Mit den Aufgaben wachsen

Führen wird zum Drahtseilakt

15.12.2009
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Chefs brauchen Bodenhaftung

Führungskräfte sind in solchen Situationen besonders gefordert. "Wer als Chef für etwas steht, Bodenhaftung hat und authentisch ist, wirkt überzeugender als eine so genannte Leuchtfigur. Die Mitarbeiter spüren meistens genau, ob jemand seine Aufgabe ernst nimmt", erklärt Konrad Stadler, Partner der Münchner Beratung für Unternehmenskultur Stadler/Heinle/Schott. Mit seinen Kollegen begleitet Stadler Firmen aus allen Branchen in Veränderungsprozessen und analysiert Unternehmens- und Führungskultur. Der Berater misst gelebten Werten und einer Vorbildfunktion von Firmenlenkern eine große Bedeutung bei. In mittelständischen Firmen und Familienunternehmen sieht er den werteorientierten Führungsstil am besten umgesetzt.

Konrad Stadler, Management-Berater: 'Die Mitarbeiter spüren sehr genau, ob Führungskräfte ihre Aufgaben ernst nehmen.'
Konrad Stadler, Management-Berater: 'Die Mitarbeiter spüren sehr genau, ob Führungskräfte ihre Aufgaben ernst nehmen.'

Doch was heißt das konkret? Das Softwarehaus Method Park in Erlangen beschäftigte 2008 noch 125 Mitarbeiter. Anfang 2009 war klar, dass die Wirtschaftskrise nicht spurlos am Unternehmen vorüberziehen würde. Authentisch sein und mit gutem Beispiel vorangehen, nennt Bernd Hindel, Vorstandsvorsitzender von Method Park, als wichtige Tugenden auch in schwierigen Zeiten. Das hieß zu Beginn des Jahres, die Mitarbeiter schnell und umfassend darüber zu informieren, wie sich die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf das Softwarehaus auswirken.

Eine nette Tradition aus den Anfangszeiten des Unternehmens, nämlich das so genannte Pizza-Meeting, einen informellen wöchentlichen Besprechungstermin, nutzte das Unternehmen jetzt, um regelmäßig die aktuelle Situation zu besprechen. Jeder Mitarbeiter konnte sich zu Wort melden, Fragen stellen oder ein Thema auf die Agenda setzen. Anders als sonst wurden diese Besprechungen per Video aufgezeichnet und im Intranet den Kollegen zur Verfügung gestellt, die an den Meetings nicht selbst teilnehmen konnten. Alle sollten auf dem gleichen Wissensstand sein. Eine weitere Maßnahme stellte den Informationsfluss sicher: Aus den Reihen der Mitarbeiter wurde ein Kollege in die Vorstandssitzungen entsandt, um Informationen aus erster Hand zu erhalten und schnell und umfassend weiterzugeben.

Bernd Hindel, Method Park: 'Im Pizza-Meeting wurden die Mitarbeiter laufend informiert.'
Bernd Hindel, Method Park: 'Im Pizza-Meeting wurden die Mitarbeiter laufend informiert.'
Foto: Universität Erlangen

"Es war sehr wichtig, die Mitarbeiter regelmäßig zu informieren, mehr zu erzählen und Entscheidungen besser zu erklären. Auf diese Weise konnten wir Unsicherheit vermeiden", sagt Hindel. Doch dieses Prozedere verlangte von dem erfahrenen Geschäftsführer, promovierten Informatiker und Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg zusätzliches Engagement. "Anfangs habe ich in den Gesprächen Metaphern benutzt, etwa dass die jetzige Situation einer Fahrt auf der Autobahn entspreche und wir auf eine Nebelwand zuführen. Doch die Mitarbeiter haben mich gebeten, ganz klar zu sagen, wie es aussieht, und nichts zu umschreiben."

Hilfe bei der Jobsuche

Für eine deutliche Sprache und transparente Entscheidungswege entschied sich Method Park auch, als es darum ging, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Hindel: "Das waren schwierige Entscheidungen. Wir haben den betroffenen Mitarbeiter bei der Jobsuche geholfen." Aus dem Kreis der verbleibenden Kollegen kam die Idee, zur Unterstützung der Entlassenen einen Sozialfonds einzurichten.

Berater Stadler empfiehlt Führungskräften, die von ihren Mitarbeitern finanzielle Opfer verlangen, diese Maßnahmen genau zu erklären: "Transparenz im Unternehmen zu schaffen ist ganz wichtig. Mitarbeiter denken wirtschaftlich und verstehen die Entscheidung, etwa wenn ihr Gehalt um 15 Prozent und das des Vorstands um 30 Prozent gekürzt wird."