Internet-Schmiede

Freiburg ist das Silicon Schwarzwald

12.11.2013
Von Michael Kroker

Freund der Geldgeber

In der Biologie wäre Oxid eSales ein Ergebnis der Inzucht. In Wahrheit ist das Unternehmen jedoch ein Produkt der Freiburger IT-Community, mittendrin Roland Fesenmayr. Der 43-Jährige studierte bis 1995 Medieninformatik an der Hochschule Furtwangen. Dort lernte er auch Ralf Heller kennen, gemeinsam bauten sie die Web-Agentur Virtual Identity auf. "Anfang 2002 war für mich dann die Zeit reif für den Wechsel", sagt Fesenmayr.

Er gründete ein neues Unternehmen: Oxid eSales. Das sollte eine Software für Shops im Internet entwickeln. Auf diese Idee kam Fesenmayr, als er bei Virtual Identity Web-Shops für Startups wie den Internet-Spielehändler Alltoys, Lexware aber auch für den US-Technikkonzern Motorola entwarf. "Unser Ziel war damals schon, ein Standardverkaufssystem für Mittelständler und Konzerne zu konzipieren", sagt Fesenmayr. "Uns war klar, dass sich der Online-Handel auf breiter Front etablieren wird, obwohl die Branche nach dem Platzen der Dotcom-Blase 2001 erstmal komplett am Boden lag."

Fesenmayr hatte recht. Heute kaufen Online-Versender wie Kofferdirekt und klassische Versandhändler wie die Otto-Versand-Tochter Lascana seine Software namens Oxid eShop. Insgesamt hat das Unternehmen laut eigenen Angaben rund 3000 Lizenzen verkauft. 2012 kam Oxid laut Schätzung der Auskunftei Creditreform auf einen Umsatz von 4,2 Millionen Euro.

Um Oxid eSales im E-Commerce fest zu verankern, vertreibt Fesenmayr seine Software im Freemium-Modell. Das Kunstwort setzt sich aus "Free" für kostenlos und "Premium" für höherwertig zusammen. Das heißt: Fesenmayr überlässt den Anwendern kostenlos eine Basisversion von Oxid eShop, die diese aus dem Internet herunterladen und beliebig verändern können. Daneben bietet er eine kommerzielle Version mit Extrafunktionen an, für die Benutzer eine Lizenzgebühr bezahlen müssen. "Durch dieses Geschäftsmodell wollen wir weiter wachsen und unsere Verbreitung steigern", sagt Fesenmayr.

Hinter der kostenlosen Überlassung der Basisversion steckt die Überlegung, dass sich Entwickler und Partner des Programms annehmen und es auf diese Weise schnell über den ganzen Erdball, darunter Südafrika und Australien, verbreiten. Davon profitiert am Ende auch Oxid eSales, weil die Attraktivität der Shopsoftware durch die von Dritten programmierten Module und Funktionen steigt.

Geldgeber finden dieses Geschäftsmodell offenbar so attraktiv, dass Fesenmayr bis heute keine Probleme hatte, den Aufbau des Unternehmens zu finanzieren. 2007 gewann er mehrere Kapitalgeber, die ihm halfen, ein neues, Internet-basiertes Shopsystem zu entwickeln. Unter den Finanziers ist auch die Risikokapitaltochter der landeseigenen LBBW Bank. Fesenmayr hat auch keine Sorge, sein Unternehmen könnte an fehlenden Mitarbeitern scheitern. "Die hiesige Region ist ziemlich konjunkturresistent", sagt Fesenmayr. "Die Prognose, dass ein Mitarbeiter langfristig bei der Stange bleibt, ist hier ungleich höher als etwa in Berlin."

Und wenn er mal schnell was ganz anderes machen will, trifft sich Fesenmayr mit PC-Schrauber Hansen. Zusammen mit ihm besitzt er ein Ultraleichtflugzeug, mit dem sie, so es die Geschäfte zulassen, im Südschwarzwald umherfliegen.

Der Unerschrockene

Mangelndes Selbstbewusstsein lässt sich Thomas Holzer nicht nachsagen. "Cloud - wir haben’s erfunden", tönt der 44-jährige Diplom-Informatiker. Cloud Computing bedeutet die Nutzung einer Software über das Internet, ohne dass diese auf einem Rechner im Unternehmen installiert sein muss. Seit ein paar Jahren ist die Internet-Wolke eines der meistdiskutierten Themen der IT-Branche.

Tatsächlich bediente sich Holzer der Methode schon 1996, als er seine Firma HRworks gründete, auch wenn es den Begriff Cloud damals noch gar nicht gab. Denn Holzers Unternehmen programmiert Software zur Reisekostenabrechnung und bot diese - bereits vor fast 16 Jahren - zum Abruf im Internet an. "Statt nur die Demo-Version ins Web zu stellen, haben wir unter www.reisekosten.de auch die Vollversion da gelassen", sagt er.

Anfang 1999 war das für Holzer eine Art Nebenerwerb, sein eigentliches Geld verdiente er als Unternehmensberater. Die Idee für Reisekosten.de kam ihm auf seinen häufigen Reisen, die er fein säuberlich abrechnen musste. "Es hat mich extrem genervt, mich am Wochenende durch einen Berg von Reisekostenbelegen zu quälen", erinnert sich Holzer. "Ich habe mir gesagt: Das muss irgendwie anders gehen."

Gesagt, getan: Innerhalb weniger Monate hatte Holzer seine Reisekostensoftware programmiert und stellte sie auf der Computermesse Cebit 1999 in Hannover vor. Den Schritt in die Selbstständigkeit hat er bis heute nie bereut, obwohl HRworks in einem Markt arbeitet, in dem SAP unumschränkter Platzhirsch ist.

Der Wettbewerb mit dem Goliath aus dem nordbadischen Walldorf macht den südbadischen David gelassen. "Wer SAP statt HRworks verwenden will, muss eine Null dranhängen, mindestens", sagt Holzer. Konkret: Bei ihm kostet die Miete für das Reisekostenprogramm aus dem Internet maximal vier Euro pro Nutzer im Monat. Bei mehr als 1.250 Nutzern fällt der Preis auf 1,90 Euro. Zudem gibt es keine Mindestlaufzeiten; Kunden können ihren Vertrag jederzeit zum Ende des Monats kündigen.

Mehr als 650 Unternehmen mit insgesamt über 95.000 Nutzern arbeiten mit der Online-Reisekostenabrechnung von HR- works, darunter Burger-Brater McDonald’s mit Sitz in München oder der Herrenhemdenhersteller Eterna aus Passau. „Spaß haben und Geld verdienen“, das sei sein Antrieb, versichert Holzer. Sich von einem Konzern aufkaufen zu lassen komme für ihn nicht infrage. 2012 war das beste Jahr der Unternehmensgeschichte: Mit knapp 20 Mitarbeitern erwirtschaftet HRworks einen Umsatz im einstelligen Millionenbereich; und zwar profitabel, wie Holzer beteuert. So habe er noch nie Fremdkapital ins Unternehmen holen müssen.

Holzer ist sich sicher, dass seine Geschäfte noch lange derart positiv weitergehen: "Wir haben ein Standardprodukt, das für 80 Prozent aller möglichen Kunden passt", sagt er, "und die Marktsättigung liegt gefühlt bei fünf Prozent."

(Quelle: Wirtschaftswoche)