Im Visier: die elektronische Steuererklärung

Freud und Leid mit Elster

06.10.2005
Von Lars Reppesgaard
Eigentlich sollte die Elektronische Steuererklärung (Elster) Unternehmen und Finanzämter entlasten. Tatsächlich kratzen technische Mängel und hanebüchene Sicherheitslücken am Vertrauen der Nutzer in die E-Government-Anwendung.

GERHARD CZECH, kaufmännischer Leiter des Kunststoffteileherstellers Saarpor aus dem saarländischen Neunkirchen, hat gelernt, mit der Ungewissheit zu leben. Seit 1. Januar 2005 sind Unternehmen wie Saarpor verpflichtet, ihre Umsatzsteuerschuld und die einbehaltene Lohnsteuer elektronisch an die Finanzverwaltung zu melden. Doch ob die Daten wirklich ihren Empfänger erreichen, wenn Czech sie mit Hilfe der von den Finanzämtern angebotenen Elster-Software auf die Reise geschickt hat, ist ihm völlig unklar. Immer wieder erscheinen Fehlermeldungen auf seinem Bildschirm, wenn er die Steuerdaten als verschlüsselte XML-Datei versendet hat. „Was letztendlich beim Finanzamt ankommt, wissen wir nicht“, sagt er.

Doch das ist nur ein Elster-Problem unter vielen. Die Steuersoftware, die Beamte in der Oberfinanzdirektion München entwickelt haben kostet Bund und Länder jedes Jahr zehn Millionen Euro - unter anderem, weil sie ständig nachgebessert werden muss. Schon der Start des Projekts im Februar dieses Jahres verlief nicht optimal: 70 Prozent der Unternehmen in Deutschland meldeten ihre Zahlen via Elster. Die eingesetzte IT-Infrastruktur war der Last des Ansturms nicht gewachsen.

Negative Erfahrungen

Die Münchner hatten die Zahl der Serveradressen viel zu knapp kalkuliert. Gerade mal sechs Empfangszugänge standen mehreren hunderttausend zur Abgabe verpflichteten Unternehmen gegenüber. Statt einer Bestätigung, dass die eingereichten Daten angekommen sind, gab es für Elster-Nutzer den Hinweis zu lesen, dass die Server überlastet sein. „Bitte senden Sie Ihre Umsatzsteuer- Voranmeldung oder Lohnsteuer- Anmeldung erst am 11. oder 12. 02. 2005. Ein Verspätungszuschlag für die verspätete Übermittlung wird nicht festgesetzt werden“, hieß es weiter.

Die Praxis für viele Unternehmen sah anders aus. Auch bei den Finanzdaten des Internetdienstleister Teresto aus Merzig hatte der Finanzamtsrechner die Datenannahme verweigert. Die Steueranmeldung konnte erst mit mehreren Tagen Verzögerung übermittelt werden. Prompt verlangte das Finanzamt doch Säumnisgebühren, erzählt der verärgerte Teresto-Geschäftsführer David Zimmer.

Nach diesem Muster verliefen bislang viele Erfahrungen, die der Mittelstand mit Elster machte: Praxisferne Gesetzesvorgaben des Bundes überforderten die Münchner bei der Umsetzung - mit der Folge, dass am Ende die Unternehmen die Folgen ausbaden. Saarpor musste beispielsweise auf eigene Kosten zusammen mit einem Softwareunternehmen die Elster-Anwendungen mehrere Tage lang zurechtschneidern, bis sie mit den Finanzamts- und den eigenen Systemen, etwa der Firewall, einigermaßen harmonierten.

Die Münchner Finanzamtsprogrammierer sind intensiv damit beschäftigt, wenigstens einen Teil der Probleme abzuarbeiten, die sich im Praxisbetrieb aufgetan haben. Elster funktioniert nun beispielsweise nicht mehr nur auf Windows- Rechnern. Auch für die elektronische Übermittlung von Steuererklärungen aus Linux- oder Mac-Systemumgebungen stellte die Finanzverwaltung allgemeine XML-Datenschnittstellen und die Java-basierte Programmschnittstelle „Coala“ zur Verfügung.

Gravierende Lücken

Das größte Problem bei Elster aber wird man erst zum Jahreswechsel 2006 in den Griff bekommen: Die Meldung der Lohn- und Umsatzsteuer ist so gestaltet, dass sich die Unternehmen bei der Eingabe dieser Daten nicht authentifizieren müssen. Somit ist es jedem möglich, die Umsatz- und Lohnsteuer für jedes beliebige Unternehmen anzumelden, sofern er dessen Namen und Steuernummer kennt. „Wenigstens ein Passwortschutz wäre notwendig, aber da ist gar nichts, null“, wundert sich David Zimmer.

Die Sorgen der Mittelständler hält man beim Branchenverband Bitkom keineswegs für abwegig. Obwohl der Verband schon im Dezember auf die Authentifizierungsschwachstelle hinwies, sei es nach wie vor möglich, Steuerdaten fremder Unternehmen ohne technische Hürden zu manipulieren und finanzielle Schäden anzurichten. Böswillige Wettbewerber oder Kunden könnten mit wenigen Mausklicks völlig überhöhte Umsatzsteuern oder Lohnsteuern melden. Da die Finanzämter meist Einzugsermächtigungen für die Steuervorauszahlungen besitzen, droht Unternehmen dann der vorübergehende Verlust von Liquidität. „Bis der Fehler festgestellt und der Betrag rücküberwiesen ist, kann es gerade bei mittelständischen Firmen eng werden“, warnt die Bitkom-Steuerexpertin Anja Olsok. Umgekehrt sei es möglich, besonders niedrige Umsätze zu melden und damit eine Umsatzsteuer- Nachschau zu provozieren.

Selbst wenn es in allen Fällen auf Anhieb funktionieren sollte, unberechtigte Abbuchungen durch eine einfache Erklärung an das Finanzamt zurückzuholen und Nachprüfungen abzuwenden, bleibt den Firmen ein beträchtlicher Mehraufwand für das ständige Nachprüfen der verwendeten Angaben in Steuerbescheiden.

2006 soll alles besser werden