Der Anteil von Frauen an Computergeschichte und -arbeit (Teil 1)

Frauen: Pionierphase noch nicht beendet

05.12.1986

"In der Not frißt der Teufel Fliegen" - und zur Zeit auch Frauen, könnte man/frau versucht sein, die gegenwärtige Situation auf dem Arbeitskräftemarkt für qualifizierte Spezialisten oder auch Allrounder der EDV zu karrikieren. Frauen mit den gefragten Qualifikationen haben in der EDV-Branche, beim Anwender und in der Forschung mehr Chancen denn je. Und so stellt es sich denn auch nicht als Zufall dar, daß gerade jetzt eine Sozialwissenschaftlerin, nämlich die Autorin der folgenden "Zusammenfassung" ihres Buches "Computerfrauen",** mit dem Thema "Frauen und Computer" promoviert.

Diese Arbeit hat die Teilhabe von Frauen an der "Computerwelt" unter verschiedenen Aspekten untersucht. Sie folgte den Spuren von Frauen in der Computergeschichtsschreibung und in der Soziologie der Computerarbeit, diskutierte kontroverse Sichtweisen über die "männliche" Prägung der Computertechnik, sammelte Indizien über frauentypische Formen des Zugangs zu und Umgangs mit Computern, und beschrieb, soweit es das verfügbare Material erlaubt, den Umfang und die Verteilung weiblicher Erwerbstätigkeit im Spektrum von Computerberufen in der Bundesrepublik sowie einige charakteristische Probleme, die mit der "relativen Seltenheit" von Frauen im Berufsfeld Datenverarbeitung verbunden sind.

Ich beziehe mich im folgenden auf drei Gesichtspunkte, die in der aktuellen Diskussion um "Frauen und (Computer-)Technik" und/oder im Rahmen sozialwissenschaftlicher (Frauen-)Forschung über den Bereich Naturwissenschaft und Technik von Bedeutung sind:

die Lage und Probleme von Frauen in Computerberufen und was daraus für die "Frauenförderung" und die Theorie besonderer Beiträge von Frauen im Bereich von Computerarbeit folgt,

die Problematik "weiblicher" Besonderheiten des Zugangs zu und Umgangs mit Computern, wie sie sich in pragmatischer Sicht aus dem Blickwinkel geeigneter Formen der "Computerbildung" für Frauen und in theoretischer Sicht für die Techniksoziologie und die feministische Wissenschafts- und Technikforschung stellt, und

die Frage nach dem weiblichen Anteil an der Computergeschichte und was daraus für den Umgang mit "Rollenvorbildern" folgt.

Die Arbeit von Frauen im Zusammenhang mit Computern wurde in der Bundesrepublik bislang im wesentlichen aus zwei Blickwinkeln betrachtet: so hat zum einen die real vergleichsweise gering verbreitete "Teleheimarbeit" viel Beachtung gefunden und kontroverse Auseinandersetzungen ausgelöst; zum anderen sind es die Auswirkungen neuer Informationstechnologien auf traditionelle Frauenarbeitsplätze, die Gegenstand von Befürchtungen, Untersuchungen und Prognosen geworden sind.

Die Lage und Probleme von Frauen in Computerberufen, die Entwicklungslinien und Zukunftsperspektiven weiblicher Erwerbsarbeit im engeren Bereich computerbezogener Arbeit sind demgegenüber kaum beachtet worden. Ein Grund dafür mag darin liegen, daß Frauen im Berufsfeld "Datenverarbeitung" nicht sehr zahlreich sind und hat vermutlich auch damit zu tun, daß ihre beruflichen Chancen in diesem Bereich als vergleichsweise günstig betrachtet werden.

Die Frage, ob Frauen jedoch tatsächlich gleiche Chancen des Zugangs zu diesen Berufen haben oder ob es nicht auch bereits hier charakteristische Trennungslinien von "Männer-" und "Frauenarbeit" gibt, wurde nicht gefragt und untersucht. Eine Übersicht über den Anteil von Frauen an Berufen und Bildung in der Datenverarbeitung in der Bundesrepublik, die das vorliegende Material aus der amtlichen Statistik, aus Fallstudien und Umfragen umfaßt, wird erstmals in dieser Arbeit vorgelegt.

Die Auswertung dieses Materials ergab, daß zwar seit Ende der 70er Jahre der Arbeitsmarkt für Datenverarbeitungsfachleute eine Öffnung für Frauen erkennen läßt, daß aber seitdem keine nennenswerte Erhöhung des Frauenanteils in Computerberufen zu beobachten ist.

