Franz Pixelbauers und seine Welt: Bildung im Informationsdschungel

22.06.2001

Franz Pixelbauer ist durch seine Freundin Emilie mächtig in die Bredouille geraten. Sie studiert Pädagogik und will Lehrerin werden. Der Ärger begann mit einer flapsigen Bemerkung von Franz: Politik und Unternehmen würden große Anstrengungen unternehmen, um die Schulen ans Netz zu bringen, von den Lehrern und Schulen selbst höre man dagegen gar nichts. Ob sie das alles blockieren wollten?

Fehlendes MedienkonzeptEmilie ging gleich in die Vollen: Welches Medienkonzept zur sinnvollen Nutzung des Internet Franz, die Politiker und Firmen denn bei all den Investitionen im Kopf hätten? "Jedem Schüler einen Laptop auf den Tisch zu stellen, damit er lossurfen kann und sich allenfalls über Finanzierungskonzepte den Kopf zu zerbrechen, ist ja wohl doch etwas zu kurz gegriffen." Kein Unternehmen könne sich eine Planung ohne Nutzungskonzept leisten. Bislang gebe es keine breite Diskussion, wie man Bildung und Schule damit verbessern könne.

Sinnvolle Konzepte zu entwickeln, sei ja schließlich Aufgabe der Lehrer und Pädagogik, meinte Franz. Er habe von einem Schulversuch der Bertelsmann-Stiftung gelesen, wo Schüler im Englisch-Unterricht E-Mails an Schüler in den USA schreiben, in Erdkunde ihre Referate mit Klimatabellen und Statistiken aus dem Internet bebildern und in Geschichte im elektronischen schuleigenen Archiv stöbern würden. Lernen werde dadurch viel spielerischer und mache mehr Spaß. Man komme an ganz andere Informationen heran, die in den oft veralteten Schulbüchern nicht stehen würden. "Im Übrigen ist das Arbeiten am Computer heute genauso wichtig wie Lesen und Schreiben. Und jeder sollte auch etwas von der Technik verstehen, sonst wird er später im Berufsleben abgehängt werden."

Das sei ja ganz typisch für die heutigen Medienkonzepte, unterbrach ihn Emilie: "Was dort passiert, läuft darauf hinaus, den Schulalltag mit Bleistift und Papier nochmal geistlos auf dem Rechner nachzubilden." Warum man denn Klimatabellen nicht aus dem Lehrbuch nehmen könne? Und ob ein Stöbern in der Schulbibliothek weniger bringen müsse als das Surfen im Netz? Das mit dem Spielerischen und dem Spaß passe zwar gut in die Fun-Society, verstärke aber die gefährliche Illusion, dass Lernen und Wissenserwerb nicht mehr mühsam seien. "Was nützt es denn, wenn der Schüler die Informationen aus dem Netz fischt, aber dann ratlos davor sitzt? Bildung lässt sich doch nicht wie Fastfood aufnehmen. Tatsächlich verbrauchten die Schülerinnen die meiste Zeit damit, um sich durch den Informationsmüll durch zu kämpfen." Es sei auch gar nicht nötig, dass alle Schüler tief greifende Computerkenntnisse lernten, schließlich habe man bei der Erfindung des Autos ja auch nicht alle zu Automechanikern gemacht.

Vom Pauker zum ModeratorDiese Philippika fand Franz ganz schön provozierend. In welcher Zeit Emilie denn eigentlich lebe? Alle sprächen von der Wissensgesellschaft und dem globalen Wettbewerb und da sei es vor allem erforderlich, dass die Schule vermittle, wie man in der Informationsfülle Orientierung gewinne. Dies könne durch das Internet unterstützt und auch langfristig kostengünstiger organisiert werden, zum Beispiel, indem die Kontakte zwischen Lehrern und Schülern auch außerhalb der Schule über das Internet abgewickelt würden. Das Internet biete doch auch die Chance, dass Lehrer die Rolle des Paukers los- und zu Moderatoren und Lernberatern würden. Außerdem sei er sehr neugierig, was Emilie denn für ein Medienkonzept in der Tasche habe, immer nur kritisieren sei ja wohl ein bißchen dünn.

Franz wäre mit seinem Gedanken, die Kontakte mit Hilfe des Netzes zu verbessern, schon auf dem richtigen Weg, meinte Emilie. Nur dass Franz das vor allem unter dem Kostenaspekt sehe, störe sie mächtig. Wenn er schon die Kosten ins Spiel bringe, dann solle man zunächst einmal darüber reden, was für Folgekosten in den nächsten Jahren auf die Schulen zukämen und wer das bezahlen solle. Schließlich brauche jede Schule mindestens einen ausgebildeten Informationstechniker. Und nach drei oder vier Jahren seien Ersatzinvestitionen angesagt, man wolle ja kein Computermuseum betreiben. - Ihre Vision sei, dass das Internet dabei helfe, Lerngemeinschaften zwischen Lehrern und Schülern, zum Beispiel für einen Klassenverbund, aufzubauen. Wichtig sei ihr, dass bei einem solchen Konzept der soziale Kontakt der Schüler untereinander und zu den Lehrer nicht reduziert, sondern gestärkt werde.

Na ja, denkt Franz, das ist ja noch alles sehr abstrakt. Aber warum sollte eine Studentin ein konkreteres Konzept haben als die Verantwortlichen?

Franz Pixelbauers Alter Ego

Arno Rolf arbeitet als Informatikprofessor an der Universität Hamburg. Seine Schwerpunkte sind Wirtschafts- und Umweltinformatik sowie Technikfolgenbewertung. Seine Erfahrungen und Erlebnisse mit den Studenten und seinen beiden Söhnen, die im Alter der Internet-Generation sind, hat er in der Kunstfigur des Franz Pixelbauer gebündelt. Dieser ist zwar begeistert von seinem Informatikstudium,stellt sich aber immer wieder Fragen, die über eine rein technische Sicht der Dinge hinausgehen.