Auftragshoch kann Preisverfall nicht stoppen

Freiberufler schrauben Honorare weiter zurück

20.08.2004

Auf den ersten Blick könnte der Widerspruch nicht größer sein: Eine deutlich höhere Nachfrage lässt die Preise im Freiberufler-Markt weiter fallen und einen neuen Tiefstand erreichen, so das Ergebnis der halbjährlichen Stundensatzauswertung von Gulp. Mittlerweile haben sich über 51 000 IT-Freiberufler im Projektportal mit ihren Qualifikationen, aber auch mit ihren Honorarvorstellungen registriert. Und die waren noch nie so bescheiden wie in diesem Sommer: 30 Prozent der registrierten Freiberufler würden sich mit einem Honorar unter 60 Euro begnügen, weitere 26 Prozent stellen sich zwischen 60 und 69 Euro vor, wobei Gulp davon ausgeht, dass sich die Mehrheit eher im unteren Bereich dieser Spanne befindet.

Gulp-Sprecher Stefan Symanek erklärt sich die neue Bescheidenheit mit der Hoffnung vieler Freiberufler, durch niedrige Preise wieder an Aufträge zu kommen. "Viele Freiberufler, die austauschbare Skills und sich nicht spezialisiert haben, bekommen kaum Aufträge und betreiben darum Lohndumping. Ein Irrweg, denn immer weniger Projektanbieter suchen nach IT-Experten, die für weniger als 60 Euro arbeiten." Zwar gelte im Freiberuflermarkt die Devise, dass bei gleicher oder ähnlicher Qualifikation der günstigere Dienstleister das Projekt bekommt. Doch der bessere Preis hilft laut Symanek auch nichts, wenn die Qualifikationen nicht stimmen. So schmücken sich in der Gulp-Datenbank allein 20000 IT-Profis mit Java-Kenntnissen, ebenso viele haben SQL-Know-how.

Administratoren müssen besonders bescheiden sein

Wer aus der Masse herausstechen will, braucht Spezialwissen oder muss sich die Skills aneignen, die in den Projekten aktuell verlangt werden. Zurzeit stehen etwa das Java Banking Framework oder "Co- gnos Report Net", eine Applikation des Softwareherstellers Cognos für die Erstellung von Rechnungen und Zahlungsaufstellungen, bei den Projektanbietern hoch im Kurs - nur ausgewiesene Spezialisten gebe es zu wenige.

Ständige Weiterbildung sei darum für Freiberufler Pflicht und zahle sich meist mit dem nächsten Auftrag aus, so Symanek. Wie viel Freiberufler verdienen können, hängt auch stark von Profil, Alter, Berufserfahrung und Region ab. Mit Abstand am meisten fordern immer noch Projektleiter (69 Euro) und Berater (68 Euro), gefolgt von Softwareentwicklern und Trainern (je 60 Euro). Schlusslicht bleiben die Administratoren mit 52 Euro. Im Vergleich zum Februar dieses Jahres haben fast alle Berufsgruppen ihre Forderungen um zwei Euro reduziert, einzige Ausnahme waren die Trainer. Die Gulp-Betreiber sprechen von einer Zäsur, da erstmals kein Experte mit über 70 Euro in die Honorarverhandlungen ging, was im vergangenen Jahr noch der Fall war. Drastische Abstriche mussten auch die IT-Spezialisten über 60 Jahre machen, die ihre Stundensätze binnen sechs Monaten um elf Euro auf durchschnittlich 64 Euro zurückschraubten. Das Gros der IT-Freiberufler, die sich bei Gulp registriert haben, ist zwischen 35 und 45 Jahre alt. Diese Gruppe rückt auch immer mehr in den Fokus der Projektanbieter, so Symanek: "Mittlerweile richten sich 76 Prozent der Anfragen an sie. Der größte Gewinner waren die 40 bis 45-Jährigen, die fast 23 Prozent aller Kontakte bekamen." Wenn das Alter der Spezialisten dann noch mit der entsprechenden Berufserfahrung einhergehe, stimme auch die Bezahlung. Spezialisten mit 15-jähriger Erfahrung könnten mit durchschnittlich 69 Euro in der Stunde rechnen.

In der Schweiz lässt sich noch kräftig kassieren

Am meisten können IT-Freiberufler allerdings nicht in Deutschland, sondern in der Schweiz verdienen. Dort liegen die geforderten Stundensätze immer noch bei durchschnittlich 85 Euro, auch wenn die Projektanbieter im Schnitt vier Euro weniger bezahlen wollen. In Deutschland dagegen haben sich Freiberufler und Unternehmen in ihren Honorarvorstellungen angenähert, so dass in den Vertragsverhandlungen nicht mehr so unnachgiebig um die Honorare gefeilscht werden dürfte. Gleichwohl akzeptieren laut Symanek Projektanbieter die gewünschten Stundensätze der Freiberufler in der Regel nicht sofort, sondern wollen darüber verhandeln.

Abb: Projektleiter fordern am meisten

Ob Projektleiter oder Administrator, fast alle IT-Freiberufler verlangen pro Stunde im August zwei Euro weniger als noch im Februar 2004. Quelle: Gulp