Führen mit Zielvereinbarungen ist kein Kinderspiel

Führen mit Zielvereinbarungen ist kein Kinderspiel Zu oft verwechseln Manager Ziele mit Maßnahmen

26.03.1999
Das Führen mit Zielvereinbarungen ist bereits in vielen Unternehmen etabliert und findet eine immer größere Verbreitung. Rupert Bardens* beschreibt die acht wichtigsten Anforderungen an die Ziele und damit auch an den ganzen Führungsstil.

Die Ziele werden in Gesprächen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern ausgewählt und festgelegt. Es eignen sich nur Ziele mit folgenden Eigenschaften:

- Ziel als angestrebter Zustand,- Präzision und Verständlichkeit,- Widerspruchsfreiheit,- Erreichbarkeit,- Beeinflußbarkeit,- Meßbarkeit,- Zulässigkeit und- Überschaubarkeit.

Ziel als angestrebter Zustand

Die grundlegende Anforderung an ein zu vereinbarendes Ziel ist, daß es sich tatsächlich um ein Ziel handelt, also einen angestrebten Zustand. Beispiele für Ziele können die Erhöhung des (genau definierten) Marktanteiles auf 25 Prozent zum 30. September 1999 sein oder die Senkung des Wertes der Bestände für die Teile ABC auf 200000 Mark zu den einzelnen Quartalsabschlüssen im Jahr 1999. In beiden Beispielen wird ein bestimmtes Ergebnis angestrebt.

Von einem Ziel sind die Maßnahmen zur Zielerreichung zu unterscheiden. Letztere bleiben - innerhalb bestimmter Grenzen, etwa des Budgets - dem Mitarbeiter überlassen. Er entscheidet selbst, wie er die Bestände senken will, ob hierfür andere Bestellrhythmen, eine engere Planungsabstimmung zwischen Einkauf, Produktion und Vertrieb oder andere Vorgehensweisen geeignet sind.

In der Praxis kommt es vor, daß die sogenannten vereinbarten Ziele keine sind, sondern Maßnahmen zur Zielerreichung. Führungskräfte vereinbaren mit ihren Mitarbeitern nicht einen zu erreichenden Zustand, sondern Wege, die sie in den kommenden zwölf Monaten gehen sollen. Das führt dazu, daß die Mitarbeiter sich nicht im vollen Umfang einbringen können. Ihnen ist die Chance genommen, verschiedene Alternativen zur Zielerreichung auszuarbeiten. Ferner wird ihr Know-how nicht genutzt, mit dem Risiko, aus Mitarbeitersicht wirtschaftlich oder technisch sinnvollere Wege zur Zielerreichung nicht zu kennen und nicht zu gehen.

Präzision und Verständlichkeit

Eine weitere Anforderung ist die präzise und verständliche Zieldefinition. Die Gesprächspartner dürfen die Zielinhalte nicht verschieden interpretieren. Die Ziele müssen ferner mit Zeitangaben versehen sein, also bis wann jedes einzelne Ziel erreicht sein soll.

An einem Beispiel verdeutlicht: Die Vereinbarung des Zieles "... in Zukunft das Ergebnis verbessern ..." würde diesen Anforderungen in keiner Weise gerecht. "In Zukunft" kann in einer Woche, einem Monat, einem Quartal oder gar einem oder mehreren Jahren bedeuten. Gleiches gilt für "das Ergebnis", das im Verkauf vielleicht als Umsatz verstanden wird, das aber auch der Gewinn vor/nach Steuern oder der Deckungsbeitrag sein könnte. "Verbessern" der Angabe, wieviel in der Relation (Promille, Prozente) oder im Absoluten gemeint ist.

Widerspruchsfreiheit

Das Führen mit Zielvereinbarungen bedeutet, daß mit vielen Mitarbeitern mehrere Ziele für ein Jahr vereinbart und somit in den Abteilungen beziehungsweise im gesamten Unternehmen eine Vielzahl von Zielen parallel verfolgt wird.

Die Ziele können nur dann erreicht werden, wenn sie nicht miteinander konkurrieren oder sich gar ausschließen. Als Beispiel: Die Personalreferenten sollen einerseits neue Mitarbeiter mit großem Entwicklungspotential und mehrjährigen internationalen Erfahrungen akquirieren, andererseits aber keine Einstiegsgehälter über dem Tarif zusagen. Damit sind Probleme programmiert.

Eine Anforderung ist daher, daß die vereinbarten Ziele des einzelnen Mitarbeiters, aber auch innerhalb einer Abteilung beziehungsweise eines Projektes und letztendlich des gesamten Unternehmens sich nicht widersprechen. Die Widerspruchsfreiheit aller Ziele innerhalb des Unternehmens erfordert eine intensive Kommunikation zwischen den Führungskräften, die im Idealfall ihre Abteilungs- und beabsichtigten Mitarbeiterziele aufeinander abstimmen, zumindest aber auf gegenseitige Behinderung prüfen.

