicher Hinweis auf seine Demission.

Sie wurde gegenüber der computerwoche lediglich telefonisch ohne Angabe von Gründen bestätigt. Auf Nachfragen verweigerte das Unternehmen jeglichen Kommentar.

Mehreren unternehmensinternen Quellen zufolge sind einige Mitglieder der Geschäftsführung an einer Firma beteiligt, die als Subunternehmen für Bearingpoint tätig ist und auch offiziell als Partnerunternehmen arbeitet. Der neue Deutschland-Chef Peter Mockler erklärte gegenüber Mitarbeitern, die nach den Gründen von Seegers und Ansinks Abschied gefragt hatten, wörtlich: "Der Fall Hendrik Ansink und der Fall Steffen Seeger haben nichts, überhaupt nichts miteinander zu tun." In anderem Zusammenhang sagte er: "Herr Seeger hat am Donnerstag zwischen 16 und 17 Uhr einen Aufhebungsvertrag unterschrieben." Bearingpoint gibt grundsätzlich keine Auskunft über die Betei- ligungen aktueller oder ehe- maliger Mitarbeiter, die Grundsätze für derartige Aktivitäten regelt ein "Code of Conduct". Angeblich wirft die US-amerikanische Zentrale einigen deutschen Führungskräften unethisches Verhalten vor.

Welche Rolle spielt PWC?

Das US-Board soll internen Informationen zufolge Pricewaterhouse Coopers (PWC) mit Ermittlungen beauftragt haben, offiziell wurde das jedoch dementiert. "Es gibt keine Untersuchungen in Sachen Beteiligungen", betonte die Pressesprecherin. PWC sei lediglich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft des Unternehmens. Darüber hinaus gebe es keinen Anlass zu Ermittlungen.

Unternehmensnahen Quellen zufolge verzeichnet Bearingpoint nicht nur auf Vorstandsebene, sondern auch unter den Mitarbeitern eine hohe Fluktuation. Kolportiert wurde eine Rate von 25 Prozent, im Dezember 2005 soll sie sogar auf 35 Prozent hochgeschossen sein. Das Unternehmen bestätigte, sich Ende vergangenen Jahres von vielen Managing Directors und Senior Managern getrennt zu haben, weil man unverhältnismäßig viele Führungskräfte beschäftigt habe.

Insgesamt gingen laut Presseabteilung im Lauf des letzten Jahren 15 Prozent der Belegschaft freiwillig. Weitere fünf Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse endeten auf Initiative des Arbeitgebers. (siehe Seite 40: "Bearingpoint laufen die Berater davon") (jha)