Franz Pixelbauer und seine Welt: Generationenprobleme

20.04.2001

Franz Pixelbauers Eltern sind stolz auf ihren Sohn. Er studiert jetzt im vierten Semester Informatik, ein Fach, das ihm bald alle Türen öffnen wird. Sie staunen, wie souverän er mit Computer und Internet umgeht und wie unbekümmert er sich in einer Welt bewegt, die ihnen weitgehend verschlossen geblieben ist.

Wenn Franz'' Vater am PC sitzt und ein "Feature" anzeigt, dass etwas Unvorhergesehenes mit dem Programm passiert ist, kann er Gott sei Dank gleich den Sohn fragen. Merkwürdigerweise sind das aber immer unbefriedigende Begegnungen. Meist hat Franz im Handumdrehen den Fehler entdeckt, macht einige schnelle Klicks mit der Maus, die der Vater in dieser Eile weder einordnen noch nachvollziehen kann, und streut einige englische Fachwörter ein. Sein Vater wird jedesmal etwas brummig und murmelt, er könne sich auch etwas mehr Mühe geben und sich verständlicher ausdrücken. Franz dagegen denkt, der Alte schnallt das Ganze ja doch nicht, egal wie ausführlich und langsam es ihm erklärt wird.

Franz hat sich öfters gefragt, weshalb sich die Elterngeneration mit Computer und Internet so schwer tut. Es ist ja nicht nur so, dass sie das System nicht durchschauen. Sie haben dauernd Angst, wenn etwas nicht "vorschriftsmäßig" funktioniert. Irgendwie merkt man, dass sie in der Mechanikzeit aufgewachsen sind, wo noch Metall aufeinander rieb und man durch eine falsche Bedienung etwas endgültig zerstören konnte.

Sauer auf ProgrammiererFranz hat diese Befürchtung nicht. Anders als sein Vater, der sich für jedes unvorhergesehene Computerereignis verantwortlich fühlt, ist er meist auf den idiotischen Programmierer der Software sauer. Wo sein Vater in Demut vor der Technik aussteigt, hält Franz es mit der Strategie Versuch und Irrtum: Irgendwie wird es schon einen Pfad geben, die Sache zu stemmen. Wenn dann tatsächlich mal etwas kaputtgeht, kann man es neu kaufen, es kostet nicht die Welt. Zuweilen denkt er, die Alten passen nicht mehr in dieses Konzept. Sie stören mit ihren Prinzipien des unflexiblen Hinterfragens und Abarbeitens.

Der Vater dagegen geniert sich vor seinem Sohn, wenn er nicht mehr weiter weiß mit dem PC. Er fürchtet, als bescheuert dazustehen. Er spürt Franz'' Ungeduld, und manchmal hat er auch schon einen hochgezogenen Mundwinkel bei ihm bemerkt. Dann und wann bildet er sich auch ein, dass Franz sein Überlegenheitsgefühl etwas auskostet. Den Vater ärgert allein schon das englische Fachchinesisch. Er meint, der Computer müsse wie ein Werkzeug sein, er müsse die tägliche Arbeit erleichtern, aber es dürfe nicht so sein, dass man bei der Arbeit auch noch technische Probleme mitbedenken oder sich über benutzungsunfreundliche Software ärgern müsse.

Franz versucht, seinem Vater klarzumachen, dass man mit jedem Werkzeug, selbst dem Hammer oder Bohrer, umzugehen lernen müsse. Warum er dies Computer und Internet nicht zubillige? Etwas mehr Zeit könne er schon investieren. Schließlich solle auch die ältere Generation noch so viel Elan und Selbstbewusstsein aufbringen, um zu erkunden, wie das Internet für ihren Alltag und Beruf eine Bereicherung werden könne.

GenerationenproblemDies alles ist für den Vater ein ziemlich abrupter Rollentausch: Vor einiger Zeit war es noch umgekehrt, da konnte er Franz mit seiner Lebenserfahrung erklären, wie sich die Welt dreht. Er hat die Erklärungshoheit an Franz nicht nur auf einem kleinen Gebiet verloren. Computer und Internet wachsen wie Efeu in alle Bereiche hinein und verändern die Gesellschaft grundlegend. Dem Vater sind die Haltepunkte abhanden gekommen, er muss zu viel glauben, was Politiker, Medien und Franz für ihn deuten, das verunsichert ihn. Franz sieht das alles etwas unverkrampfter, man kann nicht alles im Griff haben, die Überraschungen machen das Leben erst interessant. Hauptsache, es ergeben sich neue Chancen.

In solchen Augenblicken fragt sich Franz'' Vater, ob das damals mit ihm und seinem Vater ähnlich war? Gab es auch diese Trennung zwischen den Generationen? Gab es technische Entwicklungen wie Computer und Internet, die so auf Jugend setzten und den Alltag so gründlich umkrempelten? Vielleicht waren es damals Kernenergie und Brokdorf, an denen sich der Generationenkonflikt entzündete. Er wurde aber sehr politisch ausgetragen. Politisch gibt es keine Differenzen zwischen Franz und seinem Vater, aber auch kaum Gespräche.

Franz'' Vater erinnert sich, dass sein Vater wohl älter war, als er den Stab an ihn übergab. Manchmal hat er den Eindruck, dass Franz und die Informationsgesellschaft ihn etwas zu früh aufs Altenteil schicken wollen. Aber irgendeine Anstrengung muss er wohl noch selber erbringen, damit er das verhindert.

Franz Pixelbauers Alter EgoArno Rolf arbeitet als Informatikprofessor an der Universität Hamburg. Seine Schwerpunkte sind Wirtschafts- und Umweltinformatik sowie Technikfolgenbewertung. Seine Erfahrungen und Erlebnisse mit den Studenten und seinen beiden Söhnen, die im Alter der Internet-Generation sind, hat er in der Kunstfigur des Franz Pixelbauer gebündelt. Dieser ist zwar begeistert von seinem Informatikstudium,stellt sich aber immer wieder Fragen, die über eine rein technische Sicht der Dinge hinausgehen.