Leben auf Pump

Freude am Shoppen verführt zum Schuldenmachen

28.03.2012
Das begehrte Smartphone heute schon mitnehmen, in den nächsten zehn Monaten abzahlen - und das ganze für null Prozent Zinsen.

Nicht nur Elektronikmärkte werben inzwischen mit günstigen Finanzierungen. Das Leben auf Pump ist in Deutschland immer weniger geächtet. Die Hiobsbotschaften aus der Wirtschaftswelt haben die hiesigen Verbraucher bislang scheinbar unberührt an sich abperlen lassen. Ob Schuldenkrise, die Beinahe-Insolvenz Griechenlands oder die Berg- und Talfahrt an den Börsen - die Deutschen kaufen und kaufen.

Der private Konsum hat sich dadurch neben dem Export zu einem wichtigen Stützpfeiler der deutschen Wirtschaft entwickelt. Daran wird sich auch nichts ändern, nur weil der Konsumklimaindex am Dienstag einen leichten Dämpfer erhielt. Doch die Bereitschaft zum Geldausgeben hat auch ihre Schattenseiten: Billige Kredite verführen dazu, über die eigenen Verhältnisse zu leben.

Schuldenfrust statt Shoppinglust - ganz so plakativ ist es nicht. Doch Experten stimmen einhellig überein, dass in Deutschland ein Einstellungswandel stattfindet. "Früher ist ein Konsumkredit sehr verpönt gewesen. Besonders die ältere Generation hatte das Credo: Erst spare ich, dann kaufe ich. Heute ist das anders - gerade bei jüngeren Menschen ist das inzwischen normal, dieses Leben auf Pump", schildert etwa Markus Preißner vom Institut für Handelsforschung in Köln.

Mehr als jeder dritte Haushalt nutzt nach Angaben des Bankenfachverbands aktuell einen Kredit, um sich Konsumgüter wie Autos, Möbel oder den angesagten Tablet-PC leisten zu können. Die allermeisten stottern den Betrag hinterher in Raten wieder ab, andere nutzen Kreditkarten, ihren Dispo oder einen klassischen Bankkredit.

Ende 2011 standen die Deutschen auf diese Weise mit knapp 230 Milliarden Euro in der Kreide - Tendenz steigend. 148 Milliarden Euro davon entfielen laut Bankenfachverband auf Ratenkredite.

Früher verschuldeten sich die Menschen in erster Linie für ihr Auto, vielleicht noch für eine neue Küche. Das Geld dafür bekamen sie von ihrer Hausbank. Heute bieten viele Einzelhändler direkt an der Ladenkasse eine Finanzierung an - inzwischen auch für niedrigere Einkaufssummen und teils zu extrem günstigen Zinssätzen. "Im Handel wäre die Hälfte der finanzierten Güter ohne eine Finanzierung überhaupt nicht gekauft worden", berichtet Stephan Moll vom Bankenfachverband unter Berufung auf eine repräsentative Studie.

Die Verbraucher greifen selbst dann zu, wenn sie den Kredit eigentlich gar nicht nötig haben: Rund ein Viertel hätte die Ware nach eigenen Angaben auch sofort bezahlen können. Andere wiederum sind auf den Vorschuss angewiesen. "Es hat nicht jeder Geld auf der hohen Kante. Und wenn einer Familie die Waschmaschine kaputt geht, kann sie nicht erst ein Jahr sparen", schildert Moll.

Dennoch warnt auch er: "Man muss sich bewusst sein, dass man dafür Geld bezahlt. Das ist eine Dienstleistung, die gibt es nicht umsonst." Eva Raabe von der Verbraucherzentrale Hessen ergänzt: "Gerade die Null-Prozent-Finanzierungen verführen zum Kauf. Wobei das nicht wirklich immer kostenfrei ist."

Häufig seien die günstigen Zinsen für das Darlehen bereits eingepreist. Außerdem könnten etwa Bearbeitungsgebühren oder eine - offiziell freiwillige - Restschuldversicherung hinzukommen, die das Ausfallrisiko bei Todesfall oder Arbeitsunfähigkeit absichert. In den Klauseln gäbe es oft Fallstricke, erklärt Raabe - wenn zum Beispiel die Ausfallversicherung bei einem auf sieben Jahre angelegten Kredit auf das erste Jahr beschränkt ist.

Doch am meisten beunruhigt die Verbraucherschützerin, dass immer mehr Kreditnehmer den Überblick über ihre Finanzen verlieren. "Wenn die Geldbörse leer ist, dann sehe ich das. Doch wenn immer häufiger Ratenzahlung vereinbart oder mit Kreditkarte gezahlt wird, wird es unübersichtlich. Und am Monatsende reicht das Geld dann nicht aus." (dpa/tc)