Fehlende Entscheidungsbefugnis und unklare Abgrenzung

Frustrierte Netzwerk-Manager sitzen zwischen allen Stuehlen

29.03.1996

Von Ina Hoenicke*

Netz-Manager gibt es in bundesdeutschen Unternehmen nicht immer, aber immer oefter. Der Netzwerker tanzt als Allrounder auf allen DV-Hochzeiten, kommt zumeist aus dem DV-Bereich, verfuegt ueber zuwenig Entscheidungskompetenzen und beklagt sich ueber das allgemeine Unverstaendnis in puncto Datennetze und Kommunikation.

Netzwerke nehmen in vielen deutschen Unternehmen eine Schluesselposition ein. Demzufolge muessten eigentlich auch die Spezialisten fuer "Network Computing" eine immer wichtigere Rolle spielen. Tatsaechlich jedoch ueben die Netzwerkprofis in erster Linie die Funktion des Pruegelknaben aus. Sie sind zwar schuld, wenn das Netz nicht laeuft, haben aber keine Entscheidungsbefugnis, haeufig keinen definierten Ansprechpartner und keine organisatorisch klar abgegrenzte Position.

In vielen Faellen stossen sie geradezu auf Unverstaendnis, wenn es um Probleme in ihrem Job geht. Die Kritik der Netzadministratoren duerfte in erster Linie gegen die DV-Leiter gerichtet sein. Kein Wunder also, dass es in den DV-Abteilungen so mancher Unternehmen brodelt.

Eines steht im Chaos ihres beruflichen Alltags fest: Netzadministratoren sind allesamt Allrounder. Sie tanzen vom Mainframe ueber die mittlere Datentechnik bis hin zu Client-Server- Umgebungen auf allen DV-Hochzeiten und verbinden diese Welten. Waehrend die Netzverwaltung in kleineren und mittleren Unternehmen in den meisten Faellen eine Ein-Mann-Show ist, steigt die Zahl der Netzbetreuer normalerweise mit steigender Unternehmens- und Netzgroesse. Klaus Schulz, Abteilungsleiter Kommunikationssysteme bei der Volkswagen AG in Wolfsburg, bestaetigt dies: "Mit nur einem Netz-Manager kaemen wir allein wegen der Groessenordnung des Netzes in unserem Hause nicht aus. Das muesste ein Einstein sein." Beim Automobilkonzern verwaltet daher eine zwoelfkoepfige Arbeitsgruppe das Netz.

Das Gros der Netzwerker ist um die 30 Jahre alt und sorgt somit fuer eine Verjuengung in den eher ueberalterten DV-Abteilungen bei Anwendern. Die meisten Netzverantwortlichen steigen aus anderen DV-Taetigkeiten quer in ihren Job ein. "Netzspezialisten wachsen bei uns fast immer aus dem DV-Bereich nach", bestaetigt Erich Bitterwolf, leiter von Netz-Management und Business-Support bei Ciba-Geigy in Basel. Allerdings raeumt der Schweizer DV-Chef ein, dass Netzadministratoren, die neu eingestellt werden, inzwischen erheblich mehr an Qualifizierung als die Kollegen im Unternehmen nachweisen muessen. Bitterwolf fordert: "Ein neuer Mann muss mindestens ein Fachstudium absolviert haben und sich mit Elektronik beziehungsweise Elektrotechnik auskennen."

Zwar gibt es beim Schweizer Pharmakonzern fuer internationale Vernetzungsprobleme "Netzwerk-Management-Center", die miteinander kooperieren und Informationen austauschen. Doch in Basel verantwortet inzwischen nur eine Person die Netzaktivitaeten. Bitterwolf: "Bislang wurde die Betreuung der Netze bei uns in einer Art Wildwest-Manier durchgefuehrt. Deshalb haben wir beschlossen, die Verantwortung in die Hand eines einzelnen, naemlich des Netz-Managers, zu legen."

Zu dieser Entscheidung beigetragen hat eine eidgenoessische Besonderheit: Anders als in der Bundesrepublik gibt es im Nachbarland naemlich das Berufsbild des Netzwerkadministrators - von der Schweizerischen Vereinigung fuer Datenverarbeitung (SVD) zusammen mit den schweizerischen Hochschulen entwickelt und offiziell anerkannt. Seine Funktion wird folgendermassen beschrieben: Verwalten und Betreuen der Kommunikationsnetze und Kommunikationsdienste zum Teil mit Hilfe von Netzwerk-Management- Systemen.

In puncto Computer-Berufsbilder sind die Schweizer den Deutschen voraus, meint Werner Dostal, wissenschaftlicher Direktor beim Institut fuer Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt fuer Arbeit in Nuernberg. Hierzulande gebe es nicht einmal eine Staatlich anerkannte Ausbildung fuer diese Funktion - auch wenn genuegend Bildungsinstitute dies anbieten koennten.

In bundesdeutschen Unternehmen dominieren nach wie vor Informatiker die Netzszene, wobei ihre Funktion in den meisten Faellen dem Org./DV-Bereich zugerechnet wird. Auch die Tatsache, dass sich ein Grossteil der restlichen Netz-Manager aus den Bereichen Nachrichtentechnik, Ingenieur- und Naturwissenschaften rekrutiert, kann nicht weiter ueberraschen.

Mehr noch als die mangelnde Qualifikation prangern Telekommunikationsberater jedoch die unausgegorenen Organisationsstrukturen an. So wuerden nur wenige bundesdeutsche Unternehmen ueber eine den Aufgabenstellungen angepasste Organisationsstruktur verfuegen - bei den anderen sei das Chaos programmiert.

Da vielen IT-Verantwortlichen die Brisanz des Themas offenbar nicht klar sei, koenne auch die alltaegliche Vernetzungspraxis nicht weiter verwundern: Ein Mitarbeiter beschaeftige sich in der Regel mit dem Kabel, ein anderer quaele sich mit den angeschlossenen Rechnerkomponenten, und der dritte entwickle die Applikationen.

Noch drastischer beurteilt Franz-Joachim Kauffels, Unternehmensberater aus Euskirchen, die Situation der Netzwerker: "In den meisten Faellen sind die Netz-Manager einfach nur arme Schweine."

Seiner Ansicht nach werden diese Mitarbeiter von allen Seiten allein gelassen. Darueber hinaus seien die Netzadministratoren im allgemeinen nicht gerade die Persoenlichkeiten, die ihre Forderungen gegenueber dem Management durchsetzen koennten. Kauffels sieht nur einen Ausweg: Ein Crash bei einer Bank oder Versicherung koennte die Verantwortlichen vielleicht aufwecken, so dass die Netzwerker endlich die Entscheidungskompetenz erhalten, die ihren Aufgaben gerecht wird.