Gestützt auf die Ergebnisse der historisch orientierten Kapitel und der Berufe über Geschlechtsspezifika im Umgang mit Computern war die Existenz unterschiedlicher Geschlechterdomänen im Bereich der Computerwelt erwartet und die Präsenz von Frauen vor allem im Software-Bereich vermutet worden. Anhand der vorliegenden Materialbasis ließ sich jedoch die Herausbildung einer geschlechtsspezifischen Segregierung im Bereich professioneller Computerarbeit nicht erkennen, beziehungsweise nachweisen.

Innerhalb der Kernberufe der Datenverarbeitung - Systemanalyse Programmierung und Operatoren-Tätigkeiten - weist die Computerprogrammierung zwar einen höheren Frauenanteil auf als die beiden anderen, Frauen sind aber mit einem Anteil von unter 20 Prozent auch in diesem Bereich insgesamt nur gering vertreten.

Die Vermutung, daß sich die Verteilung von Männern und Frauen im Berufsfeld Datenverarbeitung einem Muster von Zentrum und Peripherie fügt, das für andere "Männerberufe" festgestellt worden ist, ließ sich mit dem vorliegenden Material, das - wie die amtliche Statistik, Datenverarbeitungsfachleute - entweder nur global erfaßt oder - wie Fallstudien und Umfragen - nur punktuelle Momentaufnahmen - liefert, empirisch nicht hinreichend prüfen. Prägnante Aussagen über die geschlechtliche Binnendifferenzierung im Tätigkeitsspektrum von Computerarbeit sind kaum möglich (bis auf eine im folgenden behandelte Ausnahme).

Es gibt jedoch einige Indizien, die das Muster Zentrum/Peripherie auch für Computerberufe plausibel erscheinen lassen: Wenn wir Aufgaben im Bereich der Technologie-Entwicklung zu den Zentren und Tätigkeiten in der kommerziellen Datenverarbeitung eher zu den peripheren Bereichen des Berufsfelds im Hinblick auf Technologie-Nähe und Status rechnen, scheinen auch in der Datenverarbeitung Männer eher im "Zentrum" und Frauen eher in der "Peripherie" angesiedelt zu sein.

Untersuchungen über Studien- und Berufsverläufe von Frauen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich weisen darauf hin, daß diese insbesondere an der Nahtstelle von Studienabschluß und Berufseinstieg spezifische Probleme haben - ein Aspekt, der in dieser Arbeit nicht vertieft wurde. Ein Forschungsprojekt, das sich speziell mit Informatikerinnen befaßt, äußert die Vermutung, daß sich bei informatik-bezogenen Tätigkeiten eine Geschlechtstypisierung entlang von Aufstiegslinien entwickelt (Metz-Göckel u. a. 1985:35).

Was in diesem Projekt als offene Frage formuliert wird, wird durch das für diese Arbeit ausgewertete Material weitgehend bestätigt. Wenn eine Grenze zwischen Männer- und Frauenarbeit in Computerberufen erkennbar ist, dann ist es de Grenze zwischen Führungs- und Fachpositionen. Auch in der Datenverarbeitung gibt es anscheinend "unsichtbare Grenzen" des beruflichen Aufstiegs von Frauen. Nach wie vor bestehende Vorurteile gegenüber weiblichen Führungskräften können dafür vermutlich nur zum Teil verantwortlich gemacht werden. Objektive Diskriminierung und ein subjektives Zurückweichen der Frauen selbst bilden ein komplexes Bedingungsgefüge, das genauer herausgearbeitet werden müßte. Einen geeigneten Ansatz dafür bietet die Handlungsforschung, die es erlaubt, Situationsanalyse und Frauenförderung in einem zu verbinden. Entsprechende Projekte wurden bereits in anderen Bereichen erprobt.

So wurde etwa im Rahmen einer europäischen Vergleichsstudie über die berufliche Situation von Frauen im Bankwesen anfang der 80er Jahre in Belgien ein solches Projekt durchgeführt, bei dem einerseits die gegebene Verteilung von Frauen im hierarchischen Spektrum von Bankarbeit diagnostiziert und analysiert wurde und andererseits die untersuchte Bank gewonnen werden konnte, die Notwendigkeit der beruflichen Förderung von Frauen zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Gleichzeitig zeigten sich bei dieser Form organisatorischen Wandels mittels und begleitet durch Forschung auch besonders deutlich die Widerstände gegen den beruflichen Aufstieg von Frauen, die hinter der "offiziellen Linie" der Chancengleichheit nach wie vor bestanden (vgl. Chalude 1982).