IBM Verse

Freemium soll Millenials locken

02.02.2015
Von 
Harald Weiss ist Fachjournalist in New York und Mitglied bei New York Reporters.
Im November hat IBM seine neue Kommunikationsplattform Verse gestartet. Inzwischen liegen die ersten Erfahrungen über den Beta-Test vor und auch die weiteren Pläne rund um Verse nehmen Gestalt an.

"Verse ist der größte Product-Launch in der IBM-Geschichte", sagte IBMs Social-Business Chef Jeff Schick gleich zu Beginn der diesjährigen ConnectED-Veranstaltung in Orlando. Damit meinte er nicht nur das Investitions-Volumen von 100 Millionen Dollar, sondern vor allem den weitgehenden Funktionsumfang von Verse. So vereint die neue Plattform E-Mail, Business Social Media, File Sharing, Instant-Messaging, Kalender sowie eine Reihe an neuen Analytics, inklusive dem KI-System Watson.

Jeff Schick stellte die Verse-Features im Rahmen der "IBM ConnectED" vor.
Jeff Schick stellte die Verse-Features im Rahmen der "IBM ConnectED" vor.
Foto: Harald Weiss

Vieles davon wurde für Verse nicht neu entwickelt, sondern basiert auf Lotus, Domino und anderen erprobten Programmen. Doch die Integration von allen Kommunikations- und Zeitmanagement-Programmen unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche vereinfacht deren Anwendung ganz erheblich. Beispielsweise lässt sich damit viel schneller von Instant Messaging auf einen Blog oder auf die aktuellen E-Mails wechseln. Auch können Dateianhänge unmittelbar per Drag-and-Drop kreuz und quer über die eingebundenen Anwendungen hinweg verschoben werden. Schließlich lassen sich auch die Analytics- und Suchfunktionen mit einem einzigen Aufruf über alle Inhalte hinweg starten.

Beta-Test mit 100.000 Nutzern

Nach Angaben von IBM sind derzeit über 100.000 User an dem Betatest von Verse beteiligt, die in den ersten zwei Monaten knapp 400 Millionen Page Impressions generiert haben. Das daraus resultierende User-Feedback sei bislang äußerst positiv. "Vor allem von jungen Leuten bekommen wir sehr viel Lob und Anerkennung", sagt Scott Souder, der bei IBM zuständige Entwicklungs-Chef von Verse. Das passt dann direkt zu IBMs Zielgruppen-Strategie, zu der unter anderen die junge Generation der Millennials - häufig auch Generation Y genannt - gehört.

Um Verse für diese Gruppe attraktiver zu machen, stehen noch einige Erweiterungen auf dem Programm. Beispielsweise fehlen derzeit noch der angekündigte Video-Chat und die Anbindung bekannter Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram und Twitter. Laut Schick arbeitet man derzeit mit Hochdruck an diese Ankoppelung, sodass dieses zumindest teilweise bis zum Launch-Termin verfügbar sein wird.

Lockangebot für Millenials

Ein ganz besonderes Lockmittel für die Millennials ist indes bereits im vollen Umfang realisiert. So wird IBM erstmals in der Firmengeschichte ein "Freemium-Angebot" für Verse starten. Das heißt, es wird eine abgespeckte Cloud-basierte Version geben, die kostenlos ist. Zudem soll es eine - ebenfalls Cloud-basierte - Business-Lösung geben. Abgerundet wird das Gesamt-Angebot durch eine On-Premise-Variante. Das ist vor allem für die klassischen IBM-Kunden gedacht, bei denen IBM bereits mit vielen Anwendungen vertreten ist.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Unterschied zwischen der kostenlosen Endnutzer-Version und der Business-Lösung sehr gering sein wird. "Die Einschränkungen im Consumer-Bereich werden nur das Speichervolumen, die Zahl der E-Mails und das File-Sharing betreffen - ansonsten steht der gesamte Funktionsumfang von Verse auch in der kostenlosen Version komplett zu Verfügung", sagt Kramer Reeves, IBMs Manager für Messaging und Collaboration.

Er verweist bei der Diskussion um IBMs neues Freemium-Angebot auch noch auf einen wichtigen Aspekt im Bereich des Datenschutzes. "Wir scannen keine E-Mails, wir erstellen keine Profile und wir vermarkten nicht das User-Verhalten unser Kunden", lautet sein deutlicher Seitenhieb an die Adresse von Google und anderen Consumer-orientierten Plattformen.

Watson als Sekretärin

Der gesamte neue Ansatz von Verse basiert darauf, dass man nicht mehr Nachrichten, Dateien und Ordner in den Mittelpunkt der Organisation stellt, sondern sich stattdessen alles um die Personen-Kontakte dreht. In Verbindung mit Watson sieht das dann so aus, dass beispielsweise die Priorisierung einer E-Mail davon abhängt, welche Position die absendende Person hat. So bekommen E-Mails von höhergestellten Mitarbeitern eine größere Priorität als andere. Weitere Einflussfaktoren entstammen dem E-Mail-Inhalt; beispielsweise ob er sich auf Themen bezieht über die der Nutzer aktuell eigene E-Mails oder Dokumente verfasst hat oder ob es sich um Anmahnungen, Erinnerungen oder Termine handelt.

Gerade diese analytischen Tools machen Verse für die professionelle Nutzung innerhalb eines Unternehmens sehr attraktiv. "Unsere Analytics sind praktisch konkurrenzlos und bewirken eine enorme Produktivitätssteigerung bei der E-Mail-Nutzung", sagt Souder. Sein Chef, Schick, nutzt Watson bereits als Sekretärin-Ersatz: "Ich habe Watson für mich so eingestellt, dass das System Routine-Mails automatisch in meinem Namen beantwortet", sagt er über seine neue Art der E-Mail-Nutzung.

Offene APIs für Fremdsysteme

In einer IBM-Präsentation ist die Architektur von Verse ersichtlich. Darin sieht man, dass die IBM-eigenen Analytics-Dienste und die Analytics-Dienste von Fremdanbietern unterschiedlich angebunden sind. Erstere werden direkt vom Browser aus aufgerufen, wogegen Fremd-Analytics über APIs an den Domino-SaaS-Service angebunden werden. Damit sind die IBM-Analytics eines von drei IBM-Modulen, die direkt mit dem Browser-Client kommunizieren. Bei den anderen beiden handelt es sich um den SmartCloud Chat Service und der SmartCloud Engage Service, zu dem die Kontakt-Profile, die Files, die Blogs und die Wikis gehören.

Obwohl man bei IBM mit Hochdruck am weiteren Ausbau und der Integrationen von weiteren Diensten arbeitet, um damit eine bessere E-Mail-Nutzung zu erreichen, gibt es keine Aktivitäten zur Verbesserung der Kernstrukturen von E-Mail, beispielsweise dem SMTP Protokoll. "Der Konkurrenzkampf unter den E-Mail-Providern ist viel zu groß, als dass man sich hier auf neue Standards einigen könnte", lautet Schicks resignierte Erkenntnis über seine Erfahrungen mit Standard-Komitees und Konkurrenten. (sh)