Erreichbarkeit

Die vereinbarten Ziele müssen für den Mitarbeiter - bei machbaren Anstrengungen - erreichbar sein. Die Erreichbarkeit hängt etwa vom individuellen Leistungspotential der Mitarbeiter ab, also von den persönlichen Möglichkeiten, eine Leistung zu erbringen.

Ferner beeinflussen die Kompetenzen und Hilfsmittel die Erreichbarkeit, ob beispielsweise der Mitarbeiter das erforderliche Recht hat oder erhalten kann, Entscheidungen zu treffen oder Anweisungen zu geben, und ob ihm die nötigen Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Voraussetzungen, die zum Zeitpunkt der Zielvereinbarung nicht gegeben sind, aber für die Arbeit an den Zielen geschaffen werden sollen, bedürfen - genauso wie die Ziele - der Vereinbarung und Protokollierung.

Die Ziele sollen aber nicht nur erreichbar, sondern auch herausfordernd sein. Herausfordernd heißt, daß das Potential und die Reserven eines Mitarbeiters genutzt werden, ohne eine Überbeanspruchung zu verursachen. Das ist jeweils individuell zu beurteilen.

Beeinflußbarkeit

Die Mitarbeiter oder Teams müssen ihre Ziele aus eigener Kraft erreichen können. Erfolgt beispielsweise die Preisbestimmung für Produkte weltweit von einem oder einigen wenigen Anbietern, so ist es problematisch, mit einem Einkäufer für diese Produkte Preisziele zu vereinbaren. Ob der Preis erreicht wird oder nicht, hängt nicht vom Einkäufer, sondern vom Verhalten des Monopolisten oder der Oligopolisten ab.

Meßbarkeit

Ziele müssen meßbar sein. Dies ist bei quantitativen Zielen wie Umsatz, Gewinn oder Marktanteil in der Regel problemlos. Wurde beispielsweise mit einem Leiter eines Profit-Centers eine Gewinnsteigerung - eine eindeutige Gewinndefinition vorausgesetzt - für 1999 gegenüber 1998 um 100000 Mark vereinbart, so läßt sich nach Abschluß des Geschäftsjahres 1999 der Zielerreichungsgrad eindeutig in Prozenten und Absolutbeträgen bestimmen.

Diese Meßbarkeit ist insbesondere dann von großer Bedeutung, wenn die Zielerreichungen mit Anreizen, seien es variable Entgeltanteile, Karriereschritte, Incentives etc., gekoppelt sind. Hier trägt die Meßbarkeit zur Objektivierung bei und vermeidet unterschiedliche Einschätzungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiten.

Im Arbeitsalltag kommen jedoch neben den quantitativen auch qualitative Ziele vor. In diesen Fällen sollte von Anfang an definiert werden, anhand welcher Kriterien oder Kennzahlen die Zielerreichung bestimmt wird. Bei der Vereinbarung eines Zieles zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit könnten die Zahlen der Beschwerden, der Empfehlungen oder der Wiederholungskäufer eine Grundlage sein. Bei einem Ziel "Verbesserung des Arbeitsklimas" wären die Kennzahlen zur Fluktuation, zu den Fehlzeiten oder Verbesserungsvorschlägen denkbar. Solche Regelungen tragen zur Klarheit bei und geben Vorgesetzten und Mitarbeitern die Chance, auch zwischen den Zielgesprächen Positionsbestimmungen vorzunehmen.

Zulässigkeit

Ziele, die zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern vereinbart werden, müssen zulässig sein, also mit den unternehmensexternen und -internen Regelungen im Einklang stehen. Nennen beispielsweise die Rechtsvorschriften Maxima für zulässige Rabatte, so ist dies bei der Zielvereinbarung mit einem Einkäufer zu beachten. Relevante Vorschriften können auch unternehmensintern sein wie Grundsatzpapiere, Anweisungen oder Handbücher.

Überschaubarkeit

Die letzte Anforderung ist die Überschaubarkeit der mit jedem Mitarbeiter vereinbarten Ziele. Es darf kein Zielkatalog vereinbart werden, bei dem der Überblick verlorengeht. Wie viele Ziele im Einzelfall sinnvoll sind, hängt unter anderem von deren Komplexität und dem Leistungsvermögen der Mitarbeiter ab. In der Praxis werden etwa fünf bis zwölf Ziele pro Jahr empfohlen.

*Dr. Rupert Bardens ist Professor für Personalwirtschaft an der FH Neu-Ulm sowie Berater und Trainer für Personal-Management und Kommunikation.